Marinemission vor der Küste Libyens: Kein Bock auf Seenotrettung
Die EU-Marineschiffe agieren künftig mindestens 100 Kilometer vor Libyens Küste. Die EU erhofft sich, so weniger Bootsflüchtlinge retten zu müssen.
Demzufolge soll „Sophia“ zu „Operation EU Active Surveillance“ – übersetzt etwa: „Aktive Überwachung“ – werden. Die Mission soll dann erneut mit Schiffen ausgestattet werden, ihre Kernaufgabe soll die Überwachung des Waffenembargos sein. Die Ausbildung der Libyschen Küstenwache und die Schleuserbekämpfung sollen dann zu „Nebenaufgaben“ werden. Bislang war es andersherum: Das Vorgehen gegen die libyschen Schlepper war der zentrale Zweck der 2015 beschlossenen Militärmission.
Auf diese Weise hofft der EU-Außenbeauftragte Josep Borell das Problem mit der mangelnden Bereitschaft zur Aufnahme der Geretteten umgehen zu können. In einem der taz vorliegenden Papier aus seinem Haus heißt es, die Schiffe könnten dann „in den Bereichen eingesetzt werden, die für die Umsetzung des Waffenembargos am wichtigsten sind“ – also im östlichen Teil des Einsatzgebiets oder „mindestens 100 km vor der libyschen Küste“.
Denn dort, so heißt es in dem Papier wörtlich, seien die „Chancen, Rettungsaktionen durchzuführen, geringer“. Tatsächlich legen die Flüchtlingsboote meist im westlichen Teil der Landesküste ab – und geraten meist schon in Seenot, wenn sie näher als 100 Kilometer von der Küste entfernt sind. So hofft die EU also, dass die Militärs nicht mit der Rettung von Menschenleben behelligt werden.
Waffenschmuggel über Land
Wenn nicht, so heißt es in dem kurz nach der Berliner Libyen-Konferenz formulierten Vorschlag, drohe die EU „irrelevant“ zu werden, während „andere weiterhin die Entwicklung der Ereignisse in Libyen in einer Weise bestimmen, die unseren Interessen nicht gerecht wird.“ Damit ist offenbar die Türkei gemeint. Tatsächlich hätten sich die „eklatanten Verletzungen des Waffenembargos“ in der jüngsten Vergangenheit „fortgesetzt und sogar noch verstärkt“.
„Die mickrigen Ergebnisse der Konferenz militärisch sichern zu wollen, gießt Öl ins Feuer“, sagt dazu der Linken-Abgeordnete Andrej Hunko. Eine EU-Mission könne nur die Seegrenzen Libyens überwachen, einzelnen Akteuren bliebe also weiterhin der Waffenschmuggel über die Landgrenzen.
Sollte der Vorschlag sich durchsetzen, bliebe in Sachen Seenotrettung alles beim Alten. Derzeit sind vier NGO-Schiffe in der Region aktiv: Open Arms, Ocean Viking, Alan Kurdi und die Sea Watch 3. Seit dem vergangenen Herbst gilt eine Regelung, nach der alle von diesen Schiffen geretteten Menschen in Italien oder Malta an Land gebracht werden dürfen, dann aber für ihr Asylverfahren in andere EU-Staaten weiter reisen können. Hierfür gemeldet haben sich bislang Deutschland, Frankreich, Portugal, Luxemburg, Irland, Finnland, Norwegen, Belgien, Spanien und Schweden.
Allerdings ist das Verfahren sehr langsam: Rund 3.480 Menschen sind unter dieser Prämisse seit 2018 nach Italien gekommen. Aber erst 699 von ihnen sind bislang weitergereist. Deutschland hat bis Ende Januar die Übernahme von bis zu 586 Personen aus Italien zugesagt – hierher eingereist sind aber bis Ende Januar erst 174. Das hat auch damit zu tun, dass die Länder sich weigern, pauschale Aufnahmekontingente bereit zu stellen – für jedes Schiff handelt die EU-Kommission die Aufnahme einzeln mit den Mitgliedsstaaten aus.
Das Gros der Geretteten aber kommt ohnehin mit staatlichen Rettungsschiffen nach Italien. Um sie muss das Land sich allein kümmern. Die italienischen und auch die maltesischen Behörden setzen deshalb immer stärker darauf, dass die libysche Küstenwache Flüchtlinge auf dem Meer stoppt und nach Libyen zurückbringt. Das soll die Neuauflage von „Sophia“ ausbauen – denn damit könnte die EU auch weiterhin die libysche Küstenwache ausbilden.
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