Lukaschenkos Reisepass-Erlass: Schaut nach Belarus!
Seit Beginn von Russlands Krieg gegen die Ukraine laufen Menschenrechtsverletzungen in Belarus zusehends unter dem Radar. Zu Unrecht.

D en Belaruss*innen das Leben in ihrem Land zur Hölle zu machen – darin hat es Staatschef Alexander Lukaschenko mittlerweile zu einer gewissen Perfektion gebracht. Jetzt sind diejenigen seiner Landsleute an der Reihe, die im Ausland leben. Per Erlass, der an diesem Donnerstag in Kraft tritt, sind sie künftig gezwungen, behördliche Angelegenheiten, wie die Verlängerung oder Ausstellung eines Passes, in persona vor Ort zu erledigen.
Die Zielgruppe ist leicht zu identifizieren: Vor allem geht es um Menschen, die im Zuge der Massenproteste gegen die gefälschte Präsidentenwahl am 9. August 2020 Belarus verlassen mussten, um einer Bestrafung zu entgehen.
Das ist nicht der erste Versuch abgängige Staatsbürger*innen, womöglich auch noch gut qualifiziert, zurückzuholen. 2021 legte Belarus unter dem wohlklingenden Namen „Weg in die Heimat“ ein staatliches Programm auf. So manche, die sich auf dieses Wagnis einließen, landeten im Gefängnis. So weit, so wenig überraschend. Allein im vergangenen Juni sollen es 40 Personen gewesen sein. Jetzt steigt der Leidensdruck weiter.
Die Oppositionspolitikerin Swetlana Tichanowskaja, die unter Lukaschenko-Gegner*innen nicht unumstritten ist, meinte die Belaruss*innen vor einer Reise nach Hause warnen zu müssen. Aber anstatt nur darüber zu reden, was sowieso offensichtlich ist, sollte sie lieber dazu beitragen, für die Exilierten wieder Willen vor Ort praktikable Lösungen zu finden. Will heißen: Menschen, die ohnehin in ständiger Anspannung leben, möglichst unbürokratisch zu entsprechenden Dokumenten nebst einem gesicherten Status zu verhelfen. Und das möglichst EU-weit.
Menschenrechtsverletzungen unterm Radar
Alles andere hieße, sie einem Regime ans Messer zu liefern, unter dem die Zahl von Repressionsopfern und politischen Gefangenen stetig wächst. Diese schweren Menschenrechtsverletzungen laufen seit dem Beginn von Russlands Krieg gegen die Ukraine zusehends unter dem Radar. Zu Unrecht.
Nach Belarus schauen, lautet die Devise. Lukaschenkos jüngster Ukas, wie derlei Anordnungen dort genannt werden, sollte dafür Anlass genug sein.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Friedensforscherin
„Wir können nicht so tun, als lebten wir in Frieden“
Prozess gegen Maja T.
Ausgeliefert in Ungarn
Klimaneutral bis 2045?
Grünes Wachstum ist wie Abnehmenwollen durch mehr Essen
CDU-Chef Friedrich Merz
Friedrich der Mittelgroße
ifo-Studie zu Kriminalitätsfaktoren
Migration allein macht niemanden kriminell
Bundesregierung und Trump
Transatlantische Freundschaft ade