Erinnerungskultur in Niedersachsen: Land will KZ-Baracke nicht erhalten

Auf dem Gelände der Justizvollzugsanstalt Meppen verfällt eine alte KZ-Baracke. Niedersachsens Justizministerium ist ein Erhalt zu teuer.

Eine Gedenktafel steht for einem Zaun

Viel erinnert nicht mehr ans ehemalige Straflager Versen: Info-Tafel vor der JVA Meppen Foto: Frank Vincentz/Wikimedia Commons

MEPPEN taz | Wer durchs Tor der Justizvollzugsanstalt Meppen (JVA) geht, stößt nicht weit vom Eingang auf ein paar Bäume. Direkt dahinter liegt eine halb verfallene Baracke aus Holz und Teerpappe. Sie steht seit Jahren leer. Ihre Wände sind löchrig, Fäule und Verwitterung setzen den Fenstern zu. Ge­schieht nicht bald etwas, fällt das 70 Meter lange Gebäude in sich zusammen.

Für Pastor Ulli Schönrock, seit fast 20 Jahren evangelischer Gefängnisseelsorger der JVA, ist die marode Baracke ein Ort „geronnener Täterschaft“. Sie ist ein Relikt des Konzentrationslagers (KZ) Versen, Wachmannschaften waren in der einstigen Dienstbaracke 18 unter­ge­bracht. „Wenn wir nichts tun, den Verfall aufzuhalten“, sagt Schönrock der taz, „verhöhnen wir die Opfer.“

Baracke 18 hat eine düstere Vergangenheit. Wo heute die JVA liegt, wurden mit Beginn des Zweiten Weltkriegs Kriegsgefangene zum Arbeitseinsatz gezwungen, im Stalag VI B. Von Ende 1944 bis Frühjahr 1945 war Versen ein Außenkommando des KZ Neuengamme. Die Bedingungen waren brutal, viele Insassen starben. Sie mussten in der Torfindustrie arbeiten, in der Landwirtschaft oder beim Bau der Küstenverteidigungslinie „Friesenwall“ helfen.

In der NS-Zeit gab es im Landkreis Emsland und der Grafschaft Bentheim 15 Konzentrations-, Strafgefangenen- und Kriegsgefangenenlager. Nur noch wenige Spuren sind von den Emslandlagern geblieben. Die Baracke in Meppen ist eine.

Erhalt der Emslandlager

Zusammen mit seinem katholischen Kollegen Heinz-Bernd Wolters kämpft Schönrock dafür, dass sie erhalten bleibt, auch durch einen Förderverein. Ihr Konzept sieht vor, einen Teil des Gebäudes originalgetreu zu restaurieren und als musealen Erinnerungs- und Gedenkort zu nutzen. Der Rest soll ein Begegnungszentrum werden, für die Seelsorge und als Schulungsort für die rund 400 Inhaftierten der JVA.

Der Leiter der JVA habe laut Schönrock zudem die Idee geäußert, den Ort mithilfe der Inhaftierten zu renovieren, die eine entsprechende Ausbildung im Handwerk absolvieren. Darunter seien auch rechtsradikale Gewalttäter.

4,3 Millionen Euro würde das alles kosten. „Wir suchen derzeit nach Sponsoren, nach privaten Spendern“, sagt Schönrock. Aber sehr überzeugt klingt er nicht, dass diese Summe je zusammenkommt. Er sieht das Land Niedersachsen in der Pflicht, den Eigentümer der denkmalgeschützten Immobilie. Immerhin ist sie als Kulturdenkmal eingetragen – und Kulturdenkmale sind zu pflegen.

Aber das Niedersächsische Justizministerium winkt ab: Zu Erhaltungsmaßnahmen sei das Land nur „im Rahmen seiner finanziellen Leistungsfähigkeit verpflichtet“, erklärt es auf eine Kleine Anfrage vom niedersächsischen Landtagsabgeordneten Volker Bajus (Grüne) aus diesem Frühjahr. Und im Landeshaushalt stünden „aktuell keine Mittel zur Verfügung“. Unterhaltungs- und Sicherungsmaßnahmen würden „aufgrund fehlender Nutzung“ nicht durchgeführt.

Suche nach Spenden

Aus der Antwort vom Ministerium geht hervor, dass das Land Mitte 2020 zwar bis zu 250.000 Euro vom Bund eingeworben habe, dieses Geld fließt aber erst, wenn das Land dieselbe Summe zuschießt. Und das sei eben nicht geplant, obwohl auch das Justizministerium in der Baracke einen „beispielhaften geschichtlichen Wert“ erkennt. Das Verzeichnis der Meppener Baudenkmale weist ihr eine „Bedeutung im Rahmen von Nationalgeschichte“ zu.

„Wir arbeiten da seit Jahren dran“, sagt Schönrock. „Und das ist jetzt unser letzter Versuch. Es ist sehr schwer, dafür Ohren zu finden.“ Immerhin, bei der JVA Meppen wird man gehört: „Wir wollen das Gebäude gern erhalten“, sagt Vize-Anstaltsleiter Bernhard Saalfeld der taz. „Und es wäre schön, es der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.“

Der Bedarf an Erinnerungsarbeit sei groß, sagt Schönrock. Je weniger Zeitzeugen es gebe, desto wichtiger werde die Authentizität von Orten, an denen Geschichte stattgefunden hat. „Das beeindruckt sehr nachhaltig.“ Außerdem reisen nach wie vor Angehörige der einstigen Opfer an. Aber Gedenkarbeit an einem Ort, der einsturzgefährdet ist, ist schwer.

Früher waren in der Baracke Teile der JVA-Verwaltung untergebracht. Heute ist der Bau abgesperrt. Schönrock hat noch drei Dienstjahre vor sich. Ob er erlebt, dass die Baracke gerettet wird, ist offen.

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