Maskenstreit um Minister Jens Spahn: Noch schlechter als behauptet
Das Gesundheitsministerium hat Corona-Masken nachlässig geprüft. Die interne Test-Anleitung zeigt nun, wie viele Schritte dabei wirklich fehlten.
Es geht dabei um Masken, die das Ministerium im Frühjahr 2020 importieren ließ, also zu Beginn der Coronapandemie. Auf dem Markt gab es damals zu wenige Masken, die nach der europäischen CE-Norm geprüft und damit garantiert sicher waren. Die Bundesländer hatten deshalb ein temporäres, abgespecktes Testverfahren entwickelt („CPA-Verfahren“). Das Gesundheitsministerium wiederum entwickelte für seine Masken gemeinsam mit dem TÜV Nord einen noch weniger strengen Test, das CPI-Verfahren.
Der genaue Ablauf des Tests war bisher unbekannt. Die Anleitung, den sogenannten Prüfgrundsatz, wollte das Ministerium auf Presseanfragen hin nicht veröffentlichen. Einige Angaben machte es nur in einem am letzten Wochenende veröffentlichten „Faktenblatt“. Die CPI-Prüfung sei so gut wie deckungsgleich mit der CPA-Prüfung, heißt es darin. Nur ein unnötiger Prüfschritt fehle komplett, ein anderer sei gleichwertig ersetzt. Wie die nun öffentlich gewordene Testanleitung zeigt, stimmt das nicht. Die Prüfverfahren unterscheiden sich in vier Punkten ganz wesentlich.
Kennzeichnung: Das CPA-Verfahren der Länder sah vor, dass Hersteller und Modell auf den Masken oder der Verpackung korrekt angegeben sein müssen. Auch eine kurze Anleitung zum An- und Ablegen war Pflicht. Außerdem durften die Masken nicht fälschlicherweise als nach CE-Norm geprüfte FFP2-Masken gekennzeichnet sein.
Auch im CPI-Prüfgrundsatz gibt es dieses Kapitel. Darüber steht jedoch: Das Ergebnis wird nur notiert und hat keine Auswirkung auf das endgültige Testergebnis. Das Verbot eines falschen „CE“- oder „FFP2“-Aufdrucks ist gar nicht explizit aufgeführt. Dabei sind die Angaben wichtig, damit sich Nutzer*innen nicht in falscher Sicherheit wiegen, wenn sie gefälschte oder mangelhafte Masken erhalten haben.
Festigkeit: Im CPA-Verfahren wird mit einem starken Pinsel zehn Mal über die Maskeninnenseite gestrichen. Es dürfen sich keine Partikel oder Fasern lösen.
Im CPI-Verfahren fehlt dieser Schritt. „Beschaffenheit und Festigkeit werden während weiterer ausführlicher Prüfungen getestet“, steht an der entsprechenden Stelle nur. Im weiteren Verlauf taucht aber kein Prüfschritt auf, der den Pinseltest ersetzen kann.
Gebrauchssimulation: Der Kern beider Testverfahren ist die Prüfung der Filterwirkung. Mit Kochsalzlösung wird geprüft, wie viele Partikel die Filter durchlassen. Im CPA-Verfahren werden die Masken vorher zwanzig Minuten lang durch eine Maschine mit warmer, nasser Luft beatmet. Die Filter müssen in der Praxis schließlich auch noch funktionieren, wenn die Maske schon eine Weile in Gebrauch war.
Im CPI-Verfahren fehlt dieser Schritt. Das Gesundheitsministerium hatte das in seinem „Faktenblatt“ zwar schon zugegeben, aber behauptet, „feuchtigkeitsabweisende Eigenschaften“ würden anderweitig geprüft. Durch einen nicht näher beschriebenen Test werde geprüft, ob „die Filter der Masken bei Kontakt mit Aerosolen durchfeuchtet werden und damit die Schutzwirkung eingeschränkt ist“. Das stimmt aber nicht. Der Kochsalz-Test wird laut Prüfgrundsatz mit „fabrikfrischen“ Masken durchgeführt. Eine andere spezielle Feuchtigkeitsprüfung wird nicht aufgeführt.
Temperaturkonditionierung: Im CPA-Verfahren werden die Masken vor dem Test mit der Kochsalzlösung auch 24 Stunden bei 70 Grad gelagert. Laut Arbeits- und Sozialministerium sollen sie dadurch voraltern. So wird geprüft, ob die Masken auch noch gut genug sind, nachdem sie längere Zeit unter schlechten Bedingungen transportiert oder gelagert wurden.
Auch dieser Schritt fehlt im CPI-Verfahren. Wie gesagt: Der Kochsalz-Test wird hier an fabrikneuen Masken durchgeführt. Immerhin: Zumindest diesen fehlenden Schritt hatte das Gesundheitsministerium auch schon in seinem Faktenblatt angegeben – mit der Rechtfertigung, im Pandemie-Alltag trage niemand seine Maske bei 70 Grad.
Seit Tagen in der Kritik
Jens Spahn und sein Gesundheitsministerium stehen im Zusammenhang mit den CPI-Masken seit Tagen in der Kritik. Die nach dem niedrigen Standard getesteten Masken hatte das Ministerium unter anderem an die Bundesländer, die Kassenärztlichen Vereinigungen, Pflegeheime und Asylunterkünfte geliefert.
Die Verteilung startete, als es zu Beginn der Pandemie noch an ordentlich geprüften Masken mangelte. Sie lief aber auch noch im Herbst und Winter, als es eigentlich schon genügend nach CE-Norm geprüfte FFP2-Masken gab, auch aus deutscher Produktion.
Für Empörung hatte vergangene Woche ein Spiegel-Bericht gesorgt, demzufolge das Ministerium restliche CPI-Masken noch Anfang 2021 an Obdachlose und Menschen mit Behinderung verteilen wollte. Das scheiterte allerdings am Veto des Sozialministeriums. Inzwischen sind übriggebliebene Masken in der nationalen Reserve eingelagert.
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