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Machtkampf im KongoPremierminister abgewählt

Das Parlament im Kongo spricht Premier Ilunga das Misstrauen aus. Damit fordert Präsident Felix Tshisekedi seinen Vorgänger Joseph Kabila heraus.

Kann er das Kabila-Machtsystem ins Wanken bringen? Kongos Präsident Felix Tshisekedi Foto: dpa

Berlin taz | Der Machtkampf in der Demokratischen Republik Kongo zwischen Präsident Felix Tshisekedi und seinem Vorgänger Joseph Kabila spitzt sich zu. Das 500 Abgeordnete zählende Parlament in der Hauptstadt Kinshasa sprach am Mittwochabend mit 367 Stimmen von 382 Anwesenden dem Kabila-treuen Premierminister Sylvestre Ilunga das Misstrauen aus.

Kabila-treue Abgeordnete und Minister boykottierten die Sitzung. Premierminister Ilunga lehnte umgehend einen Rücktritt ab. In einer an das Parlamentspräsidium gerichteten Erklärung sagte er, er werde nicht zurücktreten, solange kein neues Parlamentspräsidium bestimmt worden sei. Dies habe er bei seinen Treffen mit Kabila und anderen Würdenträgern der Region Katanga in Lubumbashi, Hauptstadt von Katanga und zweitgrößte Stadt des Kongo, in den vergangenen Tagen geklärt.

Damit fordert der Premier direkt die Autorität des Präsidenten heraus und stellt dieser die Autorität von dessen Vorgänger entgegen. Auf diese Weise wird die Machtfrage im Kongo, die seit den Wahlen 2018 in der Schwebe geblieben war, neu gestellt.

Bei den Wahlen war Kabila nach knapp 18 Jahren an der Macht nicht mehr angetreten, aber sein Wunschkandidat hatte die Wahlen knallend gegen den wichtigsten Oppositionskandidaten Martin Fayulu verloren. Die Kabila-treue Wahlkommission erklärte daraufhin den schwächeren Oppositionskandidaten Felix Tshisekedi zum Wahlsieger, und der übernahm im Januar 2019 das Präsidentenamt. Kabila behielt ein informelles Vetorecht über wichtige Entscheidungen und weitreichende Vollmachten, seine Parteigänger bewahrten eine Zweidrittelmehrheit im Parlament und dominierten auch die Regierung unter dem von ihnen gestellten Premierminister Ilunga.

Expräsident hat sich in reicher Bergbauregion verschanzt

Erst im Dezember 2020 kündigte Tshisekedi das Bündnis mit Kabila auf und erklärte seine Absicht, eine eigene Parlamentsmehrheit zu suchen und eine eigene neue Regierung zu bilden, um die Erwartungen der Kongolesen auf Wandel nicht länger zu enttäuschen. Offenbar hat er es nun geschafft, zumindest die Mehrheitsverhältnisse im Parlament zu kippen.

Die bisherige Parlamentsleitung ist bereits abgesetzt, eine neue soll kommende Woche gewählt werden. Wichtige Schwergewichte der kongolesischen Opposition zu Kabila-Zeiten wie Jean-Pierre Bemba und Moise Katumbi, die bei den Wahlen 2018 noch Tshisekedis Kandidatur bekämpften, unterstützen jetzt Tshisekedi in seinen Bemühungen, eine breite Regierungskoalition namens „Heilige Union“ (Union Sacrée) zu bilden.

Wie sehr Tshisekedi – Sohn des historischen Führers der kongolesischen Demokratiebewegung, Etienne Tshisekedi – tatsächlich das Kabila-Machtsystem überwinden kann, bleibt jedoch offen. Der Expräsident hat sich in Kongos reichster Bergbauregion Katanga verschanzt, wo er die Politik dominiert und wo mächtige ehemalige Generäle aus seiner Amtszeit bewaffnete Gruppen unterhalten.

Zuletzt war vor einer Woche in Lubumbashi Ngoy Mulunda verhaftet worden, Chef der Wahlkommission bei den Wahlen 2011, als Kabila sich mittels Wahlmanipulation gegen Etienne Tshisekedi durchgesetzt hatte. Mulunda wurde am Dienstag zu drei Jahren Haft wegen Anstiftung zum Hass verurteilt. Er hatte auf einer Gebetsveranstaltung Kabila zum Führer Katangas erklärt und Nicht-Katangesen – also auch Päsident Tshiekedi – aufgefordert, sich aus Katangas Politik herauszuhalten.

Seine Verurteilung ist eine weitere Schwächung des Kabila-Lagers, das bisher davon ausging, im Kongo das Sagen zu haben, auch wenn es nicht mehr den Präsidenten stellt.

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