Machtstrukturen in Katholischer Kirche: Papst über Missbrauch von Nonnen
Erstmals hat Papst Franziskus sexuellen Missbrauch von Nonnen durch Geistliche offen angesprochen. Das könnte Reform-Forderungen verstärken.
Papst Franziskus hat erstmals über sexuellen Missbrauch von Nonnen durch Bischöfe und Priester gesprochen. Er sprach von Fällen in der Vergangenheit, glaubt aber auch, dass „es immer noch getan wird“. Der Vatikan arbeite seit Langem an dem Problem, auch schon unter Papst Benedikt. Einige Glaubensgemeinschaften seien aufgelöst worden, Kleriker seien „suspendiert“ und „weggeschickt“ worden. Franziskus fügte hinzu: „Muss man mehr gegen das Problem machen? Ja. Wollen wir mehr machen? Ja.“
Dabei sprach er den Fall einer Glaubensgemeinschaft an, bei der Frauen „wie Sklaven“ behandelt worden seien. Es sei bis zur „sexuellen Sklaverei“ durch Kleriker und den Gründer der Gemeinschaft gekommen. Der damalige Papst Benedikt habe diese Gemeinschaft nach starken Widerständen sofort nach seinem Amtsantritt im Jahr 2005 aufgelöst. Auf welche Gemeinschaft er sich bezog, sagte der Papst nicht. Der Missbrauch von Frauen sei aber auch ein generelles Problem, sagte Franziskus und bezog sich dann auf kulturelle Probleme in Ländern, in denen „die Misshandlung von Frauen bis zum Frauenmord geht“.
Noch in diesem Monat, vom 21. bis zum 24. Februar, treffen sich auf Wunsch von Papst Franziskus die Leiter aller Bischofskonferenzen weltweit im Vatikan, um über die Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche zu sprechen. Es soll vor allem darum gehen, wie ein Missbrauch „verletzlicher Minderjähriger und Erwachsener“ präventiv vermieden werden kann. Es ist das erste Mal, dass der Papst die Spitzen aller Bischofskonferenzen zu dem Thema versammelt. Bislang ist nicht bekannt, dass es bei dem Treffen auch um Missbrauch von Frauen in der Kirche gehen soll.
Erst vor Kurzem kritisierte das Frauenmagazin „Donne Chiesa Mondo“ der Vatikan-Zeitung „L'Osservatore Romano“, dass die Kirche dieses Problem immer noch ignoriere. Missbrauch hänge generell viel mit der Struktur der Kirche zusammen, in der die Geistlichen die Macht auf sich vereinten.
Kritik prominenter Katholik*innen
Kardinal Reinhard Marx, Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz, hat im Vorfeld des Bischofstreffens einen offenen Brief in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (Paywall, eine Zusammenfassung des offenen Briefs gibt es hier) bekommen. Neun in Deutschland teils sehr prominente Katholiken fordern darin verhältnismäßig radikale Reformen der katholischen Kirche, etwa die Priesterweihe auch für Frauen, eine neue Sexualmoral, inklusive einer „verständigen und gerechten Bewertung von Homosexualität“ und eine Lockerung des Pflichtzölibats. „Missbrauch hat systemische Gründe“, argumentieren die Unterzeichner*innen, kritisieren den Klerikalismus und die damit einhergehende „Macht in Männerbünden“.
Zu den Absender*innen des offenen Briefes gehört der Jesuitenpater Klaus Mertes, der im Jahr 2010 als Schulleiter des Canisius-Kollegs in Berlin Missbrauchsfälle öffentlich gemacht hat. Mertes war schon Gast in diversen Polit-Talkshows und ist immer wieder Interviewpartner verschiedenster Magazine. Ansgar Wucherpfennig, ebenfalls Jesuitenpater, ist ein weiterer Unterzeichner. Sein Name ging vor Kurzem durch mehrere Medien, weil ihm fast eine weitere Amtszeit als Schulleiter verweigert wurde – als Konsequenz für Äußerungen zu Homosexualität, Zölibat und Frauenpriestertum. Weitere Unterzeichnerinnen sind die Vizepräsidentin des Caritasverbands Gaby Hagmanns sowie Claudia Lücking-Michel, Vizepräsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) – des größten Laienverbands der Kirche.
Die Forderungen nach Reformen könnten nochmals neuen Aufwind bekommen, nun da der Papst auch den Missbrauch von Frauen in Glaubensgemeinschaften öffentlich anspricht. Den Zusammenhang zwischen diesen Fällen und der „Macht in Männerbünden“ herzustellen dürfte nicht allzu schwer sein. Inwieweit der Vatikan nun endgültig die Konsequenz zieht, all diese Missbrauchsfälle als eine Folge der Macht- und Hierarchiestrukturen in der Kirche zu betrachten – und daraus wiederum praktische Schritte einzuleiten, diese Strukturen zu verändern –, ist offen. (mit dpa)
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Kochen für die Familie
Gegessen wird, was auf den Tisch kommt
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
US-Interessen in Grönland
Trump mal wieder auf Einkaufstour