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Machtwechsel im KongoHoffnung auf Frieden in Kasai

Erste Aufständische in kongolesischer Unruheregion legen die Waffen nieder. Sie bejubeln den neuen Präsidenten Felix Tshisekedi.

Der Wahlsieger Tshisekedi winkt seinen Anhängern Foto: Reuters

Berlin taz | Führt der Machtwechsel in der Demokratischen Republik Kongo zu Frieden in der zentralkongolesischen Kasai-Region? Dass mehrere hundert Angehörige von Milizen und ihre Anführer in Kasai ihre Waffen niedergelegt haben, ist ein Hoffnungsschimmer in dem Landesteil, der in den vergangenen zwei Jahren am stärksten von Krieg und Vertreibung gebeutelt worden war.

Über 700 Milizionäre haben mittlerweile das Ende ihres Kampfes verkündet und dem neuen Präsidenten Felix Tshisekedi, dessen Familie selbst aus Kasai stammt, ihre Unterstützung zugesichert.

In der größten Zeremonie am vorletzten Wochenende legten 600 Männer, viele mit den roten Stirnbändern der aufständischen Kasai-Milizen, der Hauptstadt der Provinz Kasai-Central ihre Waffen nieder: Gewehre und Messer, Macheten und Knüppel, Pfeil und Bogen. Sie organisierten eine Parade durch die Provinzhauptstadt Kananga und forderten dabei die Polizei auf, ebenfalls die Waffen niederzulegen, was diese aber nicht tat.

„Diese 600 Milizionäre haben auf unseren Friedens­appell reagiert“, sagte Provinz­gouverneur Denis Kambayi. „Wir rufen die auf, die immer noch im Busch sind, ebenfalls ihre Waffen zu übergeben.“

Seit 2016 Bürgerkriegsgebiet

Kasai ist seit dem Jahr 2016 Bürgerkriegsgebiet, als Regierungsstreitkräfte den traditionellen Führer „Kamuina Nsapu“ (Schwarze Ameise) töteten und dessen Anhänger einen Aufstand begannen. Viele Aufständische standen der in Kasai traditionell starken größten kongolesischen Oppositionspartei UDPS (Union für Demokratie und Sozialen Fortschritt) nahe.

Die Armee des damaligen Präsidenten Joseph Kabila reagierte auf die Rebellion mit Rachefeldzügen und dem Aufbau von Gegenmilizen, was Massaker nach sich zog. Nach UN-Schätzungen sind über 5.000 Zivilisten getötet worden, zeitweise flohen über eine Million ins benachbarte Angola.

Seit UDPS-Führer Felix Tshi­sekedi zum Sieger der Präsidentenwahl vom 30. Dezember 2018 erklärt und am 24. Januar 2019 als neuer Präsident des Kongo vereidigt wurde, sehen viele ehemalige Aufständische nun ihren Kampf als erfolgreich beendet an – obwohl Tshisekedi mit hoher Wahrscheinlichkeit seinen Sieg einer massiven Wahlfälschung und einem Deal mit dem Vorgängerregime verdankt.

„Das Volk ist an der Macht“, sangen die Milizionäre in Kananga. Erste Waffenniederlegungen fanden direkt am UDPS-Sitz in Kananga statt.

„Wir haben unser Ziel erreicht“

Am vergangenen Donnerstag trat der aktuelle Kamuina Nsapu, der sich „Kamuina Nsapu Mutombo“ nennt, auf einer katholischen Messe in der Stadt Kamako an der Grenze zu Angola auf und rief öffentlich zum Ende des Krieges auf.

„Wir haben tage- und nächtelang für den Machtwechsel gekämpft“, sagte er. „Heute haben wir unser Ziel erreicht. Ich bin glücklich über den Sieg von Felix Tshi­sekedi und verpflichte mich dem ­Frieden.“

Insgesamt hatten die Kamuina-Nsapu-Aufständischen bislang rund 1.700 Mann unter Waffen. Wenn sie jetzt ihren Kampf einstellen, ist das eine wichtige Stärkung für den neuen Präsidenten Tshisekedi. Der muss sich erst noch gegen den in zahlreiche Verbrechen – insbesondere in Kasai – verwickelten Militär- und Sicherheitsapparat seines Vorgängers Joseph Kabila behaupten.

Außerdem lehnen ihn andere Oppositionelle im Umfeld des vermutlich eigentlichen Wahlsiegers Martin Fayulu ab. „Noch immer gibt es einige Landesteile, die Tshisekedi die Legitimität absprechen“, sagt in Kinshasa der politische Analyst Destin Bondo. „Aber wenn die Milizen aufgeben, gibt ihm das eine Plattform, um das Land zusammenzuführen.“

Mitarbeit: Jean Kassongo, Kinshasa

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