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Mali nach dem PutschSchnell zusammenraufen

Die zivile Protestbewegung will mit den Militärputschisten zusammenarbeiten. Im Gespräch ist eine gemeinsame Übergangsregierung.

Die zivile Protestbewegung fordert auch von der Ecowas mehr Verständnis und Unterstützung Foto: ECOWAS via reuters

Cotonou taz | Zwei Tage nach dem Umsturz in Mali scheint es, als seien sich alle einig. Die Protestbewegung M5-RFP (Bewegung des 5. Juni / Sammlung der Patriotischen Kräfte), die monatelang gegen Präsident Ibrahim Boubacar Keïta (IBK) demonstriert hatte, kann sich gut eine Zusammenarbeit mit der Militärjunta CNSP (Nationalkomitee zur Rettung des Volkes) vorstellen, die IBK am Dienstag abgesetzt hatte. In einer Pressemitteilung erklärt M5-RFP, dass sie sich in der Pflicht sehe, den politischen Übergang für ein „demokratisches, republikanisches und säkulares Mali“ mitzugestalten.

Das ist eine deutliche Botschaft. Bekanntester Anführer der Protestbewegung war bislang der religiöse Führer Imam Mahmoud Dicko gewesen. Der hat öffentlich zwar stets den säkularen Staat betont, kam jedoch während seines Studiums in Saudi-Arabien in Kontakt mit dem Wahhabitentum, und immer wieder wurden ihm Ambitionen auf das höchste Staatsamt in Mali nachgesagt.

Dem hat er nun eine Absage erteilt: Er stehe nicht für eine Präsidentschaftskandidatur zur Verfügung, sagte Dicko schon am Dienstagabend; wenig später kündigte er an, die aktuelle Situation den Politiker*innen überlassen zu wollen.

Aber welchen? Malis größte Oppositionspartei URD (Union für Republik und Demokratie) nimmt Keïtas Rücktritt in einer Erklärung zur Kenntnis: Er habe den „legitimen Forderungen des malischen Volkes nicht aufmerksam zugehört“. Doch wenn es schon der bisherigen Regierung nicht gelungen sei, den kurz vor der Parlamentswahl im März entführten KURD-Chef Soumaïla Cissé freizubekommen – er hatte 2013 und 2018 zweimal die Präsidentenstichwahl gegen Wahlsieger Keïta verloren – müsse das nun die Militärregierung tun.

Die URD und vor allem Cissé werden jedoch in Mali ebenfalls zur alten diskreditierten Machtclique gezählt, die in den vergangenen Jahren keine nennenswerte Oppositionsarbeit betrieb.

Neuwahlen im Jahr 2021?

Die Militärs haben sich derweil bereiterklärt, gemeinsam mit zivilen Politikern eine politische Neuordnung einzuleiten, ein wenig wie im Sudan. Ein 15-Punkte-Plan, der seit Mittwochabend zirkuliert, sieht einen zivil-militärischen Übergangsrat vor, der die Funktionen von Staatspräsident und Parlament übernehmen und eine Übergangsregierung benennen solle, die freie Wahlen vorbereiten soll. Kein Mitglied der Übergangsinstitutionen soll zu den Wahlen antreten dürfen. Am 25. Mai 2021 soll ein neugewählter Präsident sein Amt aufnehmen. Es ist allerdings unklar, ob dieser Plan die offizielle Haltung des CNSP darstellt.

Der CNSP hatte in seiner Pressekonferenz am Mittwoch, als er Oberst Assimi Goita als seinen Präsidenten vorstellte, erneut betont, dass der Coup völlig unblutig abgelaufen sei. Dem widerspricht mittlerweile die Menschenrechtsorganisation Amnesty International (AI): Vier Menschen sollen getötet und 15 verletzt worden sein.

Internationale Ablehnung einhellig

Auf internationaler Ebene hält die Kritik am Staatsstreich weiter an. UN-Generalsekretär António Guterres sowie der UN-Sicherheitsrat verurteilten ihn ausdrücklich und betonten die „dringende Notwendigkeit, die Rechtsstaatlichkeit wiederherzustellen und auf die Rückkehr zur verfassungsmäßigen Ordnung hinzuarbeiten“.

Die massivste Kritik äußert die westafrikanische Regionalorganisation Ecowas (Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft), deren Mitgliedstaaten teilweise vor ähnlichen Herausforderungen stehen wie Mali. Sie haben Mali von allen Gremien suspendiert und alle Grenzen zu dem Land geschlossen. Auch die Afrikanische Union (AU) hat Malis Mitgliedschaft suspendiert.

Das wiederum stößt auf Ärger bei Malis ziviler Protestbewegung. In ihrer Erklärung fordert die M5-RFP „die Ecowas, die Afrikanische Union und die internationale Gemeinschaft auf, die Situation in Mali besser zu verstehen und das malische Volk bei seinem Streben nach Frieden und nationaler Versöhnung zu unterstützen“.

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