Luft schnappen: Fahrverbot – vielleicht
Senat will bis zum 30. Juni einen Luftreinhalteplan vorlegen. Den Streit um Fahrverbote dürften Gerichte entscheiden
Fahrverbote für Diesel hatte Kerstan bereits im Juli vorigen Jahres ins Gespräch gebracht, damit aber Widerspruch von Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) provoziert: „Fahrverbote sind mit mir nicht zu machen“, stellte der klar. In letzter Konsequenz aber werden nicht Politiker, sondern Richter darüber befinden, welche Maßnahmen zu ergreifen sind.
Denn im November 2015 hatte das Verwaltungsgericht Hamburg auf Klage der Umweltorganisation BUND die Stadt verurteilt, bis zum 30. Juni 2017 den bisherigen Luftreinhalteplan so fortzuschreiben, dass dieser „die erforderlichen Maßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung“ des Grenzwerts für Stickstoffdioxid (NO2) in der Atemluft einleite (siehe Kasten). Dies habe die Stadt bisher versäumt, stellte das Gericht fest.
Nach Berechnungen des BUND leiden mehr als 200.000 HamburgerInnen unter gesundheitsschädlicher Atemluft. Im Jahresdurchschnitt liegt die Belastung an den Messstationen Habichtstraße (Barmbek) und Max-Brauer-Allee (Altona) bei mehr als 60 Mikrogramm pro Kubikmeter Atemluft, an der Kieler Straße (Stellingen) und an der Stresemannstraße (Altona) knapp unter 50 Mikrogramm. Der EU-Grenzwert liegt bei lediglich 40 Mikrogramm.
Mit dem Urteil vom 5. November 2014 verpflichtete das Verwaltungsgericht Hamburg den Senat zum Handeln. Eine konkrete Vorgabe wie die Einführung einer Umweltzone machte das Gericht nicht.
Rechtskräftig ist das Urteil seit April 2015. Weil der Senat dennoch keine Maßnahmen unternahm, verurteilte das Gericht auf Antrag des BUND im März 2016 die Stadt zur Zahlung eines symbolischen Zwangsgeldes.
Stickstoffdioxid gilt als Auslöser für Atemwegserkrankungen und Herz-Kreislauf-Krankheiten. Für etwa drei Viertel dieser Emissionen ist unstrittig der Autoverkehr verantwortlich.
An vier von 16 Luftmessstellen in der Stadt werden die Grenzwerte permanent um bis zu 50 Prozent überschritten.
Als erstes Bundesland hatte sich die grün-schwarze Landesregierung in Baden-Württemberg Anfang vergangener Woche auf zeitweilige Fahrverbote für die Landeshauptstadt Stuttgart geeinigt. Ab 2018 werden an Tagen mit extrem hoher Feinstaubstoffbelastung etliche Straßen im Zentrum von Stuttgart für Dieselfahrzeuge gesperrt, die nicht über die strengste Abgasnorm Euro 6 verfügen.
Die Situation in Stuttgart sei nicht auf Hamburg übertragbar, sagt Umweltbehördensprecher Dube. Hamburg habe kein Problem mit Feinstaub, der hauptsächlich aus Dieselmotoren stammt, sondern mit Stickstoffdioxid. Wie die Grenzwerte dafür eingehalten werden können, „lässt sich erst sagen, wenn alle Berechnungen vorliegen und diese ausgewertet sind“. Das werde voraussichtlich im April der Fall sein.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind