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Mangelnde Diversität in deutschen MedienGriaß di, allet jut

Lokale Akzente sind bei Mo­de­ra­to­r*in­nen im deutschen Fernsehen und Radio immer öfter zu hören, fremdsprachige dagegen kaum.

Passiert immer öfter: Moderator*innen, die mit bayrischem Akzent ins Mikrofon sprechen Foto: Patrick Daxenbichler/Zoonar/imago

Samstagmorgen beim BR24, der Nachrichtensendung des Bayerischen Rundfunks: Ein Reporter spricht über Reformen in der Katholischen Kirche. Er wirkt professionell und gut vorbereitet. Dass er mit einem rollenden r und einem bayerischen Akzent spricht, stört nicht. Beim BR, bei SWR und bei anderen regionalen Sendern sind mittlerweile immer öfter lokale Akzente zu hören. Bei fremdsprachigen Akzenten ist das dasgegen anders: man hört sie beim Bäcker oder in der Straßenbahn, im Krankenhaus oder auf dem Spielplatz. Sie sind längst Teil des deutschen Alltags – aber nicht im Radio und Fernsehen.

27 Prozent der Bevölkerung hat eine Migrationsgeschichte, bei Jour­na­lis­t*in­nen liegt der Anteil schätzungsweise bei lediglich fünf bis zehn Prozent. Die meisten davon sind in Deutschland geboren oder aufgewachsen. Kaum vertreten ist hingegen die erste Generation der Eingewanderten. Fast alle Menschen, die nach der Jugend migrieren, haben einen Akzent. Genaue Zahlen gibt es nicht, aber wenn man bei DLF, ARD oder RTL nach diesen Re­por­te­r*in­nen sucht, wird man nicht so einfach fündig.

Ja, es gab mal das prominente Beispiel des Niederländers Rudi Carrell, der mit einem starken Akzent sprach. Aber Carrell machte Unterhaltung und nicht Journalismus. Außerdem gibt es unter den Akzenten durchaus eine Hierarchisierung. Ein französischer Akzent wird vielleicht als niedlich empfunden, ein osteuropäischer oder arabischer hingegen nicht – denn auch die Sprache ist ein ethnisches Merkmal.

Keine Chance für Mi­gran­t*in­nen der ersten Generation

„Die Mehrheit der Zuschauer und der Hörer würde einen fremdsprachigen Akzent wahrscheinlich tolerieren, sogar ermutigend finden“, sagt Joachim Trebbe, Professor für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft an der FU Berlin. Insbesondere diejenigen, die eine Migrationserfahrung in der Familie haben, würden dies begrüßen. Wer Vorbehalte habe, seien die Medienhäuser selbst. „Journalismus ist sehr stark an die Sprache gebunden und bezüglich der Sprache hat man in Deutschland hohe Ansprüche“, sagt er. Deshalb findet er es berechtigt, dass Redaktionen Sprachfehler minimieren wollen.

Es gibt wenige Dinge, die hierzulande so identitätsstiftend sind wie die Sprache: die erhitzte Diskussion um Deutschkenntnisse von geflüchteten Menschen und der Kinder mit Migrationshintergrund, die regelmäßig geführt wird, ist nur ein Beispiel. Es überrascht also nicht, dass Mi­grant*in­nen der ersten Generation im deutschen Journalismus kaum Chancen haben. Ihnen wird vorgeworfen, die Sprache nicht perfekt zu beherrschen. Doch was heißt schon, „perfekt“? Und wo sind die Grenzen zwischen einem regionalen und einem fremdsprachigen Akzent?

„Eine feste Regel gibt es nicht“, sagt Trebbe. Die Redaktionen können frei entscheiden, welche Abweichungen von der Standardsprache sie akzeptieren wollen. Im englischsprachigen Raum, zum Beispiel unter den CNN-Korrespondent*innen, sind fremdsprachige Akzente zwar nicht die Regel, aber auch keine Ausnahmen. Und das sei richtig so, findet Ella Schindler. Sie ist mit 16 Jahren aus der Ukraine eingewandert. Heute verantwortet sie die Volontärsausbildung im Verlag Nürnberger Presse und ist Co-Vorsitzende des Vereins Neue Deutsche Medienmacher*innen.

Schindler fordert nicht, dass man Menschen mit geringen Sprachkenntnissen die Moderation einer Sendung anvertraut, wohl aber, dass man differenziert. „Im Moment heißt es: Entweder spricht man als Mut­ter­sprach­le­r*in oder man hat kaum Chancen“, sagt sie. Guter Journalismus bestehe aber nicht nur aus Sprache, sondern auch aus Gewissenhaftigkeit, Recherchefähigkeit, Themengespür. Und außerdem erzähle auch ein Akzent eine Geschichte: „Er macht deutlich, dass hier ein Mensch steht, der mehr als eine Kultur und ein Land kennt und viele Hürden nehmen musste, um da zu stehen, wo er heute ist“, sagt sie. Auch das sei eine Kompetenz, obwohl das häufig übersehen wird.

Für Schindler wäre es Zeit, dass die Redaktionen sich den Menschen öffnen, die nicht komplett akzentfrei sind. „Medienhäuser, insbesondere die Öffentlich-Rechtlichen, haben den Auftrag, die Welt da draußen abzubilden“, sagt sie. Und zur Welt da draußen gehören Menschen dazu, die ursprünglich nicht aus Deutschland kommen. Auch sie sind Medienkonsumenten und wollen sich in Fernsehen und Radio wiederfinden. Das sollte in den Chefetagen nicht vergessen werden.

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10 Kommentare

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  • Viele der hier genannten 1. Generation sprechen Deutsch eher gebrochen. Also ausreichend für den Alltag, aber nicht für einen druckreif gesprochenen Text. Entsprechend haben sie keine Berufe als Nachrichten-Journalisten angestrebt. Würde ich auch nicht tun, wenn ich mich in der Landessprache grammatisch und wortschatzmäßig nicht sicher fühlen würde.



    Menschen mit (leichtem) Akzent, die grammatisch korrekt sprechen - ja, gerne. Auch Bayern, Sachsen etc. bitte nur mit leichtem Akzent auf Hochdeutsch, sonst verstehen andere nichts.



    Und das unten bereits genannte Argument der Vorbildfunktion trifft zu. Nachrichten in korrekter Sprache und Ausdrucksweise hören kann für viele hilfreich sein. Zum Lernen der Sprache oder eines anderen sprachlichen Registers, als man es privat unter Freunden o.ä. nutzt.

  • 1G
    14231 (Profil gelöscht)

    Was hier gefordert wird, stellt keine Förderung, sondern eine Benachteiligung von Menschen aus Migrantenfamilien dar.

    Medien bieten eine Referenz dessen, was in einer Gesellschaft als korrekte und gute Sprache gilt, weniger in phonetischer Hinsicht, als vielmehr im Hinblick auf Grammatik und Ausdrucksweise. Entsprechend sind redaktionell betreute Texte und Sendungen ein sinnvolles Mittel, sich mit alltags- und geschäftstauglichen Sprachformen eines Landes vertraut zu machen.

    Dies ist nicht nur für Menschen praktisch, die Deutsch als Fremdsprache erlernen, sondern auch für solche, die in ihrem Elternhaus kein korrektes Deutsch zu hören bekommen. Gerade Menschen aus Migrantenfamilien, aber auch viele Deutsche aus bildungsfernen Haushalten sollten die Möglichkeit haben, sich auf die sprachliche Kompetenz von Journalisten verlassen zu können.

    Ich war bei Freunden aus Migrantenfamilien immer wieder überrascht, welche Schwierigkeiten sie damit haben, einen sprachlich einwandfreien Bewerbungsbrief zu verfassen. Das betrifft selbst Menschen mit Hochschulabschluss, die auf den ersten Blick fließend und akzentfrei sprechen.

    Gegen ausländische Akzente ist an sich nichts einzuwenden, nur sind diese häufig mit falscher Grammatik verbunden. Migranten, die ein in Grammatik und Ausdrucksweise einwandfreies Deutsch sprechen, haben ausländische Akzente meist schon abgelegt und sprechen teilweise in deutschen Akzenten. Es gibt viele Journalisten mit Migrationshintergrund, die ein ausgezeichnetes Deutsch sprechen. Warum sollte man diesen nun den Stereotyp des Migranten vor die Nase setzen, der Schwierigkeiten mit deutschem Satzbau hat?

    Die Verlässlichkeit deutscher Medien, einen zuverlässigen sprachlichen Referenzrahmen zu bieten, ist im übrigen nur noch begrenzt gegeben. Denn Redaktionen nehmen zugunsten eines Flickenteppichs aus unbeholfenen Versuchen, geschlechtergerecht zu schreiben, zunehmend Missverständlichkeiten, Uneinheitlichkeit, Alltagsferne und grobe Fehler in Kauf.

  • Nachrichten im Radio oder sonstwo in radebrechender und von Akzent untermauerter Sprache braucht kein Mensch. Sprache, Dialekte und Akzente kolportieren auch gleichzeitig eine Vorstellung der sprechenden Person, sofern man sie nicht sieht. Wenn es Kleinigkeiten, wie im Artikel das gerollte R sind, mag alles noch o.k. sein - warum auch nicht? - ein breites Thüringisch würde bei mir zum sofortigen Umschalten führen. Gleiches bei Akzenten aus so manchen Regionen dieser Erde. Wenn die Sender den kleinesten gemeinsamen Nenner suchen, so finden sie sehr schnell reines Hochdeutsch - da braucht es keine künstliche "Sendung mit der Maus-Adaption".

  • Ein bayerischer Akzent in regionalen bayerischen Medien ist seit jeher gang und gebe. Auch den schwäbischen oder norddeutsche Akzente findet man ab und an in den entsprechenden Regionen. Dies ist einer Frage der regionalen Identität. Einen echten Anstieg würde ich bezweifeln.

    Ein berliner Akzent wäre dagegen ein absolutes Tabu. Hier gilt medientechnisch hochdeutsch und zwar unabhängig vom etwaigen Migrationshintergrund und würde auch für Moderatoren gelten, die aus Bayern hergezogen sind.

  • Ich möchte deutlich und klar verständliche Nachrichten hören, von mir auch mit Akzent, sofern dieser die Klarheit nicht beeinträchtigt. Ob da jetzt ein norddeutscher, sächsicher, bayrischer oder kölscher oder sonstein Einschlag ist wäre mir (fast) egal, manche Dialekte und Akzente mag ich vom Klang her nicht gerne hören.



    Aber was genau möchte die Autorin des Artikels nun? Daß jetzt eine paritätische Akzentbesetzung bei gesprochenen Nachrichten eingeführt wird? Um was zu erreichen? Daß die Vielfalt der Straße via Studios die Ohren der Zuhörer erreicht?



    Der vergleich mit CNN hinkt hingegen. Selbstverständlich sprechen nicht alle Upper Class English. Warum auch, haben doch viele dort das australische, kanadische, US-amerikanische oder sonst ein Englisch als Muttersprache.

  • Radio und Fernsehen sind für "alte Leute", also die, die damit aufgewachsen sind und nie den Sprung in moderne Medien geschafft haben. Die sind wenig flexibel und es muss daher sein, wie in der guten, alten Zeit. Lokale Dialekte finden sie putzig oder freuen sich sogar darüber.



    Mich hat es schon immer gestört, dass Menschen aus dem Süden nicht in der Lage sind, Hochdeutsch zu sprechen. Ich kann das trennen und nach Bedarf entspannt mit Dialekt sprechen oder Hochdeutsch. Das eine oder andere Wort verrät einen dann, aber das bleibt.



    Besonders schrecklich finde ich es, wenn Deutsche radebrechend Englisch reden. Das zeugt von Null Interesse daran, sich die richtige Aussprache anzueignen. Man ist ja Deutscher und es ist schon impertinent genug, dass man hier kein Deutsch spricht.



    Akzenten wird immer ein Klischee zugeordnet. Der Deutsche hat dann immer einen lauten Befehlston und im besten Fall eine Pickelhaube, im schlechtesten eine SS-Uniform. Der Franzose ist der ständige Verführer und Genießer. Der Brite trägt Tropenhelm oder Frack und wirkt immer arrogant gelangweilt, kurz posh.



    Und weil ein Akzent solche Bilder transportiert, macht er Probleme. Das ist das Äquivalent zu falscher Grammatik und Satzbau in Texten. Da will man ja auch die reine Lehre.

    • @Hefra1957:

      Was für ein Stereotyp über Alte. Die Alten, die ich kenne, kennen sich mit "modernen Medien" aus. Und auch sonst haben Sie sehr einschränkende bzw. intolerante Ansprüche an andere.

  • Ich frage mich, wie Herr Schindler aus Berlin zu seiner Aussage kommt, „Medienhäuser, insbesondere die Öffentlich-Rechtlichen, haben den Auftrag, die Welt da draußen abzubilden“.

    Der journalistische Auftrag ist es, klare, verständliche und politisch nicht gefilterte Informationen weiterzugeben, damit sich die Zuschauenden selbst ein Bild machen können.

    In den Unterhaltungssendungen dürfen die ÖR gerne auch die Welt da draußen abbilden, aber da hat sich in den letzten Jahren auch unheimlich viel getan. Wer sich im deutschen Fernsehen die (meisten) Unterhaltungssendungen ansieht, kann wohl kaum fehlende Diversität finden. Dazu muss man z.B. nur alte Krimifolgen mit den aktuellen Produktionen vergleichen. Zudem hat wohl jeder und jede ein eigenes Bild der Welt da draußen, fragt sich also, welches die Medien denn dann zeigen sollen.

    Was will Herr Schindler? Die meisten Menschen, die eine Sprache lernen wollen, orientieren sich auch an Nachrichten- und Informationssendungen. Soll da jetzt bewusst schlechte Sprache vermittelt werden?

    Nebenbei, das zitierte Beispiel Rudi Carrell ist sehr schlecht gewählt, er war im Unterhaltungssektor tätig, und nicht im jounalistischen Bereich. Und dort gibt es auch heute durchaus Sprach-Diversität.

    • @Torben2018:

      Es handelt sich bei Ella Schindler natürlich um eine Frau - das haben Sie sicher überlesen?



      Und zu Carell steht gleich nach der Nennung des Entertainers:



      "Aber Carrell machte Unterhaltung und nicht Journalismus."



      Das stand ganz akkzentfrei im Artikel.



      Ich halte auch ein weiteres Absinken des sprachlichen Niveaus in den Medien für äußerst bedenklich.



      Aber immerhin muss der Journalismus auch Leute erreichen!



      Wenn jetzt zum Beispiel aus der Türkei berichtet wird, kann ein ganz offenbar türkischer Akzent der/des Reporterin/s vielleicht mehr erreichen als ein noch so engagiertes Team von Hans und Grete.

  • Die sprachlichen Ansprüche im Journalismus sind m.E. nicht so hoch, kaum jemand der "perfekt" schreibt oder spricht, noch wäre es die Erwartung. Tatsächlich hält sich die Bereitschaft zur Innovation oder Kreativität, was man dahingehend am ehesten als Anspruch verstehen würde, eher in Grenzen. Hürden sind künstlich erhöht, das ist aber kein Alleinstellungsmerkmal der Medien, wir sehen es hier nur besonders deutlich. Es ist typisch für Deutschland allgemein und ein fast paradigmatisches, neueres Beispiel dafür, wie auch hier zu sehen, das Gender-Sternchen. Ein Mittel der legitimen Differenzierung und Ab-, das heißt immer auch Ausgrenzung. Das teilt es mit den besagten geografischen Aussprachefärbungen, die im Zweifel eher mal etwas übertrieben werden als dass man wie im Fall fremdsprachlicher Akzente oder Intereferenz versucht wäre, oder sein müsste, bewusst entgegenzuwirken. Beides glaube ich ein Stück weit auch Versuche der Kompensation sonst oft verlorengegangener Distinktionsmöglichkeiten, d.h. im Falle des letzteren auch als Reaktion auf das standardsprachliche Leveling und das weitgehende Verschwinden der dialektalen Vielfalt. Es ist im Prinzip ja keinesfalls neu, nur konnte man bis vor gar nicht solange Zeit an dieser Stelle noch regelrechte Dialekte hören und die Sprecher konnten auch bisweilen gar nicht anders, wenn nicht gleich andere Sprachen, wie das Niederdeutsche. Identitätsstiftend wirkt Sprache eben nicht nur an ihren Außengrenzen sondern auch für die innere Ausdifferenzierung, vom Dialekt bis zum individuellen Idiolekt. Dass fremdsprachliche Einflüsse dabei im Vergleich noch nicht so gefragt sind, oder vielleicht auch genutzt werden möchten, ist dagegen keine Besonderheit. Das sehen wir überall, wo die Zahl der Erstsprecher die der anderen bei weitem übersteigt, man passt sich (selbst) auch automatisch an. Der Kontrast zum Englischen ist deshalb nicht so hilfreich, denn dort verhält es sich genau andersrum. Das ist eine Besonderheit.