MITGLIEDSCHAFT: Platzverweis rechtens
Werder Bremen gewinnt vor Gericht gegen den NPD-Funktionär Jens Pühse: Sein Rauswurf war rechtens - ein Signal auch für andere Vereine, die Rechtsextreme in den eigenen Reihen loswerden wollen
Der Vereinsausschluss von NPD-Funktionär Jens Pühse bei Werder Bremen ist rechtens. Daran ließen die Richter am Landgericht Bremen am Donnerstag keinen Zweifel. Ein schriftliches Urteil folgt Ende Januar – und ist ein Signal auch für andere Vereine. Der heutige NPD-Bundesgeschäftsführer Pühse hatte dagegen geklagt, im Juni 2011 vom Verein ausgeschlossen worden zu sein. Er war als Wahlkampfleiter der NPD erst kurz vor der Bremer Bürgerschaftswahl 2011 Mitglied geworden, hatte dies im Internet veröffentlicht und die Vereins-Raute mit dem Parteilogo kombiniert.
Bei dem Verfahren ging es Pühse um mehr als Fußball. Als „vorgezogenes Verbotsverfahren“ hatte die NPD den Erörterungstermin in Bremen angekündigt – eine PR-Strategie, die die NPD-Bundesvorsitzenden Holger Apfel und Udo Pastörs Anfang Dezember 2012 bekannt gegeben hatten, nur wenige Stunden bevor sich die Innenminister auf ihrer gemeinsamen Konferenz für ein erneutes NPD-Verbotsverfahren ausgesprochen hatten. „Auf dem Weg zum Verbotsverfahren werden wir eine breite Propaganda betreiben“, hatte Pastörs erklärt.
Das aber ließen die Richter in Bremen nicht zu. Pühse genoss die mediale Aufmerksamkeit, ließ sich von vier Jungnazis als Bodyguards begleiten. Er hoffte anscheinend, als Opfer „politischer Diskriminierung“ anerkannt zu werden. Pühse war im Bremer Wahlkampf für ein fremdenfeindliches Computerspiel mitverantwortlich, bei dem es darum ging, möglichst viele Ausländer „mit dem Zug“ nach Hause zu schicken.
Für Werder Bremen widerspricht Pühses NPD-Engagement dem Vereinszweck, Sport „als verbindendes Element zwischen Nationalitäten“ zu fördern, wie es in Paragraph 2 der Satzung heißt. Eine Argumentation, die „nachvollziehbar“ sei, so das Gericht. Zwar stehe das Diskriminierungsverbot aus Artikel 3 des Grundgesetzes gegen die Vereinsfreiheit aus Artikel 9. Allerdings sei die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes in dieser Frage klar: „Die Freiheit, wen ich als Mitglied nehme, reicht sehr weit“, so Richter Tobias Krämer. Werder Bremen sei „kein Monopol-Verein“, es bestehe „keine Aufnahmepflicht, wie es bei Gewerkschaften diskutiert wird“. Und die Vereinssatzung spreche sich eben für Integration aus.
Auf diesen Handlungsspielraum, die den Vereinen Satzungsänderungen und -Ergänzungen ermöglichen, wiesen die verschiedenen Beratungsinitiativen für Demokratie und gegen Rechtsextremismus im Norden regelmäßig hin. Versuchen doch NPD-Kader immer wieder in Sportvereinen durch ehrenamtliches Engagement in der Mitte der Gesellschaft Akzeptanz zu finden – eine Herausforderung gerade für kleine Vereine.
Das Regionalzentrum für demokratische Kultur Westmecklenburg verweist darauf, dass eine Satzungsänderung in allen Abteilungen diskutiert werden sollte, als Teil der Prävention. Das Mobile Beratungsteam Hamburg schlägt Sportvereinen vor, sich in der Satzung klar gegen eine „menschenverachtende Ideologie“ auszusprechen. Unterstützt von Fangruppen und Vereinen hat das Team einen Flyer erstellt.
Werder-Justiziar Tarek Brauer berichtet von zahlreichen Anfragen anderer Vereine, die ähnliche Probleme hätten. Man habe erst befürchtet, mit dem Verfahren „der NPD eine Bühne zu bieten“, so Brauer. Schon beim ursprünglichen Rauswurf hatte Werder den Medieneffekt berücksichtigt und das Ausschlussverfahren im Mai 2011 erst drei Tage nach der Bürgerschaftswahl begonnen.
Das Verfahren nun sei aber „ein Signal für die Vereine, die sich bislang zurückgehalten haben“, sagte Werders Vize-Präsident Hubertus Hess-Grunewald zur taz. Allerding wisse er nicht, „ob Dynamo Dresden ebenso verfahren kann, weil das Umfeld anders ist“. Dass die NPD und Werder nicht vereinbar seien, zeige schon das Parteiprogramm: „Es steht für eine deutsche Volksgemeinschaft“. „Absurd“ sei es, so Hess-Grunewald, „wenn die Kinder unserer Spieler nicht mit deutschen Kindern unterrichtet werden sollen oder die ausländischen Spieler hier kein Eigentum erwerben sollen.“
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