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Medikamentenmissbrauch unter LGBTsErst diskriminiert, dann abhängig

Schwule, Lesben und Bisexuelle sind besonders stark von der Opioid-Krise in den USA betroffen. Zurückzuführen ist das auch auf Diskriminierung.

Bisexuelle Frauen scheinen am stärksten von der missbräuchlichen Einnahme von Schmerzmitteln betroffen zu sein Foto: dpa

Eine Studie der New York University School of Medicine hat die Daten von 43.000 Personen ausgewertet, die im Jahr 2015 an der „National Survey on Drug Use and Health“ teilgenommen hatten.

Die Ergebnisse wurden diese Woche veröffentlicht: Während 4,5 Prozent der heterosexuellen US-AmerikanerInnen angaben, innerhalb eines Jahres starke Schmerz- und Betäubungsmittel auf missbräuchliche Weise eingenommen zu haben, betrifft dies 8,6 Prozent der Schwulen und Lesben sowie 12 Prozent der Bisexuellen. Bisexuelle Frauen scheinen von allen Gruppen am stärksten von der missbräuchlichen Einnahme sowie der Abhängigkeit von diesen Substanzen betroffen zu sein.

Die Zahlen sind nicht überraschend: Zahlreiche Studien haben in der Vergangenheit bewiesen, dass Drogen- und Medikamentenkonsum unter Lesben, Schwulen und Bisexuellen deutlich weiter verbreitet sind, als unter Heterosexuellen.

Dies liegt zum einen an einer großen Verfügbarkeit in bestimmten subkulturellen Szenen, wird allerdings vor allem auf sogenannten Minority Stress zurückgeführt: Gesellschaftlich bedingte Stressbelastung sowie Stigmatisierungs-, Diskriminierungs- und Gewalterfahrung führen zu erhöhter Häufigkeit von Depressionen, Angststörungen und Suizidalität sowie auch zu einem höheren Konsum von Betäubungsmitteln.

Bewältigung mittels Schmerzmitteln

Viele Angehörige sexueller Minderheiten sind ständig darauf gefasst, Diskriminierung zu erfahren. Beleidigungen, Stigmatisierung, Hass und Gewalt. Auch die eigenen Szenen sind nicht frei von Demütigungen und Herabwürdigungen. Dieser Stress und dieses Stigma müssen von den Betroffenen bewältigt werden – oftmals geschieht dies offenbar mittels Schmerzmitteln.

Ein wichtiges Ergebnis der neuen Studie ist, dass dieser Minderheitenstress offenbar besonders relevant für bisexuelle Frauen ist, die die höchsten Angaben zu Schmerzmittelmissbrauch machten. „Da sie weder vollständig zu ‚heterosexuellen‘, noch zu ‚lesbischen‘ Zirkeln gehören, erfahren sie sowohl Homophobie von Heterosexuellen als auch Biphobie von Lesben“, heißt es dazu in der Studie. Dieses Problem muss endlich erkannt und ernst genommen werden, um es zu bekämpfen.

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6 Kommentare

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  • So kann man/frau, TAZ generell nicht an das Thema SUCHT herangehen.



    L schlawiner Dipl-Psych

  • Ich möchte nochmal einen Versuch starten, hier mit einem Kommentar durchzukommen.

    So wie die Daten hier wiedergegeben werden, ist das Ergebnis der Studie lediglich, dass Schwule, Lesben und Bisexuelle in den USA mehr Schmerzmittel nehmen als Heterosexuelle.

    Daraus abzuleiten, dass dieser Mehrkonsum aufgrund von Diskriminierungserfahrungen stattfindet, ist unwissenschaftlich und eine Interpretation, die von den Daten nicht gedeckt ist.



    Dazu hätte der Schmerzmittelkonsum zumindest mit dem schwer zu messenden Grad des Leidensdrucks der Studienteilnehmer in Beziehung gesetzt werden müssen.

    Bitte nicht aus politischem Aktionismus die Wissenschaft verbiegen.

  • Genau genommen ist es nicht das "Verstellen", das den Stress auslöst. Das Spiel mit verschiedenen Identitäten ist ein menschliches Talent, vielleicht sogar ein Grundbedürfnis, das bereits Kinder haben. Aus einem Bedürfnis kann allerdings ganz schnell ein Albtraum werden. Und zwar dann, wenn die Umgebung einen Menschen dazu zwingt zu tun, was er tun kann aber eigentlich nicht machen will.

    Es ist also die fehlende Freiheit, die das Bedürfnis nach Betäubung auslöst. Es ist die Angst vor dem was passiert, wenn man sich nicht mehr verstellt. Das Problem liegt nicht bei den bisexuellen Frauen. Es liegt bei denen, die solchen Frauen das blöde Gefühl vermitteln, sie würden umgehend zum Feind erklärt, wenn sie sich nicht verhalten wie erwartet.

    „Und führe uns nicht in Versuchung...“ beten die Christen. Und zwar nicht ohne Grund. Unzählige Herrscher-Generationen haben jeden, der von ihnen willkürlich aufgestellten Regeln abgewichen ist, umbringen lassen. Und alle, die solche Leute nicht verraten haben, gleich hinterher. Hierzulande zuletzt vor grade mal 73 Jahren. Das Wissen darum wirkt bis heute nach. Und zwar bis tief ins Unbewusste hinein. Bei Menschen aller Orientierung übrigens. Die, die irgendwie von der Norm abweichen, bekommen das nur besonders stark zu spüren.

    Übrigens erklärt dieser Umstand auch, dass so viele Filmstars sich bis zum Exitus zudröhnen oder begrabschen lassen. (Grüße von hier an den #MeToo-Fankreis). Die dürfen auch nicht aufhören, sich zu verstellen. Sie werden sonst nicht mehr bezahlt. Außerdem würde die Mehrheitsgesellschaft sie nicht mal ansatzweise wahrnehmen, wenn sie nicht immer wieder neue, tolle Rollen spielen würden. Die Mehrheit braucht schließlich Leute, die stellvertretend all das ausleben, wofür Otto-Normalglotzer einfach zu feige ist mit (verschleiertem) Blick auf die Historie.

  • Hmm. Bisexuelle können doch immerhin einen Teil ihrer sexuellen Identität ungestört von Vorurteilen der puritanischen "Mehrheitsgesellschaft" ausleben. Und wenn sie sich in der anderen Community aufhalten, müssen sie ja auch nicht jedem ständig ihre anderen Optionen vorhalten. Wundert mich also.

    • @meerwind7:

      Aber eben darum geht es. Du musst dich ständig verstellen, kannst nie ganz zu deiner sexuellen Orientierung stehen, musst ständig Angst haben, dass du auffliegst. Das macht stress. und eine streebewältigung ist eben, sich wegzuknallen

      • @rauchamendedernacht:

        na dann ist ja gut.