Maskottchen beim Baseball: Schiri zum Frühstück
Scherzhaft verspeiste Offizielle, Jenga-Türme am Spielfeldrand und Prügeleien mit dem Trainer: die Show der Baseball-Maskottchen.
„Clammy Sosa“ weiß nicht, wo das Auto des Schiedsrichters steht. Das Baseball-Maskottchen hat beim Spiel der Philadelphia Phillies gegen die Cincinnati Reds 2014 aber auch Besseres zu tun, als mit hohlen Drohungen seinen Unmut gegenüber den Entscheidungen des Unparteiischen kundzutun. Nein, Clammy Sosa – das nach dem ehemaligen Chicago-Cubs-Star Sammy Sosa modellierte dickliche Baseball-Männchen – hat es gleich auf den Schiedsrichter selbst abgesehen.
Mit plumpen, aber erstaunlich schnellen Schritten wackelt Clammy auf den verdutzten Referee zu, um ihn mit einem beherzten Happs einfach zu verspeisen. Ein paar Sekunden zappeln die Schiri-Beine noch aus dem übergroßen Maskottchen-Mund – dann ist er auch schon im aufblasbaren Kostüm verschwunden. Clammy verzieht keine Miene und eilt mit dem Menschenmenü im Magen vom Spielfeld. Auf den Tribünen toben derweil die Zuschauer. Bei diesem Spektakel stört es niemanden, dass hier selbstverständlich kein echter Schiedsrichter verspeist wurde, sondern nur ein Schauspieler.
Es sind Maskottchen wie Clammy Sosa, die den Besuch eines US-amerikanischen Baseball-Spiels überhaupt zu einem Erlebnis machen. In den stundenlangen Matches lassen sich die Highlights oft an einer Hand abzählen. Die restliche Zeit erleben die Zuschauer hauptsächlich Fehlwürfe, verpasste Schläge, verirrte Bälle im Seitenaus und Mannschaftswechsel. Den Maskottchen kommt deshalb eine wichtige Aufgabe zu. Sie sollen die Zuschauer unterhalten, während auf dem Spielfeld mal wieder Langeweile herrscht.
Wobei selbst den bunt kostümierten Spaßmachern bewusst zu sein scheint, wie langweilig ihre Sportart ist. Raymond, antropomorpher blauer Seehund und Maskottchen der Tampa Bay Devil Rays, taucht bei einem ereignisarmen Spiel auch schon mal im Pyjama auf und legt sich auf dem Dach der Ersatzbank schlafen, während Rays-Mitarbeiter versuchen, ihn wachzuhalten. An Selbstironie mangelt es den humorvollen Alleinunterhaltern nicht.
Provokation mit Jenga und Limonade
Doch die Maskottchen erfüllen eine weitere, viel wichtigere Aufgabe – den Gegner abzulenken. Keiner geht dabei so gewitzt vor wie Orbit von den Houston Astros. Das dicke grüne Marsmännchen denkt sich gern ausgefallene Aktionen aus, um das Auswärtsteam zu nerven. In einem Spiel gegen die Los Angeles Angels baute er 2015 zum Beispiel einen meterhohen Jenga-Turm und forderte die Spieler auf, gegen ihn zu spielen.
Die fanden das aber gar nicht lustig und brachten den wackeligen Turm zum Einsturz. Im darauffolgenden Spiel schenkte Orbit den sich aufwärmenden Gegnern aus einem improvisierten Limonaden-Stand Getränke ein, was diese sogar annahmen, allerdings nur, um dem verdutzten Orbit das Getränk ins Gesicht zu schütten und dann die Zeche zu prellen.
Manche treiben es zu weit
Ebenso erfolglos verlief eine Aktion des seltsam grinsenden Maskottchens bei einem Spiel gegen die Chicago White Sox – ebenfalls 2015. Er sortierte gerade frische Wäsche, als Sox-Infielder Gordon Beckham den Korb stahl und die Kleidung an der Seitenlinie verteilte. Zumindest gelang es Orbit mit empört in die Hüften gestemmten Händen, Beckham zu ermuntern, einen Teil der Wäsche zurück in den Korb zu legen – und ihn damit vom Spiel abzulenken. Mit Erfolg: Die Astros gewannen 3:0.
Während Orbits Aktionen vergleichsweise charmant anmuten, gehen andere Maskottchen den Gegner deutlich aggressiver an. Ligaweit berüchtigt für seine provokanten Gesten ist Phillie Phanatic, der flauschig grüne Glücksbringer der Philadelphia Phillies. 1988 trieb Phillie es in einem Spiel gegen die Los Angeles Dodgers allerdings zu weit. Das Maskottchen hatte einen ausgestopften Dummy von Dodgers-Coach Tommy Lasorda gebastelt und drangsaliert. Der genervte Lasorda entriss ihm die lebensgroße Puppe und attackierte Phillie. Dem grünen Fanliebling blieb nur noch die Flucht auf einem Quadbike.
Unterhaltsam war der Schlagabtausch dennoch. An die Aktion erinnert man sich noch heute. Das Spiel soll dagegen eher langweilig gewesen sein.
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