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Machtkampf in PakistanTote beim Sturm von Imran Khans Anhängern auf Islamabad

Der inhaftierte Ex-Premier Imran Khan lässt im Machtkampf mit Regierung und Militär zehntausende seiner Anhänger auf die Hauptstadt marschieren.

Durch Straßensperren aus Containern lassen sich die Anhänger des inhaftierten Ex-Premiers Khan nicht stoppen Foto: Anjum Naveed/AP/dpa

Berlin taz | Als Pakistans Premier Imran Khan im April 2022 durch ein Misstrauensvotum gestürzt wurde, mag dies eine lokale politische Intrige gewesen sein (nicht, wie von Khan behauptet, ein Manöver Washingtons). Sein Sturz durch das Parlament, der nach einem Wink des Militärs erfolgte, bewegte sich weitgehend im gesetzlichen Rahmen.

Der Ausschluss seiner Partei PTI von den Wahlen im Februar 2024 und die inzwischen 150 Klagen wegen „unerlaubter Ehe“, Korruption und Terrorismus gegen den im September 2023 inhaftierten Khan sehen aber so aus, als solle sein Comeback unbedingt verhindert werden. Dies empört seine Anhänger auch zweieinhalb Jahre später noch, wie derzeit in der Hauptstadt Islamabad zu sehen ist.

Als der einstige Cricketstar von seiner Zelle aus zu Protesten aufrief, wurde umgehend ein zweimonatiges Versammlungsverbot für Islamabad verhängt. Als sich dennoch Zehntausende teils knüppelschwingende Anhänger in den letzten Tagen auf den Weg machten, verwandelten die Sicherheitskräfte die Stadt in eine Festung.

Mit Schiffscontainern wurden Zugangsstraßen versperrt, dazu das Internet und die Handynetze blockiert, die Schulen der Hauptstadt vorsorlich geschlossen. Bereits am Wochenende wurden rund 4.000 Demonstranten an Straßensperren auf dem Weg nach Islamabad festgenommen.

Demonstranten konnten Straßensperren überwinden

Dennoch gelang es in der Nacht zu Dienstag vielen Khan-Anhängern, in die Stadt einzudringen – obwohl das Militär inzwischen mit Schusswaffengebrauch droht. Am Tag eskalierten dann die Straßenschlachten. Demonstranten gelang es zum Teil, Container beiseite zu räumen und mit Knüppeln auf die Sicherheitskräfte loszugehen. Die schossen mit Tränengas und Gummigeschossen.

Bisher starben mindestens sechs Personen, darunter vier Paramilitärs, ein Polizist und ein Zivilist. Auf beiden Seien gab es viele Verletzte.

Die Demonstranten, angefeuert von Khans Frau Bishra Bibi, fordern seine Freilassung und die Rücknahme der Klagen gegen den 72-Jährigen. „Solange Imran nicht bei uns ist, werden wir diesen Marsch nicht beenden“, rief Bibi den Demonstranten zu. Premierminister Shahbaz Sharif sagte dagegen: Der Protest sei nicht friedlich. „Das ist Extremismus.“

In der Tat nimmt es auch der Populist Khan, der als Reformer gegen Politiker aus der traditionellen Elite antrat, aber weitgehend scheiterte, mit Recht und Gesetz selbst nicht so genau. Denn auch er überhäufte während seiner Amtszeit als Premier einige politische Gegner mit Gerichtsklagen und hat nur ein taktisches Verhältnis zum Recht. Damit schwächt auch den fragilen Rechtsstaat.

Die Machtprobe findet wiederholt statt

Auch hatte er selbst nichts an der Einmischung des Militärs in die Politik auszusetzen, solange er der Liebling der Generäle war. Als er bei denen in Ungnade fiel, droht er immer wieder mit Gewalt seiner Anhänger wie auch jetzt wieder.

Denn die Machtprobe mit Khans Anhängern findet bereits zum wiederholten Male statt. Dass der inhaftierte Khan aber jetzt so viele Anhänger mobilisieren und die Hauptstadt an den Rand des Kollapses bringen kann, zeigt, dass er weiter beliebt ist und seine Anhängerschaft nicht schwindet, worauf die beiden Regierungsparteien und das Militär wohl gesetzt hatten.

Doch eigentlich hat das Land noch ganz andere große Probleme zu lösen: Vergangene Woche wurden bei bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen Sunniten und Schiiten im Distrikt Kurram an der Grenze zu Afghanistan 82 Personen getötet. Zwar konnte ein Waffenstillstand erreicht werden. Der ist aber nicht stabil, es gab inzwischen wieder Tote. Der Machtkampf in Islamabad hält Pakistan von der Lösung chronischer Probleme ab.

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