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MDR-Diskussion in ChemnitzMit Rechten reden

Der MDR lädt zur Diskussion über eine Chemnitz-Dokumentation ein Jahr nach den rechten Aufmärschen. Mit dabei: ein rechtsextremer Gast.

August 2018: Arthur Oesterle als Ordner bei einer rechten Demo in Chemnitz Foto: Tim Mönch

Es soll ein Rückblick werden. Ein Innehalten ein Jahr nach dem großen Rummel. Noch im August 2018 war Chemnitz in aller Munde. Nach dem Tod eines Chemnitzers mobilisierten Rechte zu wütenden Aufmärschen, die mit 6.000 Teilnehmenden ihren gewaltigen – und teils gewaltsamen – Höhepunkt erreichten.

Was haben diese rechten Demonstrationen mit der Stadt gemacht? Der MDR lädt für kommende Woche zur öffentlichen Voraufführung der MDR Reportage: „Chemnitz – Ein Jahr danach“ ein. Der Film zeige, wie es den Chemnitzer*innen ein Jahr nach den umstrittenen Vorfällen gehe, so der öffentlich-rechtliche Sender.

Einige Protagonist*innen sind im Anschluss zur Diskussion geladen. Darunter Arthur Oesterle, Oberbürgermeisterin Barbara Ludwig (SPD), Margarete Rödel (Grüne Jugend), Prof. Dr. Olfa Kanoun (Technische Universität Chemnitz) und Wolf-Dieter Jacobi (Programmdirektor des MDR). Der Chemnitzer Journalist Johannes Grunert twitterte nach Bekanntwerden der Gäste, der MDR hebe mit der Einladung Oesterles „#mitrechtenreden auf eine neue Stufe“. Denn: Der Mann mit dem langen Bart ist kein gewöhnlicher Podiumsgast.

Ordner für Pro Chemnitz

Zwar wird Oesterle als Vertreter der AfD angekündigt, tatsächlich war er bei den Aufmärschen 2018 jedoch in der Funktion eines Pro-Chemnitz-Demonstrations-Ordners dabei. Pro Chemnitz, das ist jene selbsternannte „Bürgerbewegung“, die an der Seite der AfD die sogenannten Trauermärsche in Chemnitz organisierte und dafür Rechte von Björn Höcke bis zu neonazistischen Hooligans mobilisierte.

Die Gruppe gilt als extrem rechts, wird seit 2018 vom Verfassungsschutz beobachtet. In einer im Januar veröffentlichten Neubewertung hieß es seitens der Behörde, es lägen „tatsächliche Anhaltspunkte für ziel- und zweckgerichtete Verhaltensweisen vor, die wesentliche Schutzgüter der freiheitlichen demokratischen Grundordnung bekämpfen“, darunter „insbesondere die Garantie der Menschenwürde, das Recht auf körperliche Unversehrtheit, den Gleichheitsgrundsatz, die Gewaltenteilung und das Gewaltmonopol des Staates“.

Tim Mönch hat Oesterle auf den Chemnitzer Aufmärschen beobachtet. Der freie Journalist sagt, Oesterle habe bei den Aufmärschen in Chemnitz als Ordner von Pro Chemnitz eine führende Rolle übernommen. „Sein Wort hatte auf den Demonstrationen starkes Gewicht“, sagt Mönch. Anfang 2019 sei Oesterle dann das erste Mal bei einem Europaparteitag der AfD in Riesa gesichtet worden – wie er Stimmzettel verteilte. Mönch ordnet ihn „irgendwo zwischen AfD und Pro Chemnitz“ ein.

Der MDR weiß von diesen Verbindungen. Nur ein Jahr zuvor schrieb das Investigativmagazin des Senders Exakt: „Arthur Oesterle ist Chefordner der Bürgerbewegung Pro Chemnitz.“ Und weiter: „Er unterstützt die AfD und ist beim rechten Verein Heimattreue Niederdorf aktiv.“ Heimattreue Niederdorf ist ein Heimatverein im sächsischen Erzgebirge. Auch dieser wird vom Verfassungsschutz beobachtet. Schon 2018 lief Oesterle bei einem Marsch der extrem rechten Kleinpartei „Der III. Weg“ mit.

Für die AfD sind weder eine Aktivität Oesterles bei Pro Chemnitz noch bei der Heimattreue Niederdorf ein Problem – obwohl Pro Chemnitz seit wenigen Monaten auf ihrer Unvereinbarkeitsliste steht.

Der Sender selbst begründete auf taz-Anfrage die Einladung damit, dass Oesterle Protagonist im Film sei. „Seine Rolle bei den Ereignissen in Chemnitz wurde und wird thematisiert und transparent gemacht“, so Sprecherin Susanne Odenthal. Man wolle die gesamte Bandbreite des Films widerspiegeln. „Seine Geschichte ist Teil der politischen Realität in Chemnitz.“

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6 Kommentare

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  • Tja, schwierig, schwierig. Einerseits..., aber andererseits...

    Das Thema Rechte in Talkshows und TV-Sendungen ist eines, das wir nicht ewig auf die lange Bank schieben können. Früher oder später muss dieses Land einen Weg des Umgangs finden, der sowohl unseren freiheitlichen Grundwerten entspricht, aber gleichzeitig auch dem Grundsatz der Fairness und Nicht-Diskriminierung nicht entgegen steht (Ja, ich weiß, es ist schon ziemlich absurd in Bezug auf Nazis von Nicht-Diskriminierung zu reden, aber ich denke, es ist verständlich, worauf ich hinaus will).

    Die Begründung des MDR, dass der Oesterle-Nazi ein Protagonist im Film ist und deshalb einen Anspruch auf eine Teilnahme an der Sendung hat, finde ich nicht ganz von der Hand zu weisen, so ungern ich persönlich ihm dieses Recht auch einräumen möchte.

    Auf der Moderation der Sendung und den anderen Gästen liegt nun ein gewaltiger Druck, denn es ist folglich an ihnen, die Diskussion wachsam und klug zu führen, damit der Nazi die Sendung nicht für seine Zwecke instrumentalisieren kann.

    Ich kann nur hoffen, dass der MDR es nicht verkackt. Auf eine Neuauflage des grandiosen Scheiterns Frank Plasbergs bei "Hart aber Fair", wo er dem Rheinland-Pfälzischen AfD-Vorsitzenden Uwe Junge beinahe widerstandslos die große Bühne überließ, kann und muss diese Land unbedingt verzichten!

    • @Grandiot:

      Es läuft auf das übliche Muster hinaus, wenn in irgendeiner Diskussionsrunde ein Rechter (irgendwo aus dem Spektrum von Populist bis Neonazi) dabei ist: Er gerät automatisch in den Mittelpunkt der Diskussion, weil natürlich jeder andere Diskussionsteilnehmer für sich bestrebt ist, ihm Kontra zu bieten. Damit hat er die Diskussion faktisch in der Hand.

      • @Bitbändiger:

        Das ist auf jeden Fall ein berechtigter Einwand, denn es ist eine Falle, in die die TV-Moderatoren leider immer wieder hineingeraten. Dabei wäre es so einfach, Abhilfe zu schaffen, indem man z.B. jedem Gast die gleiche Redezeit einräumt. Die Einhaltung dieser zu überwachen und ggf. einzuschreiten, wenn einer überziehen will, ist Aufgabe der Moderation bzw. Redaktion aus dem Off. Aber, eine solche Sendung möchte man in den Redaktionen vermutlich gar nicht haben, da nicht aufregend genug...

        • @Grandiot:

          Die "Diskussion mit der Stoppuhr", lieber @GRANDIOT, löst nicht das Problem, dass in solchen Konstellationen, sei es durch die Teilnehmer oder gar die Moderatoren, die Diskussion an den Agenda des Rechtsauslegers hängenbleibt. Das übelste Beispiel dafür war das "Kanzlerduell" Merkel ./. Schultz 2017, das sich nach gelungenem Aufschlag des SAT1-Moderators Claus Strunz zu mindestens 75% mit dem AfD-Lieblingsthema beschäftigte.

          Irgendwann muss es zulässig sein, der Taktik, jeden Morgen aufs Neue einen Beweis zu verlangen, dass die Erde keine Scheibe ist, auch mal sehr prononciert entgegenzutreten.

  • 8G
    88181 (Profil gelöscht)

    „Chemnitz – Ein Jahr danach“

    Sagen Sie doch einmal Herr Oesterle, wie war das damals für Sie als Nazi?

  • Rassismus ist keine Meinung, sondern eine Menschen verachtende Ideologie. Die sind komplett bescheuert beim MDR.