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Massenproteste in IsraelUnterwegs im Autokonvoi

Bevor Premier Netanjahu Demonstrationen wegen Corona einschränkt, drehen sie nochmal richtig auf. Die Menschen finden vorsorglich neue Protestformen.

Ob im Auto oder zu Fuß: Menschen demonstrieren in und vor Jerusalem gegen Netanjahu Foto: Ammar Awad/Reuters

Jerusalem taz | Der Konvoi will einfach nicht enden. „Es ist so aufregend“, sagt Rivi Diamond. Man sieht ihr breites Lächeln auch unter der Maske. „Was auch immer Netanjahu unternimmt, um die Proteste einzudämmen, es macht uns nur stärker.“ Mit Hunderten anderen Demonstrant*innen steht sie auf einer Autobahnbrücke kurz vor Jerusalem. Neben ihr liegen Aufkleber: „Geh!“ steht darauf, im schwungvollen Schriftzug der Likud-Partei von Benjamin Netanjahu.

In ihrer Hand hält Diamond eine schwarze Fahne, die zum Symbol der Protestbewegung gegen den Premier geworden ist, eine Warnung vor dem Ausverkauf der Demokratie. Sie schwenkt sie über den Autos, die hupend unter ihr Richtung Jerusalem fahren, zum Amtssitz des Regierungschefs. Die Laune der Demonstrant*innen ist ausgesprochen gut. Von der Brücke schallen Protestsongs der ­Beatles und von Arik Einstein, dem israelischen Sänger. Einige tanzen.

Seit Freitagmittag gilt in Israel ein harscher Lockdown. Ein großer Teil der Bevölkerung geht davon aus, dass Netanjahu damit Demonstrationen gegen sich verhindern wollte. Doch die Regierung konnte vor dem Wochenende trotz Marathonsitzung eine Gesetzesänderung nicht rechtzeitig durchbringen, die eine Einschränkung des Demonstrationsrechts erlaubt hätte. Und so finden trotz Lockdown die Demonstrationen vorerst statt – wie jeden Samstag, wenn Tausende und Zehntausende den Rücktritt des Regierungschefs fordern.

Nichtsdestotrotz entwickeln die Israelis neue Formen des Protests. Der Autokonvoi ist eine davon. Für manche sind die neuen Rekordinfektionszahlen – 8.153 neue Covid-19-Fälle am Freitag – ausschlaggebend. Andere möchten dem Premier keinen Vorwand liefern, gegen die Proteste zu hetzen.

Protest-Konvoi bis zum Horizont

Seit mehr als eineinhalb Stunden reißt die Autoschlange auf der Autobahn von Tel Aviv nach Jerusalem jetzt nicht ab, mehrere tausend Autos dürften bereits unter der Brücke entlanggefahren sein. Der Konvoi reicht bis zum Horizont.

Bereits vor dreieinhalb Monaten, als die Proteste begannen, stand Diamond in der Balfour-Straße vor Netanjahus Amtssitz und forderte seinen Rücktritt wegen der Korruptionsprozesse: „Wir waren eine Handvoll von Leuten“, sagt sie und zeigt auf die Autos unter ihr: „Und jetzt sieh dir an, was daraus geworden ist.“ Wollte Netanjahu die Proteste eindämmen, so hat er wohl das Gegenteil bewirkt.

Verschiedene Initiativen riefen außerdem dazu auf, in kleineren Gruppen zu demonstrieren, in der Nähe der eigenen Wohnung. Abertausende über das ganze Land sind dem Aufruf gefolgt. Sie nehmen damit die verschärften Regelungen vorweg, die vermutlich am Dienstag kommen. Dann werden sich die Israelis auch dann nur noch einen Kilometer vom Haus entfernen dürfen, wenn sie demonstrieren. Proteste werden voraussichtlich auf Gruppen von je 20 Personen begrenzt.

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