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Machtkampf in der chinesischen KPParteichinesisches Rätselraten

Innerhalb der Kommunistischen Partei Chinas tobt seit dem Sturz des Spitzenpolitikers Bo Xilai ein heftiger Machtkampf. Nun soll der Parteitag verschoben werden.

Noch wichtiger als Macht erhalten: Haltung wahren. Bild: reuters

PEKING taz | Eine an und für sich harmlose Geste – und doch ein machtvolles Signal: Chinas ehemaliger Partei- und Staatschef Jiang Zemin hat in seiner Geburtsstadt Yangzhou bei der Eröffnung des neuen Flughafens einfach nur dessen Namen in chinesischen Schriftzeichen aufgemalt: Flughafen Yangzhou Taizhou.

Doch die Staatsmedien berichteten groß über den kalligrafischen Auftritt des 86-Jährigen, der die Volksrepublik zwischen 1993 und 2003 regierte. Die meisten Chinesen verstehen sofort: Jiang will damit zeigen, dass er gesundheitlich in bester Verfassung ist und bereit steht, beim Machtkampf um die künftige KP-Spitze kräftig mitzumischen.

Denn innerhalb Chinas Führungsriege rumort es gewaltig. Auf dem 18. Parteikongress der Kommunistischen Partei Anfang Oktober sollten die Delegierten den lange geplanten Generationswechsel der Führung eigentlich nur brav abnicken.

Doch am Mittwoch schrieb Benjamin Lim, Pekinger Büroleiter der US-Nachrichtenagentur Reuters, dass dieser Parteitag „wahrscheinlich um ein bis zwei Monate verschoben wird“. Als Grund nannte er „Uneinigkeit über die künftige Ausrichtung und Größe des neunköpfigen Ständigen Ausschusses des Politbüros“.

Dieses Gremium ist Chinas eigentliches Machtzentrum. Der langjährige Reuters-Chef von Peking ist dafür bekannt, dass er als einer der wenigen ausländischen Journalisten über beste Kontakte bis in die obersten Parteizirkel verfügt.

Die beiden Spitzenpositionen in Partei und Staat bleiben zwar unstrittig. Der bisherige Vizepräsident Xi Jinping wird 2013 neuer Präsident, Generalsekretär der Partei und damit Chinas eigentlicher Machthaber. Als Premierminister ist der bisherige Vizepremier Li Keqiang vorgesehen. Doch die übrigen Sitze im Ständigen Ausschusses des Politbüros sind heftig umkämpft. Vor allem der plötzliche Sturz des Spitzenpolitikers Bo Xilai im März wirbelte das Machtgefüge durcheinander.

Putschgerüchte gehen um

Bo stand für den linken Flügel, der sich für sozialen Ausgleich und mehr Staatsbetriebe einsetzt. Bekämpft wurde er vor allem vom wirtschaftsfreundlichen Flügel, der in Südchina sehr stark ist. Der sieht sich seit der Affäre um Bo gestärkt.

Dass sich nun der eigentlich nur noch hinter den Kulissen agierende Jiang Zemin in aller Öffentlichkeit zeigt, gilt als Indiz dafür, dass dieser Kampf noch nicht ausgefochten ist. Parteiintern soll der mächtige Jiang die amtierende Führung um Hu Jintao und Wen Jiabao für Bos raschen Sturz scharf kritisiert haben. Es machten gar Putschgerüchte die Runde. Und Politologen wie Wang Hui sprechen gar von „der größten politischen Krise seit der Niederschlagung der Demokratiebewegung von 1989“.

Trotz Chinas hoher Wachstumsraten im vergangenen Jahrzehnt gilt Hu Jintao politisch denn auch als schwach. Und auch der amtierende Premier Wen Jiabao hat zwar viel versprochen, etwa mehr sozialen Ausgleich. Doch tatsächlich ist der Abstand zwischen Arm und Reich in seiner Amtszeit gewachsen. Schon wird infrage gestellt, ob Hu nach seiner Zeit als Staatschef noch Vorsitzender der Zentralen Militärkommission der Volksarmee bleiben darf. Dieser mächtige Posten wird den abtretenden Machthabern stets ein Jahr länger zugestanden. Kritiker fordern, dass Hu diesen Posten Xi bereits mit der Übergabe seiner anderen Ämter abtreten soll.

Reuters berichtet, dass der nur alle fünf Jahre stattfindende Parteikongresses nun auf Ende des Jahres verschoben ist. Für Xin Jinping und Li Keqiang wird es dann nur eine kurze Übergangszeit geben. Sie sollen ihre neuen Staatsämter definitiv beim Volkskongress im März 2013 antreten. Sollte dieser Termin auch noch verschoben werden, wäre die Staatskrise perfekt.

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