Luftexpertin über Grenzwerte: „Messen macht die Luft nicht besser“
Neue Stickoxid-Messungen in München zeigen eine gesunkene Belastung der Luft. Ist alles nicht so schlimm? Eine Expertin des Umweltbundesamtes antwortet.
taz: Frau Dauert, die Stadt München hat eigene Messungen zu Stickoxiden in der Luft durchgeführt und kommt auf niedrige Werte. Eine Konkurrenz zu den offiziellen Messungen des Landesumweltamtes (LfU)?
Ute Dauert: Grundsätzlich sind zusätzliche Messungen nicht schlecht, sie bedeuten ein Mehr an Information. Und die Ergebnisse der Stadt München zeigen, dass an vielen Stellen die Grenzwerte eingehalten werden. Das ändert aber nichts daran, dass die Stationen des LfU über viele Jahre und auch 2018 Überschreitungen festgestellt haben – und nicht zu knapp.
Wie erklären Sie sich die unterschiedlichen Ergebnisse?
Die Luftqualitätsrichtlinie fordert, die Messungen an den Orten mit höchster Belastung vorzunehmen, nämlich an besonders befahrenen Straßen. Das macht das LfU vor allem. Wenn dort ein Grenzwert eingehalten wird, kann man davon ausgehen, dass er überall eingehalten wird. Die Stadt hingegen hat vor allem in Wohngebieten gemessen. Dass die Werte hier eingehalten werden, überrascht nicht. Zu diesem Ergebnis kam auch das LfU.
An den Orten mit höchster Belastung sind die Stationen der Stadt nicht präsent?
In dem Bericht kommt etwa die Landshuter Allee nicht vor. 2017 hat die aber deutschlandweit den höchsten Stickoxid-Wert geliefert. Auch 2018 war sie noch vorne dabei.
Nun wird kritisiert, dass das LfU abseits der fünf Messstationen in München die Belastung für andere Straßen anhand von Werten aus 2015 nur hochrechnet. Warum macht es das?
In die Zukunft kann man nicht messen, man kann nur modellieren. In diese Modelle fließen Infos wie das Verkehrsaufkommen und welche Art von Pkw fahren. Das ergibt eine Vorlage, wie die Luftqualität in anderen Straßen aussieht. Wie viele Messstationen in einer Stadt stehen müssen, ist vorgegeben. Möglichst viel Messen macht die Luft nicht automatisch besser und ist mit viel Aufwand und Geld verbunden.
53, ist Meteorologin und Expertin für Luftqualität beim Umweltbundesamt
Durch die niedrigeren Messwerte der Stadt München stellen Kritiker*innen nun generell Stickoxid-Messungen und damit verbundene Dieselverbote in Frage. Was sagen Sie dazu?
Ein Vorwurf lautet immer wieder, wir würden nur auf Straßen messen mit besonders viel Verkehr, enger Bebauung und schlechtem Luftaustausch. Aber auch dort wohnen Menschen und deshalb muss man genau dort messen. Mein Eindruck ist, dass in der Öffentlichkeit bewusst falsche Informationen verbreitet werden, um die Belastbarkeit der Messdaten zu diskreditieren.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Bis Freitag war er einer von uns
Elon Musk und die AfD
Die Welt zerstören und dann ab auf den Mars
Anschlag in Magdeburg
Der Täter hat sein Ziel erreicht: Angst verbreiten
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Tarifeinigung bei Volkswagen
IG Metall erlebt ihr blaues „Weihnachtswunder“ bei VW
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen