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Machtkampf im KongoTshisekedi will Neustart

Kongos Präsident Tshisekedi kündigt an, sich vom Bündnis mit seinem Vorgänger Kabila zu lösen. Er will nun „die Erwartungen des Volkes“ erfüllen.

Kriselig: Kongos Präsident Felix Tshisekedi im März 2020 Foto: Michael Brochstein/imago

Berlin taz | Eine Staatskrise droht in der Demokratischen Republik Kongo, nachdem Präsident Felix Tshisekedi angekündigt hat, seine Regierungskoalition mit seinem Vorgänger Joseph Kabila zu beenden.

In einer mit Spannung erwarteten Rede, die landesweit im Fernsehen übertragen wurde, kündigte Tshisekedi am Sonntagabend die „Neugründung des Landes“ an. Er werde unverzüglich einen „Informator“ zum Sondieren einer neuen Mehrheit im Parlament benennen und, sollte dies nicht gelingen, das Parlament auflösen und Neuwahlen ansetzen.

Die bisherige Koalition zwischen seinem Parteienbündnis CACH (Kurs auf den Wandel) und dem Kabila-Parteienbündnis FCC (Gemeinsame Front für den Kongo) werde von einer „überwältigenden Mehrheit“ der Bevölkerung abgelehnt, denn „sie hat sich als unfähig erwiesen, die Erwartungen und Hoffnungen unseres Volkes zu erfüllen“.

Diese Rede war die Kampfansage, auf die Tshisekedis Anhänger seit Monaten drängen. Denn Tshisekedi regierte bisher nur mit Kabilas Gnaden.

Kabila hatte ein faktisches Vetorecht

Nach den Wahlen Ende 2018 hatte der scheidende Präsident Joseph Kabila, dessen Wunschnachfolger durchgefallen war, das Amt des Präsidenten dem bei der Wahl eigentlich weit abgeschlagen gelandeten Tshisekedi geschenkt – im Gegenzug für weitreichende Privilegien und Immunitäten.

Die Kabila-treuen Kräfte dominieren seitdem die Regierung, stellen den Premierminister und halten eine Zweidrittelmehrheit im Parlament. Kabila war der starke Mann im Hintergrund, mit einem faktischen Vetorecht über alle wichtigen Entscheidungen.

Erst dieses Jahr geht Tshisekedi mutiger gegen Kabila-treue Käfte vor – mit spektakulären Korruptionsverfahren sowie Umbesetzungen im Verfassungsgericht. Das Kabila-Bündnis FCC ist darüber irritiert und benutzt das Parlament, um Initiativen des Präsidenten zu blockieren.

Im Oktober behauptete die FCC, es sei vereinbart, dass bei den nächsten Präsidentschaftswahlen 2023 Tshisekedi einen FCC-Kandidaten unterstützen müsse, nämlich Kabila selbst. Da Tshisekedis Partei davon ausging, 2023 endlich einen tatsächlichen Wahlsieg einzufahren und dann frei regieren zu können, war damit die Koalition faktisch erledigt, der Bruch nur noch eine Frage der Zeit.

Am 23. Oktober kündigte Tshisekedi „nationale Konsultationen“ über das weitere Vorgehen an, deren Ergebnis – der Bruch mit Kabila – jetzt vorgestellt wurde.

Auseinandersetzungen vor dem Parlament

Kongos Demokratiebewegung, die Tshisekedis Mauschelei mit Kabila 2019 als Verrat kritisiert hatte, ist nun begeistert. „FCC-CACH: es ist vorbei“, jubelte am Montag die Tshisekedi-treue Tageszeitung Le Phare und behauptete, der Kabila-treue Premierminister Sylvestre Ilunga sei abgesetzt, was nicht der Fall ist.

Am Montag jubelten Tshisekedi-treue Jugendliche vor dem Parlamentsgebäude in Kinshasa, während drinnen Kabila-treue Abgeordnete von Verfassungsbruch sprachen.

Die Tshi­se­ke­di-­Jugendlichen wollten verhindern, dass die zum Kabila-Lager zählende Parlamentspräsidentin Jeanine Mabunda das Gebäude erreicht und die Sitzung leitet, damit die Abgeordneten keine Beschlüsse gegen Tshisekedi fällen können. Die Polizei ging schließlich mit Tränengas gegen sie vor.

In einem offenen Machtkampf zwischen Tshisekedi und einem zum Oppositionsführer degradierten Kabila hätte der Präsident schlechte Karten, denn Kabila kann auf die Loyalität der wichtigsten Teile des Sicherheitsapparats sowie pensionierter Generäle mit erheblichen informellen Gewaltmitteln zählen.

Manche Beobachter sehen in der jüngsten Zunahme bewaffneter Überfälle und Massaker an Zivilisten im Osten des Landes bereits eine bewusste Destabilisierung.

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