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Medizinische Versorgung für GeflüchteteDie gleiche Angst vor dem Virus

Andrea Maestro
Kommentar von Andrea Maestro

Keinen Notarzt zu rufen, wenn ein Mensch Hilfe braucht, und die zu bestrafen, die dagegen protestieren, ist zynisch.

Für ein Recht zu bleiben: Demo in Mecklenburg-Vorpommern Foto: Jens Büttner/dpa

W as macht das wohl mit Menschen? Hinter Zäunen auf einen Notarzt zu warten und der kommt einfach nicht? Sich an die Betreiber der Unterkunft zu wenden, davon zu berichten, dass ein Bewohner Fieber hat, und an Mitarbeiter:innen zu geraten, die die eigene Angst nicht ernst nehmen? Die erst reagieren, wenn man so laut ist, dass man nicht mehr ignoriert werden kann. Was macht das mit dem Vertrauen?

Der Betreiber der Unterkunft, die Malteser Werke, erkennt den Betroffenen mit seinem Verhalten ihre Menschlichkeit ab. Das wird nicht zuletzt dadurch deutlich, dass die Geflüchteten für ihren Protest auch noch bestraft werden. Steckt dahinter die Haltung, dass sie kein Recht dazu hatten, die medizinische Hilfe einzufordern?

Alle Menschen haben Angst davor, sich mit dem Coronavirus zu infizieren, vielleicht auf die Intensivstation zu kommen oder Familienmitglieder, die zur Risikogruppe gehören, zu verlieren. Wir alle gehen auf Distanz, schränken unser soziales Leben ein, um die, die wir lieben, zu schützen. Geflüchtete, die in so großen Unterkünften leben, können das nicht.

In Wohnungen unterbringen

Manche teilen sich die Zimmer, viele das Bad. Sie können nicht weg. Sinnvoll wäre es, Geflüchtete aus Sammelunterkünften auf die Kommunen zu verteilen. In eigene Wohnungen. Natürlich nachdem sie auf das Virus getestet wurden, um auszuschließen, dass sie es verbreiten. Dafür fehlt der politische Wille. Man will schließlich keine falschen Anreize setzen. Menschen mit angeblich geringer Bleibeperspektive keine „Geschenke“ machen.

Vor diesem Hintergrund ist es das Mindeste, dass Geflüchtete im Akutfall schnellen Zugang zu medizinischer Versorgung bekommen. Es ist ganz einfach: Diejenigen, die in so großen Unterkünften leben, sind Menschen. Sie haben die gleichen Ängste wie wir alle. Sie sind keine Nummern oder Formulare. Es wird Zeit, dass wir sie auch so behandeln.

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Andrea Maestro
Redaktionsleiterin taz.nord
War bis Dezember 2022 Redaktionsleiterin der taz nord. Davor Niedersachsen Korrespondentin der taz. Schwerpunkte sind Themen wie Asyl und Integration, Landwirtschaft und Tierschutz.
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11 Kommentare

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  • Frau Maestro, was ist ein Akutfall? Liegt der etwa vor, wenn jemand leicht erhöhte Temperatur hat? Wohl kaum.

    • @Chutriella:

      Wir haben eine Corona-Pandemie. Nochmal ganz langsam buchstabiert: C-o-r-o-n-a.

      Verdachtsfälle äussern sich durch eine "erhöhte Temperatur". Und in einer dicht besetzten Flüchtlingsunterkunft, bei der gerade Ausgangssperre herrscht (→ Corona) kann sich ein Coronafall schnell zu einer hässlichen Situation auswachsen.

      Ich unterstelle mal freundlicherweise, dass es nicht das ist, was Sie wollen, sondern dass Sie die Zusammenhänge nicht zu Ende gedacht haben.

  • Sehr geehrte Frau Maestro, schon den Beitrag Ihres Kollegen Hr. Zuschlag empfand ich wenig hilfreich und nicht als Ausdruck guter journalistischer Arbeit. Vorab: Auch ich bin (als Arzt) für eine optimale med. Versorgung von Flüchtlingen, diesbzgl. besteht kein Dissens). Ihr "Kommentar" versteigt sich nun jedoch gar zu Formulierungen wie "Der Betreiber der Unterkunft, die Malteser Werke, erkennt den Betroffenen mit seinem Verhalten ihre Menschlichkeit ab." - Entschuldigung, mit Verlaub, das ist absoluter nonsense! Dem Beitrag ihres Kollegen Hr. Zuschlag ist zu entnehmen, dass ein 28jähriger junger Mann aufgrund von Fieber in ein Krankenhaus verlegt zu werden wünschte und dass ein Notarzt mit Verzögerung vor Ort gewesen sei.



    Bei aller political correctness, gehen wir doch mal einen Schritt zurück und atmen durch: Wo ist das Problem? Weder stellt Fieber eine Indikation dar, ein Krankenhaus aufzusuchen, noch stellt Fieber einen Grund dar, einen Notarzt anzufordern? Im Gegenteil, gerade in Corona-Zeiten gibt es gute Gründe, auch im Corona-Verdachtsfall eben nicht ein Krankenhaus aufzusuchen oder den nächsten RTW für viele Stunden zu blockieren ... Hr. Zuschlag weist ja gegen Ende seiner Zeilen darauf hin: Der Betroffene war Corona-negativ ... lag die Heimleitung u.U. mit ihrer Einschätzung richtig? Hätte es vielleicht genügt, Paracetamol auszugeben, Tee zu trinken und das zust. Gesundheitsamt zu kontaktieren?



    Als taz-Leser denke ich, hätte die Heimleitung eigentlich das Recht, zu Ihrem Artikel öffentlich Stellung zu nehmen ... ich vermisse ein wenig die Professionalität in der Berichterstattung, hier kommt die sachliche Darstellung der facts zu kurz (vielleicht liegen Ihnen in der Redaktion mehr Infos vor, dem Leser fehlen sie jedoch), die moralische Empörung gewinnt Überhand ... ich vermute: zu Unrecht.

    • @Ein wenig Vernunft, bitte!:

      Noch etwas:

      Sie sagen: "Als taz-Leser denke ich, hätte die Heimleitung eigentlich das Recht, zu Ihrem Artikel öffentlich Stellung zu nehmen". Im oben verlinkten Artikel (hier nochmal [1]) steht, die Heimleitung macht von ihrem Recht, zu schweigen Gebrauch:

      "Betrieben wird der Einrichtung von den Malteser Werken. Dort heißt es auf Nachfrage zu den Vorwürfen, dass man sich grundsätzlich nicht äußere"

      **Diesen Artikel haben Sie auch kommentiert**

      Heilicher Bimbam. Sie bezeichnen sich selbst als "taz-Leser". Ich frage mich nun, wie Sie eigentlich lesen.

      [1] taz.de/Gefluechtet...onakrise/!5677017/

    • @Ein wenig Vernunft, bitte!:

      Ganz im Gegenteil. In einer Sammelunterkunft sollten zu dieser Zeit Verdachtsfällen proaktiv hinterhergegangen werden.

      Und Flüchtlingen mit Internetentzung zu bestrafen, wo das gerade die einzige Verbindung ist, die sie nach draussen haben -- das hat keinen Namen.

      • @tomás zerolo:

        Vielleicht wurde dem proaktiv nachgegangen? Und dann wurde festgestellt, dass es keine Symptome gab, die einen Notarzteinsatz rechtfertigten?

        Der Artikel gibt doch nur eine Seite wieder und lässt auf der anderen Seite alles offen.

        Und dass es einen Internetentzug gab, ist blanke Spekulation.

        • @rero:

          Vielleicht. Vielleicht auch nicht. Andere Artikel [1] lassen eher zweiteres vermuten. Dass sich die Heimleitung dazu nicht äussern will [2] leider auch.

          Das mit dem Internetzugang geht aus [2] hervor. Ich habe keinen Grund, an der Aussage von Frau Berth zu zweifeln.

          In Sachen "Werten" bekleckern wir uns hier nicht gerade mit Ruhm.

          [1] taz.de/Unterkuenft...-Sachsen/!5680111/



          [2] taz.de/Gefluechtet...onakrise/!5677017/

          • @tomás zerolo:

            Frau Berth ist doch gar keine Zeugin. Sie kann also zur Sache gar nichts sagen.

            Auch in dem anderen Artikel ist es nur eine Spekulation, dass der Internetzugang aus "erzieherischen" Gründen abgestellt worden sei.

            Da sieht man, wie ein überwiegend spekulativer Artikel als Tatsachenbericht umgedeutet wird.

            • @rero:

              "Frau Berth ist doch gar keine Zeugin [...]"

              Sie ist in Kontakt mit den Geflüchteten. Ich habe keinen Grund zur Annahme, dass sie die Geschichten erfindet.

              Sie können natürlich alles in Zweifel ziehen, was Ihnen nicht in den Kram passt. Ab sofort bezweifle ich, das Sie überhaupt existieren. Dann sind wir quitt.

              • @tomás zerolo:

                Etwas nur vom Hörensagen zu wissen, bedeutet nun mal, dass man nicht Zeuge ist.

                Wenn ein Artikel nur ein Seite gibt und alle, die was dazu sagen, es nur vom Hörensagen wissen oder selbst spekulieren, ist er nun mal nur sehr bedingt verlässlich.

                Richtige Zeugen sind ja nicht immer einfach, wie man in Gerichtsverfahren sieht. 5 Zeugen, 6 Sachverhalte...

                Ich ziehe übrigens auch immer das in Zweifel, was mir in den Kragen passt. Ist so eine dumme Angewohnheit von mir.

  • 8G
    82286 (Profil gelöscht)

    Allenthalben lese ich von Solidarität, gegenseitiger Rücksichtnahme, diszipliniertes Verhalten, Nachbarschaftshilfen usw. usf.



    Sieht nach einem gesellschaftlich-moralischem Aufschwung aus.



    In Wirklichkeit aber zerfällt die Moral seit 2015 rapide. Es istnur noch das wichtig, was mich persölich betrifft. Vielleicht noch das des älteren Nachbarn.



    Anders kann ich mir das nicht erklären.



    Siehe TAZ-Artikel Orban/Leyen.



    Solidarität auf höchster Ebene.