Meduza-Auswahl 26. Oktober – 1. November: Mit Z und St.-Georgs-Band
Auch in Sibirien setzt Putins Regime auf Patriotismus und Propaganda. Sie ist Teil des Alltagsleben geworden. Texte aus dem Exilmedium.
Das russisch- und englischsprachige Portal Meduza zählt zu den wichtigsten unabhängigen russischen Medien. Im Januar 2023 wurde Meduza in Russland komplett verboten. Doch Meduza erhebt weiterhin seine Stimme gegen den Krieg – aus dem Exil. Die taz präsentiert seit 1. März unter taz.de/meduza immer mittwochs in einer wöchentlichen Auswahl, worüber Meduza aktuell berichtet. Das Projekt wird von der taz Panter Stiftung gefördert.
In der Woche vom 26. Oktober bis zum 1. November 2023 berichtete Meduza unter anderem über folgende Themen:
Antijüdische Ausschreitungen in Dagestan
Wer ist für die antisemitischen Ausschreitungen auf dem Flughafen in der Metropole Machatschkala im südrussischen Dagestan am Sonntag verantwortlich? Das fasst Meduza in einem englischsprachigen Bericht zusammen.
Die Regierung in Moskau gibt in ihren offiziellen Erklärungen den ukrainischen Geheimdiensten die Schuld. Eine Quelle aus dem Büro des präsidialen Gesandten für den Nordkaukasus erklärte jedoch gegenüber Meduza: Eine so große Versammlung wie die Flughafenkrawalle zu organisieren, brauche einen Förderer aus dem lokalen politischen Establishment. Personen, die mit dem Gouverneur von Dagestan, Sergei Melikow, unzufrieden sind, könnten eine Rolle bei der Organisation der Unruhen gespielt haben, glaubt die Quelle von Meduza.
Die Krawalle am Flughafen waren nicht die einzige antijüdische Ausschreitung in der jüngsten Zeit: Am 28. Oktober fand in Tscherkessk, der Hauptstadt der russischen Republik Karatschai-Tscherkess, eine Anti-Israel-Kundgebung statt. Die Teilnehmenden forderten eine „Ausweisung“ der Juden aus der Region. Am darauffolgenden Morgen, dem 29. Oktober, setzten unbekannte Brandstifter ein unfertiges jüdisches Kulturzentrum in der Stadt Naltschik in der Republik Kabardino-Balkarien in Brand.
Schreiben Sie einen Brief an Gefangene in Russland!
OVD-Info, eine der bekanntesten russischen Menschenrechtsorganisationen, hat ein neues Tool eingeführt: Es ermöglicht, Briefe an russische politische Gefangene zu schreiben. In einem Essay erklären Xenia Mironowa von Help Desk Media und OVD-Info-Redakteur Dan Storyev, wie und warum Menschen weltweit diese Option nutzen sollten. Meduza veröffentlicht das Essay auf Englisch.
Laut OVD-Info sitzen derzeit mindestens 988 politische Häftlinge in russischen Gefängnissen. Mit der anhaltenden Herrschaft von Wladimir Putin wächst ihre Zahl weiter an. Ihre Verfolgung hat in Russland viele Gesichter: Vergiftungen, Geldstrafen, Schläge, Folter, Schikanen, Morde. Die Waffe der Wahl ist das Gefängnis.
Der Freiheitsentzug an sich ist in Russland so weit verbreitet, dass Gefängnisjargon und -traditionen zu einem Teil der Alltagskultur geworden sind. Jeder kann ganz einfach und schnell im Gefängnis landen und Dissidenten sind besonders gefährdet. In den Augen des Kremls kann jeder ein Dissident sein: von Journalisten und Umweltschützern bis hin zu Polizisten und Feuerwehrleuten. Viele sind derzeit wegen ihres Engagements gegen den Krieg in der Ukraine inhaftiert.
Wer politischen Gefangenen helfen will, hat mehr Optionen, als an Hilfsorganisationen zu spenden. Briefe – selbst von Fremden – sind einer der wenigen Hoffnungsschimmer, die die Gefangenen im Alltag haben.
Kriegsbegeisterung in Sibirien
Seit dem Ausbruch des Krieges in der Ukraine setzen die russischen Behörden vermehrt auf Patriotismus. Die Republik Burjatien und die Region Irkutsk – die beiden Föderationssubjekte, die an den Baikalsee in Südsibirien grenzen – bilden da keine Ausnahme. In den letzten anderthalb Jahren sind dort patriotische Konzerte, Autokorsos und Kinderwettbewerbe zur Regel geworden.
Überall wird die Begeisterung für den Krieg gepflegt: Schilder mit dem Buchstaben Z schmücken Theater und Museen, Restaurantbesitzer haben Banner mit Porträts russischer Soldaten aufgehängt, manche haben ihre Autos in den Farben des St.-Georgs-Bandes (ein Zeichen für die Unterstützung Putins, Anm. d. Red.) lackiert.
Für die Website People of Baikal hat ein anonymer Fotograf kürzlich eine Reihe solcher „patriotischen“ Fotos zusammengestellt, die er in den letzten anderthalb Jahren in Burjatien und der Region Irkutsk aufgenommen hat. Mit Erlaubnis der Website veröffentlicht Meduza die Bilder, mit englischem Kommentar.
Nach dem Ende von Arzach
„Wir aßen, was wuchs. Wir standen um vier Uhr morgens auf, um Brot zu holen – ein trockenes Lavash-Brot pro Familie. Mit einer Bildergalerie zeigt Meduza, wie Armenier in Bergkarabach unter der aserbaidschanischen Blockade lebten – und wie es ihnen heute in Armenien geht.
Nachdem Bergkarabach (armenisch Arzach genannt) unter die Kontrolle Aserbaidschans geriet, verließen fast alle ethnischen Armenier die Region. Viele von ihnen befinden sich in Flüchtlingslagern in Armenien. Sie werden von Freiwilligen betreut. Wie viele solcher Lager es in Armenien derzeit gibt, ist nicht bekannt.
Das Medium Mediazona veröffentlichte Bilder des Fotografen Egor Kirillov (russischer Text), der die Geflüchteten in Armenien besucht hat – und die sich nun, fern der alten Heimat, ein neues Leben aufbauen müssen.
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