Meduza-Auswahl 11. bis 17. Mai: Russland ohne Diamanten
Ist Lukaschenko schwer krank? Welche Sanktionen sind gegen die Diamantenindustrie möglich? Texte aus dem Exilmedium.
Das russisch- und englischsprachige Portal Meduza zählt zu den wichtigsten unabhängigen russischen Medien. Im Januar 2023 wurde Meduza in Russland komplett verboten. Doch Meduza erhebt weiterhin seine Stimme gegen den Krieg – aus dem Exil. Die taz präsentiert seit 1. März unter taz.de/meduza immer mittwochs in einer wöchentlichen Auswahl, worüber Meduza aktuell berichtet. Das Projekt wird von der taz Panter Stiftung gefördert.
In der Woche vom 11. bis 17. Mai 2023 berichtete Meduza unter anderem über folgende Themen:
Wie geht es Lukaschenko?
Zahlreiche Gerüchte häufen sich zum aktuellen Gesundheitszustand des belarussischen Staatspräsidenten Alexander Lukaschenko. Am 9. Mai trat er zuletzt öffentlich auf, bei den offiziellen Feierlichkeiten des „Tag des Sieges“ in Moskau. Ein regierungsnaher Telegramkanal veröffentlichte ein Foto von Lukaschenko in seiner Militäruniform und mit bandagierter linker Hand. Auch im belarussischen Staatsfernsehen war der Regierungschef ein paar Sekunden zu sehen, allerdings ohne zu sprechen.
Meduza sammelt in diesem Bericht (russischer Text) Informationen aus den sozialen Medien und Medienberichte, um mögliche Erklärungen für dieses seltsame Verhalten zu finden. Die unabhängige Zeitung Nascha Niwa zum Beispiel beobachtet, dass Lukaschenko nicht an dem informellen Essen mit Staats- und Regierungschefs am 9. Mai in Moskau teilnahm. Stattdessen kehrte er sofort nach der Parade zurück nach Belarus. Eine andere unabhängige belarussische Zeitung, Zerkalo, nahm sich den Terminkalender des Staatsoberhaupts vor – und bezeichnet seine derzeitige Routine für ungewöhnlich. Im Falle eines möglichen gewaltsamen Todes des belarussischen Staatschefs wird im Land der Ausnahmezustand oder das Kriegsrecht verhängt. Die Macht im Land ginge dann auf den Sicherheitsrat über.
Yandex will weg vom Kreml
Das wohl bekannteste russische Netz-Unternehmen will sich vom Kreml distanzieren: Yandex, besonders beliebt für seine gleichnamige Suchmaschine, hat seit dem Jahr 1997 seinen Hauptsitz in der russischen Hauptstadt Moskau, aber seit Frühjahr 2023 hat es auch ein Büro in Amsterdam (Niederlande). Der multinationale IT-Riese möchte nun ein “Konsortium“ von Aktionären gründen. Die Idee ist, das Unternehmen zu verkaufen. Aber die Sanktionen gegen Russland, die unter anderem vorsehen, das Vermögen bestimmter Oligarchen einzufrieren, machen es ihnen nicht leicht.
Meduza hat zu dem geplanten Konsortium recherchiert und die Namen einiger möglichen Interessenten und Oligarchen herausfinden können (englischer Text). In der engeren Auswahl befinden sich zum Beispiel der Präsident und CEO von Lukoil, Wagit Alekperow. Auch der Vorsitzende von Novatek, Leonid Michelson, wäre in der engeren Auswahl, allerdings wurde sein Vermögen durch die USA eingefroren. Ein weiterer wahrscheinlicher Kaufinteressent könnte Roman Abramowitsch sein.
Ende des glitzernden Geschäfts?
Versuchen die G7-Staaten Russlands Einnahmen aus Diamantenexporten abzuschneiden? Experten befürchten, dass die dafür angedachten Sanktionen eher den kleineren Händlern und Polierern der Diamantenindustrie Schaden zufügen würden – und eben nicht Putins Regime. Indien zeigt sich besonders besorgt, denn mehr als 90 Prozent aller Diamanten der Welt werden in Indien geschliffen. Die Bearbeitung russischer Diamanten schafft etwa 60 Prozent der Arbeitsplätze in der Branche in Indien.
Aus einer Recherche, die urspünglich von der britischen Zeitung Financial Times veröffentlicht wurde, entnimmt Meduza weitere Details zu den geplanten Sanktionen und ihren Folgen (russischer Text). Das Medium stellt sich außerdem Fragen nach der Umsetzung der Sanktionen. Zum Beispiel müssten die Länder, in denen russische Diamanten verarbeitet und gehandelt werden, erst die Herkunft der einzelnen Steine feststellen. Und um überhaupt wirksame Sanktionen verhängen zu können, müssten die USA und die EU das Zertifizierungssystem für Diamanten weltweit vollständig umgestalten – ein großer Aufwand.
Ex-Bürgermeister gegen Kreml
Über Kremlkritiker*innen, die aufgrund ihrer kritischen Haltung gegenüber dem russischen Angriffskrieges festgenommen oder verurteilt wurden, wurde bereits oft berichtet. In diesem Bericht porträtiert Meduza den ehemaligen Bürgermeister der Stadt Jekaterinburg (englischer Text), östlich des Uralgebirges, Ewgeni Roisman. Ihm wird “Diskreditierung der russischen Streitkräfte“ und Kritik am Einmarsch Russlands in der Ukraine vorgeworfen. Roisman lehnt den Krieg aus moralischen Gründen ab und riskiert fünf Jahre Gefängnis.
Bekannt wurde Roisman in der Vergangenheit für sein Engagement in der Drogenbekämpfung in Jekaterinburg. Trotz allem liebt er leidenschaftlich weiterhin sein Heimatland. Dem Bösen, wie er den russischen Angriffskrieg nennt, will er sich aber widersetzen – selbst wenn es ihn seine Freiheit kostet.
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