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Medien über Musk und RechtsruckZerfleischt euch nicht gegenseitig

Musk provoziert Europa, doch Medien und Politik verlieren sich in Nebelkerzen. So treten die eigentlichen Gegner in den Hintergrund.

Machen Remigration politically correct again: Alice Weidel und Elon Musk während ihres Live-Talks auf X Foto: Kay Nietfeld/dpa

J a, die Lage war schon mal besser. Also bevor Elon Musk bei Springer total zutreffende Analysen über den Zustand Deutschlands und seiner Wirtschaft absondert und bloß die falsche Therapie (Vote AfD!) empfiehlt. Oder Mark Zuckerberg fix das bisschen Europa in den USA über den Haufen wirft, das dort in Sachen Social Media Einzug gehalten hatte.

Es hat lange genug gedauert, bis es so etwas wie Moderation, Kennzeichnung und Löschung fragwürdiger bis verbotener Einlassungen auf Facebook, Insta & Co. gab. Jetzt kann das alles wieder weg, weil Donald Trump ab nächster Woche noch mal Präsident ist und Musk sein Berater oder Schlimmeres wird. Bei X gilt schließlich schon länger anything goes, und dann wird auch noch gelogen, das habe was mit Meinungsfreiheit zu tun.

Dabei geht es Zuckerberg, Musk und auch Amazon-Boss Jeff Bezos in Wahrheit natürlich um Regierungsaufträge und -Kohle. „Wozu brauchen diese Multimilliardäre denn noch mehr Subventionen?“, fragt die Mitbewohnerin.

Allen gemein ist, dass sie Europa wuschig machen wollen, was bei uns in Politik wie Medien prima funktioniert. Da rennen fast alle Parteien AfD-Themen hinterher, dass es graust. Was zu so viel Oberwasser bei den Rechten führt, dass Alice Weidel in Riesa alle Hemmungen und die letzte Pseudodistanz zum Höcke-Flügel ­fallen lässt.

Remigration ist also PC, nur um die Kleinigkeiten des wer und wie und wann wird noch gerungen. Gleichzeitig arbeiten sich immer noch andere medial an der Correctiv-Recherche über das Treffen von Potsdam ab, wo es auch um – ähm, Remi­gration in sehr weiten Dimensionen ging.

Fies, tendenziös, arrogant

Was aber ja angeblich gar nicht so gesagt oder so ernst gemeint oder ja was eigentlich war. Da hatte die Zeit letzte Woche noch mal zusammengetragen, was denn nun eigentlich passiert ist und festgestellt, dass die Correctiv-Geschichte grosso modo stimmt.

Trotzdem titelt die Berliner Zeitung: „Correctiv-Recherche inkorrekt“, und nicht nur die üblichen Verdächtigen von Cicero bis Junge Freiheit jubeln mit. Auch im Mainstream hat sich der Eindruck eingenistet, die Correctiv-Recherche sei nicht koscher.

Der Spiegel arbeitet sich derweil an Benni Fredrich und Katapult ab. „Einmal Hochmut und zurück“ – Katapult-Gründer Benjamin Fredrich galt als linker Vorzeigeverleger. Dann verzettelte er sich in fragwürdigen Projekten, brachte die eigenen Leute gegen sich auf. „Nun hat er einen neuen Plan“, titelte das Hamburger Magazin online.

Das ist nicht komplett falsch, aber fies, tendenziös und arrogant. So schießen die Katapultis­t*in­nen in ihrer Antwort auch gleich scharf. Sie werfen dem Spiegel Manipulation und Fälschung vor.

Die Wahrheit liegt hier wie (fast) immer in der Mitte. Sie ist unter Druck. Kritik darf und muss sein. Doch gegenseitiges Zerfleischen hilft nicht weiter, sondern nur Musk & Co.

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Steffen Grimberg
Medienjournalist
2000-2012 Medienredakteur der taz, dann Redakteur bei "ZAPP" (NDR), Leiter des Grimme-Preises, 2016/17 Sprecher der ARD-Vorsitzenden Karola Wille, ab 2018 freier Autor, u.a. beim MDR Medienportal MEDIEN360G. Seit Juni 2023 Leitung des KNA-Mediendienst. Schreibt jede Woche die Medienkolumne "Flimmern und rauschen"
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5 Kommentare

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  • Ich verstehe speziell deutsche Journalisten einfach nicht.

    Warum werden bestimmten Politikern bestimmte, für mich auf der Hand liegende Fragen einfach nicht gestellt? Warum versuchen deutsche Journalisten so selten, Politiker in die Ecke zu drängen, wie das z.B. in Großbritannien gang und gäbe und als Krone des Journalismus gilt?

    Frage an Wagenknecht: "Macht es Sie gar nicht stutzig, wenn ein Geheimpapier eines russischen Thinktanks Sie als für Russland nützlichste Politikerin in Deutschland bezeichnet?"

    Frage an Weidel/Chrupalla/Wagenknecht: "Was sagen Sie zu den dutzenden Sabotageakten Russlands in Europa? Was halten Sie für die richtige Reaktion auf den vereitelten Mordanschlag auf einen deutschen Manager, für den Brand bei Diehl und den Versuch, ein DHL-Flugzeug zum Absturz zu bringen? Nicht ablenken mit NordStream."

    Frage an die AfD: "Sie verstehen sich sehr gut mit Elon Musk. Wird die AfD jetzt ihre Position zu Elektromobilität ändern und wenn nicht, wie würden Sie das Ihrem Freund Elon erklären?"

  • Wenn es bei Katapult und Correctiv Gründe zur Kritik gibt, dann ist diese offen auszusprechen. So funktioniert gute Fehlerkultur. Was schadet ist die Kritikunfähigkeit der Woken, die jeden zum Nazi erklären wenn er eine auch nur minimal abweichende Meinung hat oder Zweifel an deren Glaubensmantras hat.

    • @Mendou:

      Was noch viel mehr schadet ist die Kritikunfähigkeit der Rechten, die haben nämlich überhaupt keine Fehlerkultur.....und wer oder was genau sollen eigentlich "die Woken" sein.....und bei Investigativjournalismus geht es auch nicht um Meinungen oder Glaubensmantras, sondern um Fakten. Entweder ist etwas ein Fakt oder es ist kein Fakt, ergo Blödsinn, ganz einfach

  • "Die Wahrheit liegt hier wie (fast) immer in der Mitte"

    Ich stimme sehr Vielem im Artikel zu. Die Abwägung, wann eine Debatte über welches Detail dem Gesamtzweck dienlich ist und welcher Rhetorik man sich dann bedient ist scheinbar allenthalben abhanden gekommen. Vieles ist dabei von einer fast schon urdeutschen Mischung aus kleinkarrierter Rechthaberei und scheinbar notorischer Spaltungsbegierde geprägt.



    Dem Zitat möchte trotzdem ein wenig (besserwisserisch) widersprechen, weil es so oft falsch verwendet wird. Die Wahrheit liegt nicht "fast immer in der Mitte", sondern lediglich fast immer zwischen beiden Polen. Genau in der Mitte liegt sie genau so selten, wie am äußersten Rand.

  • Ja, oft hat man den Eindruck als seien alle sehr froh darüber, dass sie ständig über Trump und Musk und deren Vorstellungen reden können, denn dagegen kann sich einig sein. Sich einig zu sein, wenn es nicht GEGEN etwas geht, sondern darum, wie man die bestehenden Probleme lösen kann, das ist viel, viel schwieriger.

    Gut, wenn man das dann gar nicht tun muss, sondern sich stattdessen ständig über das aufregen kann, was andere tun und sagen... Das ist es, was einem richtig Angst machen kann. Wo sind die besseren, menschlicheren, erfolgreicheren, nützlicheren, zukunftsweisenderen Visionen?

    Wenn die fehlen, tja. Dann wird man wohl weiter einfach nur kleine Wadenbeißer sein, die wild kläffend und sehr ohnmächtig anderen hinterherlaufen, die einfach Dinge tun ohne danach zu fragen, ob man das gut findet oder nicht.