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Mazedonien will Balkan-Route abriegelnEU-Staaten helfen beim Einmauern

Kroatien, Slowenien, Ungarn, Polen, Tschechien und die Slowakei unterstützen das Land bei der Abschottung gegen Flüchtlinge. Auch Österreich würde Polizisten schicken.

Mazedoniens Außenminister Nikola Popovski (l.) erklärt seinem österreichischen Kollgen Sebastian Kurz, wie er die Flüchtlinge auf Abstand zu halten gedenkt. Foto: dpa

ATHEN/SKOPJE dpa | Mehrere EU-Staaten wollen Mazedonien dabei helfen, schon bald die sogenannte Balkan-Route für Flüchtlinge abzuriegeln. Außer Österreich, Kroatien und Slowenien bieten auch Ungarn, Polen, Tschechien und die Slowakei ihre Unterstützung an. „Solange eine gemeinsame europäische Strategie fehlt, ist es legitim, dass die Staaten auf der Balkanroute ihre Grenzen schützen“, sagte der slowakische Außenminister Miroslav Lajcák dem Spiegel. „Dabei helfen wir ihnen.“

Österreichs Außenminister Sebastian Kurz bot an, Mazedonien mit Polizisten und Technik zur Seite zu stehen, „eventuell sogar mit Soldaten, wenn diese gebraucht werden sollten“, wie er der Welt sagte. „Mazedonien muss als erstes Land nach Griechenland bereit sein, den Zustrom zu stoppen.“ Slowenien und Kroatien haben schon länger Polizisten zur Verstärkung in Mazedonien.

Hintergrund ist, dass der Andrang von Flüchtlingen und Migranten nicht abebbt. Nach wie setzen pro Woche Tausende Flüchtlinge mit Booten aus der Türkei nach Griechenland über und schlagen sich auf der Balkanroute nach Norden durch, vor allem nach Deutschland.

Nach Angaben von Kurz wird Österreich schon in Kürze an die selbst festgelegte Obergrenze für Flüchtlinge stoßen: „Österreich hat eine Obergrenze von 37.500 beschlossen und diese wird im Laufe der nächsten Wochen erreicht sein. Darüber habe ich diese Woche meine Gesprächspartner auf dem Westbalkan informiert.“

Die Bundesregierung lehnt es ab, eine solche Obergrenze festzulegen. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) setzt vor allem darauf, dass die Türkei dafür sorgt, dass sich weniger Flüchtlinge übers Meer nach Griechenland aufmachen.

Gabriel und Steinmeier warnen vor Abschottung

Angesichts drohender nationaler Alleingänge in der Flüchtlingskrise warnen SPD-Chef Sigmar Gabriel und Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) vor einem Auseinanderbrechen der Europäischen Union. In einem Brief an sozialdemokratische Staats- und Regierungschefs der EU mahnen sie mit Blick auf Pläne für eine Abschottung Mazedoniens in Richtung Griechenland: „Ein formeller Ausschluss eines Mitgliedstaates aus dem Schengenraum oder seine de facto-Ausgrenzung sind Scheinlösungen, die die europäische Debatte vergiften.“ Und weiter: „Man kann nicht einfach Europas Außengrenzen neu definieren, und das noch über den Kopf betroffener Mitgliedstaaten hinweg.“

In der Ägäis haben seit Jahresbeginn bis zum 12. Februar insgesamt 77 303 Menschen übergesetzt, wie die Internationale Organisation für Migration (IOM) am Samstag mitteilte. Zum Vergleich: Nach UNHCR-Angaben waren es im Januar und Februar des Vorjahres 4576. Seit Jahresbeginn sind nach IOM-Angaben im Mittelmeer vor den Küsten Griechenlands, der Türkei und Italiens 410 Migranten ums Leben gekommen.

Mehr als 2000 Menschen riskierten jeden Tag ihr Leben und das Leben ihrer Kinder beim Versuch, Europa zu erreichen, teilte das UN-Flüchtlingshilfswerk am Freitag in Genf mit. Knapp 58 Prozent der Ankommenden seien Frauen und Kinder. Im September 2015 sei noch jeder zehnte Schutzsuchende ein Kind gewesen, heute seien ein Drittel der Ankommenden Kinder.

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6 Kommentare

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  • Deutschland führt und niemand folgt.

    • @Capt. Cool:

      Ja, und das obwohl das Linke Spektrum unverholen fordert mit Deutschem Neoimperialismus Ihre Politik durchzuboxen.

  • : „Man kann nicht einfach Europas Außengrenzen neu definieren, und das noch über den Kopf betroffener Mitgliedstaaten hinweg.“ Da haben die Herren Recht nur hat unsere MM die Au0ßengrenzen im Alleingang neu definiert. Die Außengrenzen einfach aufgehoben ohne Absprache. Wenn jetzt die betroffenen Staaten das Heft des Handelns selbst in die Hand nehmen heißt das nichts anderes als: Merkel du kannst uns mal! Kunkel du mit der Türkei und werfe der Milliarden in den Rachen wir schützen uns selbst.

    Diese Vorgehensweise ist Nachvollziehbar und legitim. Eine Klatsche für Merkel! Richtig so!

    • @Herbert Priess:

      Und die nächste deutliche Klatsche für die Kanzlerin folgte heute auf dem Fuße:

       

      Manuel Valls lehnte (noch einmal) die von Merkel geforderten Kontingentlösung ab. Es wird immer deutlicher, dass Deutschland durch das jahrelange eigene diplomatische Versagen in eine totale Isolation geraten ist. Wer immer nur meint, man könne "Partner" in der EU mit diversen Drohungen und massivem Druck auf den gewünschten Kurs drängen, steht irgendwann völlig alleine da.

      • @Urmel:

        Ich gehe noch einen Schritt weiter. Es zeigt sich hier ganz extrem, dass das ganze Konstrukt der EU hinfällig ist. Das waren bisher alles politische Sprechblasen, hinter denen am Ende des Tages die Bürger nicht wirklich stehen. Es zeigt sich doch in ganz vielen Ländern, dass letztendlich die eigene Nation immer noch deutlich höher eingestuft wird als Pseudo-Europa, oder sich als vermeintlicher Europäer zu fühlen. Wir sollten die EU wieder dahin zurückführen, wo sie anfangs war. Ein loses wirtschaftlich interessiertes Gebilde, ohne gemeinsame Währung, ohne gemeinsame Sozialpolitik, ohne gemeinsame Aussengrenzen. Jeder Staat muss mit sich selbst wirtschaftlich und politisch klarkommen, ansonsten geht er halt zur Not pleite (das funktioniert doch in Südamerika schon Jahrzehnte).

        • @Horst Leverkusen:

          Genau so ist es wohl - aber an dieser Realität möchten sich viele Politiker noch möglichst lange vorbeimogeln.