Mackertum im Fußball: Fans in freier Wildbahn
Verschmutzte Straßen, Scherben und Alkohol: Liebe zum Verein kennt viele Gesichter, vor allen Dingen männliche.
E s ist Samstag, mitten in Bremen. Vom Domshof ziehen die Werder-Fans durch das Ostertorviertel. Bevor um 15.30 Uhr das letzte Heimspiel der Saison losgeht, bleibt noch Zeit, sich das vierte Bier des Vormittags zu öffnen, die grüne Fanmontur aus dem Schrank zu holen und sich gemeinsam in Richtung Weserstadion zu begeben.
Fahnen wehen, Fangesänge ertönen. Die Menge bebt und meine Unterlippe auch, bei folgenden Zeilen: „Spielst in der schönsten Stadt, die mich verzaubert hat, bist alles, was ich hab. Ich lass’ nie von dir ab. Samstag um halb vier bist du mein ganzes Leben, ich gehöre zu dir, was kann es Schöneres geben?“ Ernsthaft?
Zum Glück haben wir Mutter- und Vatertag hinter uns gebracht, sodass keine konkurrierenden Gedanken in puncto Liebeserklärungen aufkommen. Was gibt es schöneres als die komprimierte Erscheinung von überwiegend männlichen Fußballfans, die mit allgemein akzeptierter Legitimation die Straßen des „Viertels“ einnehmen?
Als würde die grüne Tarnung und die Anzahl der Menschen jeden einzelnen plötzlich unsichtbarer machen. Als würde ihnen der öffentliche Raum an den restlichen 364 Tagen nicht mit derselben Selbstverständlichkeit zu Verfügung stehen. Nun gut, zumindest sind alle positiv gestimmt, motiviert und gewissenhaft im Verfolgen dieser einen Leidenschaft. Fußball lässt die Herzen höher schlagen – und manchmal auch emotionalisierte Jungs um sich.
Der Preis für diese Liebe
Ja, schon klar, Fußball vereint auch. Er schafft Zusammenhalt, stiftet Identität. Er hilft, Hürden und Grenzen zu überwinden. Durch die Liebe zum Sport. Dumm nur, dass der Rest der Stadt den Preis für diese Liebe zahlt. Verschmutze Straßen, überall Scherben und Betrunkene, die Brüllen, als hätten sie seit Jahren kein Gehör gefunden.
In der Luft macht sich der Gestank von Mackertum breit und als wäre das nicht genug, werden die toxischen Schweißdrüsen mit gut gemeinter politischer Haltung – gegen Rechtsextremismus, Homofeindlichkeit und Sexismus – besprüht.
Ich sehe auch den anderen Teil, wirklich! Jene, die die Liebe zum Verein nicht als perfekten Anlass für unhinterfragte männliche Selbstdarstellung nutzen. Und keine Sorge, dass ist auch kein Aufruf zum Fan-Boykott. Es werden auch keine Fußballmetaphern in Form von gelben oder roten Karten verteilt. Oder vielleicht doch: Ich bleibe am Ball. Das Spiel gegen den 1. FC Köln endet 1:1. Werder Bremen steigt nicht ab. Gratulation und Prost. Zeit für das zehnte Bier, denn jetzt gibt es sogar einen echten Anlass zum Feiern.
Zum Glück wurden die Blasen spätestens beim Verlassen des Stadions an den umliegenden Bäumen und Gartenzäunen entleert. Richtig rebellisch, diese pinkelnde Horde. Genug mit dem Spießer-Genörgel. Ich setze meine Kopfhörer auf, mache den Rapper Haftbefehl mit seinem Song „Lass’ die Affen aus dem Zoo“ an und beobachte das Schauspiel, als sei es meine einzige Leidenschaft. Fußball vereint, auch auf Umwegen.
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