piwik no script img

Machtkampf in der DR KongoKabila ruft das Volk dazu auf, Kongo zu „retten“

Kongos Expräsident Joseph Kabila verliert seine Immunität, ihm droht die Todesstrafe. Er reagiert mit einem Appell aus dem Exil, der auf Kritik stößt.

Bart abrasiert, staatsmännische Pose: Joseph Kabila bei seinem Videoauftritt, Freitagabend Foto: Joseph Kabila (X)

Berlin taz | Der Präsident der Demokratischen Republik Kongo, Felix Tshisekedi, und sein Amtsvorgänger Joseph Kabila haben einen öffentlichen Machtkampf gegeneinander aufgenommen.

Am Donnerstagabend vergangener Woche hob Kongos Senat mit 88 zu 5 Stimmen die Immunität Kabilas auf, der als ehemaliger Staatschef lebenslang im Oberhaus im kongolesischen Parlament sitzen darf. Damit sind strafrechtliche Ermittlungen möglich, die im Extremfall zur Todesstrafe führen können.

Am Freitagabend reagierte Kabila aus dem Exil mit einer Videoansprache „an das kongolesische Volk“, in der er die Kongolesen dazu aufforderte, wie einst beim Kampf gegen Kolonialherrschaft, Diktatur und Krieg zusammenzustehen und „mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln“ das Land zu „retten“.

Der 45-minütige Auftritt Kabilas, der in Südafrika lebt, war seine erste öffentliche Stellungnahme seit Jahren. Der heute 53-Jährige regierte die DR Kongo von 2001 bis 2019; in dieser Zeit gab sich das Land seine aktuelle demokratische Verfassung, fand aber nicht aus seinen Dauerkriegen und seiner strukturellen Korruption heraus.

Kabila wird der Unterstützung von Rebellen bezichtigt

Ende 2018 trat Kabila nicht zu einer dritten gewählten Amtszeit an und übertrug 2019 nach der Wahlniederlage seines Favoriten die Macht an Oppositionspolitiker Felix Tshisekedi von der größten zivilen Oppositionspartei UDPS (Union für Demokratie und Sozialen Fortschritt) im Rahmen einer massiven Wahlfälschung. Tshisekedi brach aber 2020 mit Kabila und er verließ das Land.

Der für den Kabila-Tshisekedi-Deal verantwortliche Wahlkommissionschef Corneille Nangaa führt heute das Rebellenbündnis AFC (Allianz des Kongo-Flusses) an, als deren militärischer Arm die Rebellenarmee M23 (Bewegung des 23. März) weite Teile Ostkongos erobert hat und zum Sturz Tshisekedis aufruft. Nangaa hat gesagt, er habe das „Monster“ Tshisekedi geschaffen und müsse es jetzt wieder „erledigen“.

Tshisekedi hat wiederholt Kabila als Urheber der neuen M23-Rebellion genannt. Er soll der „direkten Beteiligung“ an der Rebellion angeklagt werden, hatte Justizminister Constant Mutamba im April angekündigt – darauf steht die Todesstrafe. Kabilas Partei PPRD (Volkspartei für Wiederaufbau und Demokratie) wurde bereits im April verboten. Zahlreiche Mitstreiter Kabilas in Politik und Militär wurden in den vergangenen Jahren kaltgestellt.

Zuletzt hatte sich die Verfolgungswelle noch einmal verschärft: Kabilas ehemaliger Premierminister Augustin Matata Ponyo wurde am vergangenen Dienstag in Abwesenheit zu zehn Jahren Zwangsarbeit wegen Veruntreuung verurteilt; sein ehemaliger Minenminister Martin Kabwelulu wurde am Mittwochabend aus seinem Haus in Kinshasa verschleppt und befindet sich jetzt in Gewahrsam.

Kabila stammt aus Kongos Südprovinz Katanga, ebenso wie der wichtigste Gegenkandidat bei Tshisekedis Wiederwahl als Präsident Ende 2023, Moise Katumbi. Dieser lebt jetzt ebenfalls im Exil und aus seinem weiteren Umfeld werden juristische Maßnahmen gegen Tshisekedi wegen des Umgangs mit Katangas Bergbau vorbereitet.

Nicht in der Position, Lektionen zu erteilen

Bei vielen unabhängigen Beobachtern stößt Kabilas Vorstoß auf scharfe Kritik, da die von ihm angeprangerten Missstände bereits zu seiner Zeit galten. Kabila sei nicht in der Position, anderen Lektionen über Demokratie zu erteilen, lautet der Tenor.

„Man kann nicht bloß dann die Demokratie verteidigen, wenn man am falschen Ende des Revolvers steht“, schrieb Jean-Marc Kabund, der erst von Kabila und später von Tshisekedi verfolgte ehemalige UDPS-Generalsekretär, der erst vor wenigen Monaten selbst aus der Haft freikam.

Kabila habe „nichts zu bieten außer mehr Spaltung und Enttäuschung“, schrieb Eugène Diomi Ndongala, zeitweise Kabilas Minenminister und später inhaftiert. Während solche kritische Stimmen in Kongos Medien breiten Raum erhalten, traut sich aber kein Medium innerhalb des Landes, Kabilas Rede zu veröffentlichen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!