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Machtkampf in der CDULetzte Ausfahrt Basis

Stefan Reinecke
Kommentar von Stefan Reinecke

Als autoritäre Organisation wählt die CDU mit dem Mitgliederentscheid ein heikles Instrument. Doch die Probleme der CDU sind viel größer.

Große ChefInnen für die CDU gesucht Foto: Michael Kappeler/dpa

D ie CDU ist eine autoritäre, machtfixierte Organisation. Die Basis hatte nie viel zu melden und wollte auch selten mitreden. Man hatte ja das Kanzleramt. Das ist vorbei. Der Machtverlust ist eine Zäsur, deren Auswirkungen erst langsam sichtbar werden. Das Selbstverständliche ist fragwürdig geworden – zum Beispiel, dass ein Parteitag bestimmt, wer die CDU führt.

Ein so gekürter CDU-Chef, egal ob er Friedrich Merz, Norbert Röttgen oder anders hieße, hätte von Beginn an ein Legitimationsproblem. Das Misstrauen der Basis gegenüber Führung und Gremien sitzt tief. Deshalb wird die Basis nun bis Januar de facto die neue Parteispitze und damit auch den Kurs der CDU bestimmen.

Das ist gewissermaßen alternativlos. Es ist ein Griff zur Notbremse. Allerdings weiß niemand, ob die funktionstüchtig ist. Das Basis-Votum in Baden-Württemberg 2004 hatte nichts gelöst und die Fronten erst recht verhärtet. In Top-down-Organisationen ist Basisdemokratie eben ein heikles Instrument. Als die SPD-Basis 2019 erfolgreich eine neue Spitze wählte, verhöhnten Paul Ziemiak und Jens Spahn die „Selbstbeschäftigung der SPD“. Jetzt könnten sie sich dort abschauen, wie man offene Machtentscheidungen organisiert, ohne Scherbenhaufen zu hinterlassen.

Dass dieses Basis-Votum die Partei befrieden wird, ist nur eine Hoffnung. Falls Merz CDU-Chef wird, bedeutet das vor allem Dauerstress nach innen. Und selbst wenn die Partei ihre innere Balance wundersamerweise schnell finden würde – gut wäre damit längst noch nichts. Wofür die Union nach 16 Jahren Merkel steht, ist schwer zu erkennen. 2022 stehen vier Landtagswahlen an, bei denen die CDU wenig gewinnen und viel verlieren kann. Zudem verschwimmen die Rollen von Volks- und Milieuparteien.

Wenn die FDP es clever anstellt, kann sie in der Ampel den Part der Union spielen: Ansprechpartner für die Wirtschaft und Anwalt der Mitte zu sein. Gelingt ihr das, dann ist die Frage, wie die Union unfallfrei zu einem neuen Chef kommt, ihr geringstes Problem. Die Krise der CDU hat gerade erst begonnen.

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Stefan Reinecke
Korrespondent Parlamentsbüro
Stefan Reinecke arbeitet im Parlamentsbüro der taz mit den Schwerpunkten SPD und Linkspartei.
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14 Kommentare

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  • 'Die Krise der CDU hat gerade erst begonnen.'



    ... lautet der letzte Satz des Kommentars.

    Laut Laschet ist Merkel "Dann, in einer schwierigen Situation, Vorsitzende der CDU Deutschlands geworden. (...) und seither Deutschland durch 16 Weltkriesen geführt"

    Die schwierige Situation war aber nicht nur die erstmalige Abwahl eines Kanzlers. In diese Situation ist die Partei ja bewusst gelaufen. Bei der Wahlkampfveranstaltung in Marburg spielte die passende Musik; Time to say goodby, A. Bocelli.



    Die Krise von Damals hatte, meiner Ansicht nach, schon davor begonnen. Innere Krisen werden nicht besser wenn man sie nur zur 'schwierige Situation' zu veeharmlosen versucht.



    Es gibt dysfunktionale Familien, die enorme kraft aufwenden um nach Aussen harmonisch zu wirken.



    Adenauer sagte mal: "Wenn zwei Menschen immer die gleiche Meinung haben, taugen beide nichts."



    Die CSU versucht nur diesen Eindruck nicht aufkommen zu lassen.



    Die Krise der CDU ist derzeit mal wieder offen erkennbar. Angefangen hat sie vor einiger Zeit.



    Ob sie jetzt am Ende des Anfangs oder am Anfang des Endes ist? Que sera, sera.

    Krisenmanager brauchen Krisen um als Held zu erscheinen.

    Zitate von Laschet aus der Wahlkampf-Abschlussrede 24.09.21, München, Paulaner-Nockherberg

  • Die "Blödzeitung" insinuiert Herrn Merz den "Black Rock Lobbyisten" für den CDU "Parteifurzsitz" das ist der sichere Weg in den Untergang wie bei der "Demokrazia Christiana" Italiens beider nur noch zum Schluss 1997 die Mafiabosse als Führung übrig blieben!!

  • DIE CDU...



    kann zwischen pest und cholera solange wählen wie sie will: sie hat weder ein personal, noch ein programm, noch ein profil, das mut zur zukunft macht. "mass und mitte" ist eben immer nur "mittelmass".

  • Man schaue sich die Altersstruktur der CDU-Wähler an.



    Oder alternativ das Wahlverhalten der Erstwähler am 26.09.2021.



    Dann erkennt man schnell, dass die CDU die Partei der Gestrigen ist.



    Rechnet man demografisch hoch, kommt man rasch zur Erkenntnis, dass es ihr nach und nach ergehen wird, wie den Gesangvereinen.



    Dort hat man auch zu lange an überkommenem Liedgut festgehalten.

    Nun den plötzlich den Beat der beiden zeitgemäßen Parteien kopieren zu wollen, wirkt einfach nur plump und wird auch nicht mehr helfen.

    Und das ist auch gut so!

  • Die CDU ist in der Fläche vertreten, sie regiert über den Bundesrat auch im Bund mit, sie stellt die meisten Landräte, Bürgermeister, Ministerpräsidenten.

    Um die CDU muss man sich keine Sorgen machen.

    Sobald die Ampel anfängt zu regieren und notwendigerweise viele, viele Hoffnugen und Wünsche nicht erfüllen können wird, wird der Wind ganz schnell wieder drehen und die CDU wird in der Opposition aufleben, denn dort lebt es sich ja eigentlich ganz gut...

    • 6G
      68514 (Profil gelöscht)
      @Paul Rabe:

      Es lebt sich immer ganz gut, wenn man mit Fingern auf andere zeigen kann. Da gibt es auch in der CDU viele Meister dieser Herangehensweise. Insofern mache ich mir da keine Sorgen. Ich frage mich nur, ob wir auf diese Tour zu irgendeiner zukunftsorientierten Politik finden werden. Vielleicht in 300 Jahren?

  • 1G
    17900 (Profil gelöscht)

    Hätte AKK den Job richtig gut gemacht, gäbe es keine neuen Wahlen mit 5 Männern aus NRW!



    Sie hat versagt, nicht nur als CDU_Vorsitzende. Ist leider so!

  • Der Autor will mit seiner Wortwahl provozieren. Und es funktioniert: Ich bin provoziert. Nicht als CDU-Wähler (das war ich noch nie), sondern als Demokrat. "Autoritär" ist etwas anderes. Eine Partei wie die CDU sollte man nicht einmal in einem Kommentar als "autoritär" bezeichnen.

    • @Graustufen:

      Der Begriff autoritär heißt nicht nur nicht unbedingt undemokratisch sondern es kann auch relativ gesehen werden. Ich studiere Politikwissenschaft und habe mich auch mit innerparteilicher Demokratie auseinandergesetzt. Die CDU ist auf jeden Fall autoritärer als alle anderen Parteien: Die CDU ist die einzige Bundestagspartei, die bundesweite VERBINDLICHE Mitgliederentscheide nicht vorsieht. Das Wort autoritär ist hier nicht wertend gemeint sondern ein Fakt. Selbstverständlich ist die CDU eine demokratische Partei, aber man kann sie definitiv als autoritär bezeichnen.

    • @Graustufen:

      Da stimme ich Ihnen zu. Womöglich ist die Entsprechende Zeile aber nicht vom Autor selber, sondern editiert worden. Das geschieht besonders bei Unterüberschriften häufig.

  • 6G
    68514 (Profil gelöscht)

    Naja, 1989 hatten wir im Osten die eine autoritäre Partei abgesägt. Mindestens in Sachsen hat sich die CDU danach als die neue Staatspartei in Szene gesetzt. Die Meinung des Volkes war nicht gefragt. Man hatte für gut zu befinden, was von oben vorgegeben wurde. Gab's beispielsweise in Baden-Württemberg nicht ähnliche Tendenzen, wenn ich da so an Mappus und Vorfahren denke? Die Katze diesbezüglich wurde spätestens da aus dem Sack gelassen, als der "real existierende Sozialismus" als Gegengewicht zum kapitalistischen System wegfiel. Man hatte ja keinen Zwang mehr zu beweisen dass das eigene System das bessere ist. Tja, Demokratie muss eben geübt werden. Viel Erfolg dabei.

  • Wurden denn bisher die CDU-Vorsitzenden etwa nicht demokratisch gewählt? Die letzten Wahlen waren doch durchaus offen und sogar ziemlich spannend!

    Es zeugt von einem fragwürdigen Demokratieverständnis, eine Partei, die satzungsgemäß Delegierte wählt und diese dann auf Parteitagen Entscheidungen treffen als "autoritär" zu bezeichnen.

  • Jetzt schon ein Angstartikel das es Merz werden könnte ? Chapeau…

    • @echobravo:

      Hab ich was verpasst? Will er mit seiner Kniffelgruppe jetzt noch mal den Reichstag stürmen, Rentner in Rage? Ist doch schon drin. Vor dem Angst zu haben wär schon tragisch, die ganze Partei gibt nur noch wenig Anlass. Das heißt von außen, die Sorgen sollten sie sich selber machen. Oder hätten machen sollen, mit Röttgen blieben sie wenigstens anschlussfähig, aber der Zug dürfte gefahren sein. Werden sich ganz ähnlich einen einschenken wie die SPD: nur haben sie keinen Scholz in der Hinterhand, der den Karren rauszieht. Und nicht im Entferntesten. Das ist der springende Punkt. Diese Rolle würde Röttgen niemals übernehmen können, wird er auch nicht wollen als etwaiger Kanzlerkandidat quasi unter Merz, undenkbar. Dann rauchen sie ab. Mit so einer rechten Spitze haben sie in Deutschland keine Machtperspektive, nicht mit den Grünen, nicht mit der SPD. Und das ist für keine Partei bei Wahlen wichtiger als für die Union, nur deshalb konnten sie sich ganze Programme und Wahlkämpfe sparen. Bleibt ihnen bestenfalls zu hoffen, dass Merz nur Übergang macht, aber was dann? Geht das Spiel wieder von vorn los. Aber dann mit wer weiß wieviel zerschlagenem Porzellan, wer wird sich erst das antun? Die Krise der CDU hat noch nicht mal begonnen. Im Ampel-Land Rheinland-Pfalz sitzen sie seit über 30 Jahren in der Opposition. Und das ist ein eher konservatives Terrain.