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Maßnahme gegen Konflikte im ParkUnterwegs mit dem A-Team

Um den Mauerpark sicherer zu machen, zieht ein Awareness-Team seine Runden und spricht Besucher an. Das Konzept kommt aus der Clubszene.

Am frühen Abend, wenn das A-Team seine Runden beginnt, ist noch nicht so viel los im Mauerpark Foto: t­hink si3

Berlin taz | Direkt am Eingang des Mauerparks an der Bernauer Straße ist ein orange­farbenes Zelt aufgebaut, davor stehen drei junge Männer mit orangen T-Shirts und Umhängetaschen. Auf den Taschen prangt die Frage „Can I help you?“, auf den Shirts steht „A-Team“. Das A steht für Awareness, also Achtsamkeit.

Es ist früher Abend, das A-Team startet seinen ersten Rundgang. Es geht vorbei an der markierten Grillfläche. Viele Familien, viele Grills, eine graue Rauchschwade über den Köpfen. Zurück bleibt der Geruch von verbrannter Kohle und gegrilltem Fleisch. Einer der jungen Männer in Orange geht auf die Familien zu, spricht sie an: „Wir sind das Awareness-Team, falls Sie etwas benötigen, ein Problem haben sollten oder Hilfe benötigen, sind wir für Sie da“. Er gibt ihnen eine Visitenkarte, auf der die Kontaktnummer des Awareness-Teams steht, und zeigt auf das Zelt am Parkeingang.

„Das orange Zelt ist unsere Anlaufstelle für alle, die Hilfe, Schutz oder einfach eine Pause benötigen“, sagt Parkmanagerin Varvara Borodkina. Sie arbeitet für das Unternehmen Think SI3, das hier im Auftrag des Pankower Straßen- und Grünflächenamtes unterwegs ist. „Wir vermitteln, wenn nötig, auch den Kontakt zu spezialisierten Stellen für Themen wie Diskriminierung oder Gewalt gegen Frauen“, erklärt sie. Dabei spiele es auch keine Rolle, ob jemand unter Drogen- oder Alkoholeinfluss stehe. Die Kosten für das Awareness-Team belaufen sich auf circa 30.000 Euro.

Die Mitarbeitenden des nach eigenen Angaben „auf die Entwicklung neuer Ansätze zur Prävention“ spezialisierten Unternehmens laufen seit Mitte Juli ihre Runden, jeden Freitag und Samstag von 18.30 Uhr bis 3 Uhr morgens. Der Bezirk verspricht sich in einer Pressemitteilung vom Juli davon, „dass sich die Parknutzenden sicherer fühlen und angemessen miteinander umgehen“. So soll auch die Zahl der Polizeieinsätze verringert werden.

Durch das A-Team soll der Polizeieinsatz verringert werden

Die Aufregung ist seit geraumer Zeit groß. 2023 schaffte es der Mauerpark in einer Auswertung der Innenverwaltung immerhin auf Platz zwei der gefährlichsten Hauptstadtparks. Demnach zählte die Polizei in der ersten acht Monaten des vergangenen Jahres 234 Straftaten in dem Grünstreifen zwischen Bernauer und Gleimstraße. Zum Vergleich: Auf Platz eins landete der Görlitzer Park mit 1.108 Straftaten.

Zur Wahrheit gehört, dass die Zahl der Straftaten im Mauerpark seit einem auffälligen Höchststand im Coronajahr 2021 mit rund 430 Straftaten kontinuierlich zurückgeht. Wie aus einer jüngst veröffentlichten Antwort des Senats auf eine parlamentarische Anfrage des CDU-Abgeordneten Stephan Lenz hervorgeht, wurden bis zum Stichtag 16. Juli dieses Jahres erst 108 Straftaten registriert. Mehr als die Hälfte davon entfielen auf Drogendelikte und die Kategorie „sonstiger einfacher Diebstahl“.

„Letztens wurden Schuhe gestohlen, die haben wir auch nicht wieder gefunden“, berichtet Varvara Borodkina. Insgesamt sei dem A-Team bislang aber weder eine nennenswerte Kriminalität noch die viel diskutierte Jugendgruppengewalt aufgefallen. Gelangweilte Kinder oder Jugendliche würden manchmal randalieren, es gebe auch immer wieder ­Konflikte zwischen Familien, betrunkenen Parkbesuchern oder Hundebesitzern. „Man muss aber auch bedenken, dass wir noch nicht so lange hier sind“, sagt Borodkina.

Gegen 20.30 Uhr kommen immer mehr Park­be­su­che­r an. Nicht weit von der Grillfläche sitzt eine Gruppe von Jugendlichen auf der Wiese, die Musik hören und Alkohol trinken. Auch sie werden vom A-Team angesprochen, auch sie bekommen eine Visitenkarte. Die Gruppe bedankt sich. Tim aus Prenzlauer Berg, der seinen Nachnamen nicht nennen möchte, sagt, dass es „echt cool“ zu wissen sei, „dass man sich hier auch safe fühlen kann“.

Das Zelt am Parkeingang ist die Zentrale der Parkläufer Foto: Fo­to:t­hink si3

Das Awareness-Konzept kommt aus der Clubszene

Das Awareness-Konzept kommt ursprünglich aus der Clubszene. Das heißt, dass es eigentlich auf einfacher zu beobachtende geschlossene Räume mit kontrollierbarem Ein- und Ausgang angelegt ist, so Think-SI3-Mitbegründerin Iris Uhlenbruch. „Hier kann der Clubbetreiber auch das Hausrecht ausüben. Bei einem offenen Raum wie dem Mauerpark ist das nicht möglich.“ Deshalb habe das Unternehmen das bestehende Awareness-Konzept an „die Bedingungen des öffentlichen Raums und hier konkret auf die Bedürfnisse des Mauerparks angepasst“, sagt Uhlenbruch.

Man könne ohnehin nicht jeden kontrollieren, und darum gehe es auch gar nicht. Die Aufgabe des Awareness-Teams ist es zu beobachten: Wer könnte sich unwohl fühlen? Wer befindet sich in einer unangenehmen Situation? Nach dem Beobachten kommt die Einschätzung der Lage und dann das Eingreifen, wenn nötig. Auch hierfür werde das Team geschult.

Auch Iris Uhlenbruch sagt: „Im Mauerpark sind wir bislang keiner großartigen Kriminalität begegnet, außer eben Diebstahl. Wir haben auch Glück, dass dort keine harten Drogen verkauft werden. Bislang ist es nur Cannabis.“ Dass der Mauerpark so in den Fokus gerückt sei, liegt laut Uhlenbruch auch daran, dass er wie der Görlitzer Park in jedem Reiseführer steht und somit auch bei Touristen hoch im Kurs ist. Andere Grünanlagen wie der Nelly-Sachs-Park in Schöneberg seien weitaus gefährlicher, aber eben kaum bekannt. „Dort gibt es harte Drogen wie Crack und Prostitution.“

Das Projekt läuft noch bis Ende September

Inzwischen ist das A-Team fast am Ende seiner ersten Runde angelangt. Eine Gruppe Männer begrüßen die Teamer mit Handschlag. Man kennt sich. Und nicht nur die Gruppe begegnet dem Team freundlich und verständnisvoll. „Die meisten sind froh, dass wir hier sind“, glaubt Borodkina. Man trage ja keine Uniform wie die Polizei. „Das macht es einfacher, Vertrauen aufzubauen.“ Mitunter komme es aber auch zu Irritationen bei Parkbesuchern. „Manche denken, wir würden versuchen, Drogen zu verkaufen“, sagt sie und lacht.

Um kurz vor 22 Uhr fährt ein Polizeiwagen am Parkeingang vor und hält vor den neuen elektrischen Pollern. Die Polizei kommt öfter vorbei, fährt durch den Park und kontrolliert Besucher. An diesem Abend können sie gar nichts ausrichten – die Poller lassen sich nicht absenken, die Beamten düsen ab.

Das A-Team zieht weiter zu Fuß seine Runden. Bis Ende September läuft das Projekt, dann soll es ausgewertet und entschieden werden, ob die Mitarbeitenden in Orange auch im kommenden Sommer durch den Park streifen dürfen.

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7 Kommentare

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  • Warum muss in Berlin immer erst alles andere versucht werden, bevor man endlich das tut, was überall sonst funktioniert?

    Das Zauberwort heißt "Bußgelder". Und zwar sehr hohe. Wenn erstmal in jeder Clicque jemand ist, der mal 2000 Euro für eine Verunreinigung eines Parks oder 5000 Euro für Vandalismus zahlen musste, kann man sich Experimente wie dieses sparen.

    Es funktioniert überall sonst auf der Welt. Die Zerstörung öffentlichen Eigentums und asoziales Verhalten sind kein liebenswertes Berliner Lokalkolorit.

    • @Suryo:

      Woher sollen die Polizeibeamten kommen, die das durchsetzen? Berlin ist bekanntlich pleite.

      • @Kurt Kraus:

        Im Mauerpark? Direkt von gegenüber, da ist die Wache des Abschnittes 15.

        Im übrigen muss man die Bußgelder nur hoch genug ansetzen, dann finanzieren sich die Maßnahmen selbst.

        Warum sollte es z.B. nicht 3.000 Euro kosten, im Park eine Glasflasche auf dem Rasen zu zerbrechen? Oder warum sollte illegales Grillen nicht 5.000 Euro kosten? Wie gesagt: wenn erstmal überall bekannt ist, dass es wirklich teuer wird, sich asozial zu verhalten und Allgemeingut zu zerstören, dann nimmt dieses Verhalten auch ab. Es funktioniert tatsächlich überall sonst. In Australien wären Zustände wie in Berliner Parks - Rasen zerstört, ALLES mit Kronkorken, Scherben und Müll verseucht - unvorstellbar. Da gälte das auch nicht etwa als "Freiheit" oder "Lockerheit", sondern einfach nur als primitivster Vandalismus. Und deswegen hagelt es da saftige Strafen - und die bringen etwas.

        • @Suryo:

          Wieviele Beamte hat die Wache des Abschnitts 15? Was müssen die sonst noch machen außer durch den Mauerpark zu laufen? Wieviele Jahre Überstunden schieben die vor sich her? Bei uns läuft "Defund the Police" schon länger.

          • @Kurt Kraus:

            Es geht doch nur darum, den Verschmutzern und Vandalen eine gewisse Zeit lang Feuer unter dem Hintern zu machen. Dazu würde dann eben mal ein paar Wochenenden hintereinander verstärkt der Park bestreift und Bußgelder verhängt. Wie gesagt: wenn erstmal jeder Jugendliche jemanden kennt, der eine empfindlich hohe Strafe zahlen musste, dann verringert sich das Problem.

            Was soll denn die Alternative sein? Sozialarbeiter, die Teenagern und Erwachsenen geduldig erklären, dass es nicht okay ist, Scherben auf einem Rasen zu verteilen oder seinen Müll liegen zulassen? Die wissen das doch. Es ist ihnen nur egal, und zwar deswegen, weil sie in Berlin damit durchkommen.

            • @Suryo:

              Ich bezweifele nicht, dass Ihre Methode funktioniert. Ich bezweifele, dass Berlin dazu fähig ist.

              • @Kurt Kraus:

                Ich auch.