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Matriarchat in AfghanistanDie Backpfeifenrevolution

Wir schreiben das Jahr 2027. Die Taliban sind besiegt, weil Mutti die gute alte Ohrfeige ausgepackt hat. Und die Gotteskrieger müssen Röckchen nähen.

Mit Frauen legt man sich besser nicht an. Und vor allem nicht mit Mutti Foto: ap/dpa

W ir schreiben das Jahr 2027. Sechs Jahre liegt der Abzug westlicher Truppen aus Afghanistan nun zurück, und fast ebenso lang dauert die neue Herrschaft der islamistischen Taliban.

Doch nur fast. Denn was 2021 mit wagemutigen Demonstrationen begann, nahm mit einer neuen Taktik erst so richtig Fahrt auf und mündete Ende 2026 in die sogenannte Backpfeifenrevolution. Die hat nun nach einem halben Jahr gesiegt.

Dabei spielten sich durchaus schlimme Szenen ab, denn ohne Härten ist ein Aufstand nun mal nicht zu haben. Der nahm seinen Anfang eher zufällig, als ein junger Religionspolizist in einer Woolworth-Filiale in der Herater Fußgängerzone auf eine Burka tragende Frau einschlug, weil ihre Füße zu sehen waren. Unter dem Ganzkörperschleier steckte jedoch seine Mutter.

In der Folge setzte es ein paar Maulschellen, die den Buben quer durch die Kochgeschirr-Abteilung fegten. Von dem Erfolg ermutigt übernahmen nun überall im Land die afghanischen Mütter das Kommando. Verdeckte häusliche Guerilla-Aktionen wie Schimpfen oder Nachtischentzug gingen einher mit öffentlichem Shaming für Haar- und Körperpflege sowie ungehobeltes Benehmen.

Nicht modern, aber zielführend

Und wo alles nicht half, tat es am Ende doch die gute alte Ohrfeige. Modern ist das nicht, aber gerade deshalb weitaus zielführender, als eine kulturkonservative Gesellschaft mit antiautoritärem Westquatsch zu überfrachten.

Apropos Westquatsch. Direkt nach der Machtübernahme hieß es ja noch, die neuen Taliban hätten Kreide gefressen. Man versprach Fundamentalismus light, Frauenunterdrückung 2.0, Unmenschlichkeit mit menschlichem Antlitz. Das war natürlich Unsinn. Erwartbar waren Schülerinnen und berufstätige Frauen schneller aus der Öffentlichkeit verschwunden, als eine Laus einem Taliban den Bart hochhuschen kann.

Inzwischen wünschen sich die Gotteskrieger nichts sehnlicher, als dass es Kreide für sie zum Fressen gäbe. Denn stattdessen wird nun – noch heißer, als es gekocht wurde – gegessen, was auf den Tisch kommt, und zwar, weil Mutti es gekocht hat. So gelangen jetzt erneut die Trennvorhänge zum Einsatz, mit denen an Privatuniversitäten Männer und Frauen separiert wurden, bevor man letztere entfernte. Die Taliban müssen sich unter Aufsicht ihrer Mütter Röckchen daraus nähen. In denen werden sie dann endlich mal zur Schule gehen. Bildung ist so wichtig, auch für Jungen. Schüsse in die Luft reparieren kein Radio, Hinrichtungen ersetzen keine Mohnbrötchen, Unterdrückung ist keine Wissenschaft. Der Weg in die Zukunft führt nur über das Matriarchat.

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Uli Hannemann
Seit 2001 freier Schreibmann für verschiedene Ressorts. Mitglied der Berliner Lesebühne "LSD - Liebe statt Drogen" und Autor zahlreicher Bücher.
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5 Kommentare

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  • Wunderbar!



    Und es kommt noch besser:



    Wir schreiben das Jahr 2031.



    Sechs Jahre liegt die afghanische Backpfeifenrevolution nun zurück, und weltweit haben die Unterdrückten der Erde sich ein Beispiel an den afghanischen Frauen genommen und ihre Unterdrücker mittels perfekt dosierter Ohrfeigen in ihre Schranken und auf angemessene Plätze verwiesen: als Straßenreiniger, Müllsortierer, Paketboten, Tellerwäscher, Reinigungskräfte und Bürohilfen leisten sie nun erstmals in ihren bisher verpfuschten Leben gesellschaftlich sinnvolle Arbeit.



    Die ganze Erde ist auf diese Weise ein besserer Ort geworden - fast, denn es gibt zwei klitzekleine Ausnahmen: die in Europa liegenden Bundesrepubliken Deutschland und Österreich, deren Bewohner mit großer Mehrheit eingefleischte Anhänger des Obrigkeitsstaates sind, für die es unerträglich wäre, in einem Land zu leben, in dem die Bewohner ihre Geschicke selbst bestimmen (das wäre ja Anarchie - pfui, Teufel!) und in dem sie darauf verzichten müssten, Ausbeutung und Behördenwillkür ausgesetzt zu sein. Abgesehen davon, dass sie schon ihre eigene miese Situation geradezu zu genießen scheinen, macht es ihnen ein höllisches Vergnügen zu sehen, wenn es Anderen noch übler ergeht: denen rufen sie ein von Herzen kommendes "selbst Schuld!" hinterher, um gleich darauf einen noch stärkeren Staat zu fordern, der die Daumenschrauben für die Schwächsten noch stärker anziehen möge ...

    • @The Real Witzbold:

      Diese Satire passt genau! Großartig!

  • Das Lachen über diese Satire bleibt mir im Halse stecken, lieber Uli Hannemann. Es gibt Zustände, die sich einer, wie auch immer intelligenten, Witzelei entziehen. Satire funktioniert für mich nicht angesichts einer alltäglichen Realität des Schreckens unter den Taliban, mit Brutalität, Todesangst und absoluter Aussichtslosigkeit auf Entkommen und Hilfe, besonders für Mädchen und Frauen.

  • Es könnte doch so einfach sein!

    Ich habe mich über diesen Beitrag gefreut.

  • Leider. Ich kann die knapp schon "historische" Film-Videoaufzeichnung im Netz nicht finden. Sie war die seriöse Nachricht in einer Nachrichtensendung (öffentlich-rechtlich) "zum Ausklang". Sie zeigte Verblüffendes:

    Löwe, mänl., GROßER LÖWE, großer junger Löwe, macht noch mal auf Pubertät, weil ihm irgendwas nicht passt. Rabatzz. Und wie Pubertiere halt so sind, läuft er Gefahr, sich beim Toben selber zu verletzten. Keiner kommt aber zu ihm rein geschweige denn an ihn ran. Verständlich.



    Was tun? Man sagt Mutter bescheit und die kommt. Die Szene betritt eine nicht mehr junge Boxerhündin, die irgendwie ziemlich abgeklärt wirkt. Sie ist die Pflegemutter des Löwenriesentieres, als es noch ein winzig kleines Kätzchen war, das von seiner leiblichen Mutter nicht angenommen werden konnte. Die Boxerhündin wurde zur Amme u. mehr.



    Mutter Boxerhündin guckte ihren Jungen ganz ruhig an. Der stand da, sichtlich konsterniert. Mutter Boxerhündin ging auf ihn zu. Keine Streicheleinheiten nicht! Strenge Blicke! Das reichte. Der Riesenadoleszent gehorchte. Es machte gar keinen Mucks mehr.

    Wow. Die ernste Erforschung einer mal nicht so lustigen Tierwelt (nach Helmut Höge).

    DAS SIND PRÄGUNGEN - Da mähste nix mehr, Löwe.

    Das ist wahr. Ich verbürge mich. Wer diese alte Aufnahme noch ausfindig macht?! Es heißt ja, im Netz ginge nichts verloren. Allerdings war das alles halt noch vor dieser Zeit.

    Zum Satire-Text: Klug und einfach gelungen.