Magazin-Gründerin über Finanzen: „Mitglieder müssen zahlen“
Das Onlinemagazin „Republik“ will unabhängigen Journalismus, doch das Geld wird knapp. Vorständin Clara Vuillemin erklärt, warum sie keinen Sparkurs will.
taz: Frau Vuillemin, Republik hat bei der Gründung vor zwei Jahren große Aufmerksamkeit bekommen. In der Zwischenzeit hatten Sie aber, wie Sie neulich bekannt gegeben haben, nicht genug Zulauf. Mit einem Hilferuf haben Sie im Dezember um neue Abonnements geworben. Warum haben Sie sich bei der Wachstumsprognose verschätzt?
Clara Vuillemin: Ich bin nicht sicher, ob wir uns verschätzt haben. Beim Crowdfunding zu Beginn hatten wir viel größeren Erfolg als erwartet. Da haben wir uns nach unten verschätzt. Dieser Erfolg war eine große Verantwortung, verbunden mit großen Hoffnungen – also haben wir versucht, ein möglichst gutes Produkt zu machen. Wir wollten dabei einen Fehler vermeiden, den andere gemacht haben: zu klein anzufangen. Wir wollten alles geben, um etwas richtig Gutes zu machen. Und das hat auch funktioniert. Wir sind beim Wachstum vielleicht gerade nicht da, wo wir sein sollten – aber auch nicht so weit daneben.
Dennoch sind Sie großen Schwankungen ausgesetzt, je nachdem wie stark Sie gerade Aufmerksamkeit erlangen, etwa durch das Crowdfunding oder den Aufruf neulich. Wie wollen Sie diese Schwankungen künftig abfangen?
Unsere Herausforderung ist die Erneuerung der Mitgliedschaften. Wir haben das Problem, dass viele Jahresmitgliedschaften im Januar auslaufen, weil wir einst im Januar gestartet sind. Das heißt: zwar liegen wir gerade wieder über der Zahl der 19.000 Mitglieder, die wir anvisiert haben. Aber erfahrungsgemäß werden wir das nicht über den Januar halten, weil ein Teil seine Mitgliedschaft nicht weiterführen wird. Im Moment ist unsere Strategie ganz einfach, klar zu kommunizieren, was wir tun. Den Mitgliedern zu erklären: Wenn man so eine Republik will, die nicht werbefinanziert ist und nicht von Mäzenen, dann müssen Mitglieder dafür zahlen. Wir sind auf eine gewisse Treue angewiesen. Die erreicht man durch Kommunikation.
Bei journalistischen Projekten mit Bezahlschranke hört man als Außenstehender immer viel Eigenkommunikation, aber bekommt wenig von den Inhalten mit. Müssten Sie nicht hin und wieder mal einen Artikel öffnen?
Unsere Inhalte sind alle offen, in dem Sinne, dass sie von Mitgliedern geteilt werden können. Die Bezahlschranke betrifft die Startseite und die Kommentarfunktion. Unsere Texte werden auch generell gut von Nichtmitgliedern gelesen. Das dient uns natürlich erst mal als Kommunikationsmittel, so können Leute uns kennenlernen. Aber wir tun es natürlich auch, um unseren Journalismus mehr Menschen zugänglich zu machen. Wir wollen nicht nur für einen exklusiven, abgeschotteten Kreis arbeiten. Die Bezahlschranke brauchen wir aber, um uns zu finanzieren. Denn wir glauben nicht, dass wir genug rein ideell motivierte Mitgliedschaften verkaufen könnten, wenn wir sie nicht hätten.
Für Republik bezahlt man im Jahresabo 240 Franken, etwa 220 Euro. Vergleichbare Magazine wie Krautreporter in Deutschland und De Correspondent in den Niederlanden kosten 70 Euro im Jahr. Zwar ist die Kaufkraft in der Schweiz größer, aber nicht um so viel. Warum haben Sie sich als Luxusprodukt positioniert?
Wir verstehen uns nicht als Luxusprodukt. Wir sind mit dem Preis sehr zufrieden – sicher weiß man nie, was wäre, wenn. Wir bekommen aber eher das Feedback, dass Leute mehr zahlen möchten. Was sie natürlich dürfen. Von den gut 4.000, die nach unserem Aufruf ihre Mitgliedschaft bereits verlängert haben, haben 1.500 freiwillig mehr gezahlt als die 240 Franken. Zusätzlich haben wir noch die „Ich kann mir das nicht leisten“-Funktion. Das heißt, dass Leute zahlen können, was sie wollen. Etwa 5 bis 10 Prozent der Mitglieder nehmen das in Anspruch.
Jahrgang 1992, ist Mitgründerin, Verwaltungsrätin und Vorständin bei Republik.ch. Zuvor arbeitete sie als Reporterin und IT-Spezialistin.
In Ihrem Aufruf vom Dezember heißt es, wenn Republik bis März 2020 nicht die 19.000 zahlenden Mitglieder halten kann, dann erklären Sie das Experiment für beendet. Warum gleich dichtmachen? Geht’s nicht auch kleiner?
Es geht kleiner, aber es geht einfach nicht schnell kleiner und vor allem nicht gleich gut, denn was für uns nicht verhandelbar ist, ist die Qualität. Natürlich haben wir uns verschiedene Szenarien überlegt, als absehbar wurde, dass es mit dem Geld langsam schwierig wird. Aber wir haben jetzt gerade endlich eine einigermaßen konsolidierte Redaktion, haben ein Produkt, das für viele unserer Leser*innen zum ersten Mal greifbar wird. Da steckt extrem viel Aufbauarbeit drin. Natürlich geht es kleiner, aber nicht auf die Schnelle. Und wir finden, dass das Produkt gerade stimmt. Und glauben, dass wir jetzt noch mal finanziell einen Schub brauchen, mit dem wir uns weiterentwickeln können. Damit wir so einen Aufruf nicht in einem oder in zwei Jahren wieder machen müssen.
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