Männervereine und Gemeinnützigkeit: Weitgehend nutzlos
Reinen Männervereinen soll die Gemeinnützigkeit entzogen werden, wenn es nach Finanzminister Olaf Scholz geht. Gut so.
![Männer eines Schützenvereins schießen in die Luft. Männer eines Schützenvereins schießen in die Luft.](https://taz.de/picture/3787876/14/24173118.jpeg)
Warum besteht unsere Gesellschaft immer noch so erstaunlich häufig auf Bereichen, zu denen Frauen keinen Zutritt haben? Klar, der katholische Klerus fällt einem für gewöhnlich als Erstes ein, aber auch im Kleinen wird immer wieder männlicher Rückzugsraum zelebriert, ob sich die Herren beim Fest mal „auf ’nen Schnaps“ zurückziehen, ob Onkel Harry mal „nur die Jungs“ zum Gokarten einlädt – oder wenn Vereine in ihrer Satzung Frauen ausschließen.
Anlass, darüber nachzudenken, gibt die Absicht von Finanzminister Olaf Scholz, das Gemeinnützigkeitsrecht so zu reformieren, dass es keine Steuervorteile mehr für diejenigen Vereine gibt, die Frauen den Zutritt verwehren. Das hat der SPD-Politiker der Bild am Sonntag verraten.
Gemeinnützigkeit ist ein fiskalischer Begriff, der bedeutet, dass kulturelle, künstlerische oder Bildungsvereine Steuervorteile erhalten, wenn sie zum Wohle der Allgemeinheit agieren. Einer der bekanntesten Vorteile der Gemeinnützigkeit ist, dass Spender*innen Zuwendungen an einen Verein steuerlich absetzen können. Nun will der Finanzminister also an die Männerbünde ran. Das ist kein revolutionärer Vorstoß, vielmehr wird eine Gesetzesgrundlage langsam nötig, weil zuletzt mehrfach Gerichte in Einzelfällen die Gemeinnützigkeit entzogen haben oder damit drohten. Das betraf 2017 schon eine Freimaurerloge und kürzlich entging dem knapp ein Aachener Karnevalsverein.
Dabei ist der springende Punkt für die Gerichte konkret der „sachgrundlose“ Ausschluss von Frauen. Wer schlüssig begründen kann, warum sein Verein unbedingt männlich bleiben muss, hat noch eine Chance.
Schauen wir also mal, welche Begründungen das sein könnten.
Eigendynamik von „homosozialen Räumen“
Was zunächst in den Sinn kommt, ist Sport. Die meisten Sportarten werden binärgeschlechtlich aufgeteilt betrieben. Das ist hier aber irrelevant, weil die Gemeinnützigkeit nicht auf Teams innerhalb eines Vereins abzielt, sondern nur auf den Verein als Ganzes. Geschlechtertrennung nach innen heißt ja nicht, dass Frauen grundsätzlich ausgeschlossen sind. Nur wer unbedingt einen rein männlichen Schützen-, Bowling- oder Ruderverein möchte, genießt dann eben keine Steuervorteile. Wohlgemerkt nur, wenn Frauen in der Satzung aktiv ausgeschlossen werden. Wenn sich einfach keine Frau findet, die mitmachen möchte, wäre das weiter kein Problem.
Eine andere Sachbegründung wäre die biologistische. Selbsthilfegruppen für Männergesundheit könnten diese vorbringen, und wo sie auch immer mal wieder auftritt, ist im Zusammenhang mit Knabenchören. Nun ist die menschliche Biologie aber keine säuberlich zweigeteilte Veranstaltung. Was landläufig als männliches Organ, männliche Krankheit oder männliche Stimme gelten mag, kann auch Frauen betreffen. Wer einen Verein hat, wo sich Menschen mit Hodenkrebs austauschen, kann ganz einfach Menschen ohne Hodenkrebs ausschließen.
Womit wir beim dritten möglichen Argument wären: Tradition. Männer unter sich weil – macht man halt so. Männer sollen doch auch mal unter sich sein können, und man muss ja nicht gleich immer! Nun ja. Hier wäre die Detailfrage Gemeinnützigkeit mal eine gute Gelegenheit darüber nachzudenken, was für einen Nutzen die Allgemeinheit von männerbündischen Räumen hat. Und ob man das fördern oder nicht viel lieber abbauen möchte.
Die Soziologie spricht bei rein männlichen Institutionen von „homosozialen Räumen“ und schreibt ihnen eine gewisse Eigendynamik zu. Das gewaltvolle Geschlechterverhältnis wird in ihnen tendenziell verstärkt, eine toxische, eingeschränkte Männlichkeit zum Standard erhoben, unter der nicht nur Frauen leiden, sondern auch Männer.
Während Frauenräume historisch dadurch entstehen, um sich gegen männliche Aggression und Dominanz zu schützen, befördert der männliche Rückzugsraum tendenziell Aggression und Dominanz. Zumindest aber stehen sie für die Weigerung, toxische Männlichkeit abzubauen – denn dafür wäre notwendig, alle Geschlechter ganz selbstverständlich und auch gleichberechtigt in alle Bereiche des Alltags einzubinden. Wer sich stattdessen lieber im Männerklub seiner Männlichkeit vergewissert, kann das tun. Zum steuerlich geförderten Kulturgut erklären muss man das jedoch nicht.
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