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Mahnmal vor Ex-Gestapo-ZentraleNarbe im Stadtraum

Eine Blutspur auf dem Gehweg: Am Hamburger Stadthaus, der einstigen Zentrale der Gestapo, entsteht derzeit das Kunstwerk „Stigma“.

Finden den Eingriff brutaler als vorher gedacht: Ute Vorkoeper (l.) und Andrea Knobloch Foto: Miguel Ferraz

Eine lange, konfliktreiche Geschichte ist an ihr Ende gekommen, und ob es ein gutes ist, steht dahin. Angesägt und ­herausgestemmt werden derzeit Gehwegplatten vor dem Hamburger Stadthaus, einem attraktiven Gebäude aus dem 19. Jahrhundert. Seit 1814 residierte dort das Hamburger Polizeipräsidium, im Dritten Reich auch die Gestapo-Leitstelle für ganz Norddeutschland sowie die Kriminalpolizei.

Hunderte SchreibtischtäterInnen bereiteten dort die Überwachung und Deportation jüdischer, widerständiger oder anderweitig missliebiger BürgerInnen vor. Auch die berüchtigten „Polizeibataillons“ für Massenerschießungen in Polen und der Ukraine wurden dort rekrutiert. Die Gestapo verhörte und folterte im Stadthaus Hunderte WiderstandskämpferInnen, trieb viele gezielt in den Selbstmord.

„Das Stadthaus ist ein Ort, der bei Angehörigen ehemals Verfolgter bis heute Beklemmungen auslöst“, hat der Historiker und NS-Forscher Herbert Diercks der taz kürzlich gesagt. „Luxus-Geschäfte, Restaurants, ein Hotel in der einstigen,Folterhölle’ werden als der Opfer unwürdig empfunden.“ Bis heute fordern die Nachkommen, deren Freitags-Mahnwachen heute ins vierte Jahr gehen, einen angemessenen Gedenk- und Lernort.

Den hat die Stadt Hamburg beim Verkauf der Immobilie 2009 zwar dem Investor, der Quantum AG, in den Vertrag geschrieben, doch Quantum rechnete die geforderten 750 Quadratmeter auf einen „Erstinformationsort“ von 70 Quadratmetern neben dem Café eines Buchladens klein. Formaljuristisch sei der Vertrag erfüllt, sagt Kultursenator Carsten Bros­da (SPD). Das sei bedauerlich, aber nicht zu ändern.

Ein paar Stelen plus Kunst

Um indes den öffentlichen Unmut zu befrieden, berief die Kulturbehörde einen Beirat, der auf Verbesserungen sinnen sollte. Mühsam ertrotzte der sechs Info-Stelen über dem „Seufzergang“, durch den die Verhafteten zum Verhör getrieben wurden. Halb überzeugt fand sich der Beirat auch mit dem Behördenvorschlag ab, den Mini-Gedenkort künstlerisch aufzuwerten und einen Wettbewerb auszuschreiben.

Gewonnen haben die Hamburger Künstlerinnen Ute Vorkoeper und Andrea Knobloch mit ihrem Entwurf „Stigma“. Sie werden in die Lücken, die die zerstörten Gehwegplatten hinterlassen, rötliches Granulat füllen, einer Blutspur ähnlich, aber explizit kein plattes Symbol. „Indem wir den frisch fertiggestellten Bürgersteig zerstören, entsteht eine Narbe im Stadtraum“, sagt Ute Vorkoe­per. „Jetzt, wo die Arbeiten begonnen haben, merken wir, dass der Eingriff noch brutaler ist als imaginiert.“ Und wenn die Lücken in einigen Wochen verfüllt seien, werde man bei jedem Schritt merken, „dass an diesem Ort etwas nicht stimmt“.

Zersplittertes Gedenken

Allerdings fällt „Stigma“ deutlich kleiner aus als geplant und nimmt auch einen anderen Weg: Die Spur beginnt nicht mehr vor dem „Erstinformationsort“ am Café, stellt also keinen direkten Bezug zur dort verhandelten NS-Vergangenheit her. Und obwohl vom Preisgericht zunächst genehmigt, hatte die Baubehörde im Nachhinein erklärt, „Stigma“ könne aus statischen Gründen nicht nahe der dortigen Fleetbrücke verlaufen, sagen Insider.

Stattdessen verläuft die Spur nun weiter rechts, bis zur Rotunde und dann kurz um die Ecke herum in die schicke Einkaufsmeile Neuer Wall. Dort wird sie aber nicht zum einstigen Haupteingang des Polizeipräsidiums am Görtz-Palais geführt, bleibt also auch dort auf halbem Wege stehen. „Unser Entwurf sah nie vor, ‚Stigma‘ bis zum Görtz-Palais zu ziehen“, sagt Ute Vorkoeper. „Die für den Neuen Wall nötigen Abstimmungs- und Genehmigungsprozesse hätten die Realisierung außerdem erheblich verzögert.“

Detlef Baade, Sohn eines im Stadthaus gefolterten Widerstandskämpfers und Mitorganisator der Mahnwachen, nennt den Gedenkort deshalb „den Unvollendeten“.

Auch Ex-Polizeipräsident und Beiratsmitglied Wolfgang Kopitzsch sagt, es gebe in Hamburg eine Tendenz, das NS-Gedenken zu zersplittern und aus dem glatt gebügelten Stadtzentrum herauszuhalten. „Aber das muss auch an den Orten geschehen, von wo aus Terror und Unterdrückung organisiert und auch durchgeführt wurde, wo gefoltert und gequält wurde, wo Unrecht gesprochen und wo hingerichtet und gemordet wurde. Das waren unter anderem Stadthaus – einschließlich Görtz-Palais –, Polizeigefängnis Hütten, Strafjustizgebäude, Hanseatisches Oberlandesgericht, Untersuchungsgefängnis, Fuhlsbüttel und Neuengamme. Die Darstellung des Widerstandes auf Fuhlsbüttel zu konzentrieren, wäre ein sehr unvollständiges Bild.“

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