Manipulierte Abgaswerte bei Volkswagen: Einfacher, als die Polizei erlaubt
VW will die Motoren mit simplen Maßnahmen sauberkriegen. Wenn das so einfach ist, warum hat der Konzern es nicht früher gemacht?
Viele reiben sich jetzt verwundert die Augen: So leicht und so günstig will Volkswagen die technischen Probleme beheben, die bei der Beseitigung der Abgasmanipulationen an vielen seiner Fahrzeuge auftreten, dass es einem unwirklich vorkommt. Schließlich gilt: Wenn alles so einfach ist, warum hat es der größte europäische Autokonzern nicht längst getan? Oder funktioniert die Behebung der technischen Probleme doch nicht so einfach, wie der Konzern behauptet, der um Schadensbegrenzung gegenüber seinen Kunden, Aktionären und Mitarbeitern bemüht ist?
Zur Erinnerung: Am Mittwoch hatte VW mitgeteilt, dass das Flensburger Kraftfahrt-Bundesamt die Umbaupläne für einen Großteil der manipulierten Dieselautos genehmigt hat. Demnach sollen rund 8,2 Millionen Wagen durch eine Software-Aktualisierung oder den Einbau eines kleinen Teils so umgerüstet werden, dass sie die Grenzwerte für den Ausstoß gesundheitsschädlicher Stickoxide einhalten.
Die Kosten für diese Rückrufaktionen könnten, so schätzt es der Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer, bei unter einer halben Milliarde Euro liegen – leicht zu verschmerzen. In den vergangenen zehn Jahren habe sich technisch viel getan; deshalb sei diese Lösung heute möglich, begründet VW die Maßnahmen.
Dies ruft verständlicherweise Skepsis hervor. So bezweifelt der Umweltverband BUND, dass einfache Veränderungen ausreichen, um die Stickoxidwerte auch unter normalen Betriebsbedingungen ausreichend zu reduzieren. Aber immerhin hat offenbar ein Bundesamt den Maßnahmen zugestimmt. Zwar hat sich das Kraftfahrt-Bundesamt in der Vergangenheit eher durch große Zurückhaltung gegenüber der Fahrzeugindustrie hervorgetan – allerdings steht nun die Flensburger Behörde unter verstärkter Beobachtung. Umweltschützer und Autoclubs werden sicherlich die VW-Umrüstungen überprüfen.
Wenn sich das Problem also wirklich leicht lösen lässt, stellt sich die Frage, warum der Konzern es nicht längst getan hat. Darauf gibt es eine plausible Antwort: Wer einen Betrug durch eine Rückrufaktion korrigiert, gesteht der Öffentlichkeit – also auch den Kunden und Aktionären – ein gravierendes Fehlverhalten ein. Mit dem entsprechenden Imageschaden.
Wer auch immer im Konzern davon wusste – die Entwickler oder höhere Ebenen –, dürfte also ein Interesse daran gehabt haben, die Fehler so lange wie möglich zu vertuschen. VW steht damit nicht allein; ein solches Verhalten ist im politischen, unternehmerischen und privaten Bereich gang und gäbe. Der Krug geht so lange zum Brunnen, bis er bricht. Bei VW ist er im September gebrochen.
Beim US-Konzern General Motors dauerte es beispielsweise viele Monate, bis er technische Probleme an Zündschlössern eingestand. In diesem Zusammenhang musste sich der Konzern, der im vergangenen Jahr 2,6 Millionen Fahrzeuge zurückrief, juristisch auch für Unfälle und Tote verantworten. Das technische Problem: Während der Fahrt konnte der Zündschlüssel unbeabsichtigt in die Aus-Position springen – und damit Funktionen wie Servolenkung, Bremskraftverstärkung und Airbag-Auslösung deaktivieren.
General Motors kam in den USA Mitte September mit einer Strafzahlung von 900 Millionen Dollar davon. VW dürfte in den USA darauf drängen, dass die dortigen Behörden bei der Festlegung von Strafen nicht mit zweierlei Maß messen; immerhin sind die VW-Manipulationen zwar umwelt-, aber nicht verkehrssicherheitsrelevant.
Und durchaus umweltrelevant sind die zum Teil erheblichen Stickoxid-Grenzwertüberschreitungen, die der Autoclub ADAC bei vielen Herstellern von Dieselfahrzeugen feststellte, wie er in der aktuellen Ausgabe seiner Clubzeitung auflistet: darunter bei Fahrzeugen mit der strengen Euro-6-Norm die Modelle Volvo S60 D4, Renault Espace Energy dCi 160, Hyundai i20, Fiat 500x 1.6, Audi Q5. Selbst bei Fahrzeugen mit der weniger strengen Euro-5-Norm blieben nur 2 von rund 40 Modellen unter den Grenzwerten, nämlich ein Volvo V40 und ein Skoda Octavia.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Geschasste UN-Sonderberaterin
Sie weigerte sich, Israel „Genozid“ vorzuwerfen
Prognose zu Zielen für Verkehrswende
2030 werden vier Millionen E-Autos fehlen
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Vertrauensfrage von Scholz
Der AfD ist nicht zu trauen
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Fußball WM 2030 und 2034
Der Profit bleibt am Ball