Ludwig und Press & Book kicken „Compact“: Weniger Brauntöne im Bahnhof
Das rechtsextreme Magazin „Compact“ verschwindet aus dem Bahnhofsbuchhandel. Ein Eingriff in die Pressefreiheit, um die Pressefreiheit zu schützen.
![Eine Frau trägt eine Werbeplakat für das magazin Compact Eine Frau trägt eine Werbeplakat für das magazin Compact](https://taz.de/picture/6813897/14/Bahnhofsbuchhandlung-Compact-Pressefreiheit-1.jpeg)
D ie selbst ernannte „Stimme des Widerstandes“ könnte leiser werden. In gut sortierten Bahnhofsbuchhandlungen war Compact, das „Magazin für Souveränität“, schon länger nicht mehr in der Auslage zu finden. In vielen weiteren Zeitschriftenläden am Bahnhof verschwindet es spätestens jetzt aus den Regalen. Das Unternehmen Valora, das 192 Verkaufsstellen betreibt, nimmt Compact aus dem Programm. Und auch das Unternehmen Dr. Eckart wird Compact in seinen mehr als 400 Stellen nicht mehr verkaufen. Mittlerweile zog Lagardère Travel Retail, die unter anderem die Relay-Fillialen in Flughäfen und Bahnhöfen verantworten, nach. Es wird die Verbreitung des Magazins mit einer Auflage von immerhin 40.000 Exemplaren erschweren. Das war nötig.
Bereits 2021 hat das Bundesamt für Verfassungsschutz das Magazin um Chefredakteur Jürgen Elsässer als gesichert rechtsextremistisch eingestuft: Compact sei das Magazin für und aus dem gesamten rechtsextremen Milieu. Seit 2013 verantwortet Elsässer, der früher mal als Redakteur für Junge Welt arbeitete, das monatlich erscheinende Heft. Ein Querfrontprojekt, wo Linke und Rechte in einen gemeinsamen Dialog treten können, sollte das Magazin ursprünglich werden. Doch schon die „Nullnummer“ zierte ein Bild von Thilo Sarrazin inklusive der wohlwollenden Spekulation darüber, ob er der „nächste Bundeskanzler“ werden könnte. Jüngst hielt die Redaktion mit Sitz im brandenburgischen Falkensee auf dem Cover folgerichtig nun auch Sahra Wagenknecht für „die beste Kanzlerin“.
Die politischen Positionen von Elsässer scheinen sich nach den rechten Ressentiments zu richten, die gerade fluktuieren. So finden sich antiislamischer Hass und rassistische Hetze neben antifeministischen Anfeindungen und antisemitischen Assoziationen. In der verbreiteten Vision eines völkischen Nationalismus sind „die Grünen“ die zentralen Feinde.
Magazin will Regime Change von rechts
Zwei „starke Männer“ werden im Heft dafür stets wohlwollend erwähnt: Trump und Putin. Eine Marktorientierung, die nur noch einer Richtung folgt: immer weiter nach rechts. Ganz frühe Mitstreitende des „Genossen Jürgen“ betonten schon vor Jahren, dass Elsässer das revolutionäre Subjekt „Proletariat“ gegen „Volk“ ausgetauscht habe.
Dass das Magazin einen „Regime Change von rechts“ anstrebt, verheimlicht die Redaktion nicht. Ein Werbeslogan lautet: „Abonnieren Sie die Revolution“. Die Mobilisierung zum Widerstand ist die Intention der Redaktion. Nicht erst bei den Protesten gegen die staatlichen Coronamaßnahmen hoffte sie die Verhältnisse zum Tanzen zu bringen. Jede Anfeindung, jeden Angriff auf die ausgemachten Systemparteien und -presse scheint die Redaktion zu befeuern.
Die Autor:innen und Interviewpartner:innen sind ein Who’s Who eines Milieus, das sich zwischen rechtsextremen Ressentiments und Verschwörungsnarrativen bewegt. Thüringens AfD-Chef Björn Höcke kommt ausführlich zu Wort, aber nicht nur das. Die Compact bietet auch einen „Höcke Taler“ an. Der ehre „bedeutende Patrioten“ und sei ein „patriotisches Bekenntnis“. Preis: 69,95 Euro. Auch Alice Weidel findet unter anderem beim hauseigenen „Compact TV“ statt.
Nur ein rechtes Medium unter vielen
Dass Valora und Dr. Eckart Compact nun endgültig nicht mehr für tragbar halten, könnte vor allem an zwei Autoren des Magazins liegen: Martin Sellner und Mario Müller, beide aus der rechtsextremen Identitären Bewegung kommend. Beide waren Teil des Treffens von Rechtsextremen in Potsdam, dessen Inhalte durch Correctiv-Recherchen öffentlich wurden. Sellner sprach über die „Remigration“, Müller brüstete sich, für eine gewalttätigen Übergriff mitverantwortlich zu sein.
Valora und Dr. Eckart erklären in wortgleichen Pressemitteilungen, dass „die Pressefreiheit an oberster Stelle“ stehen würde: „Wir wollen aber denjenigen, die die freiheitlich-demokratische Grundordnung Deutschlands – und damit auch die Presse- und Meinungsfreiheit – verächtlich machen und darauf abzielen, sie zu überwinden, keine Plattform bieten“.
Ein Eingriff in die Pressefreiheit, um die Pressefreiheit zu schützen: Das ist nicht zwangsläufig ein Paradoxon. In den Bahnhofsbuchhandlungen finden sich jedoch immer noch einschlägige Publikationen, von Zuerst. Deutsches Nachrichtenmagazin bis hin zu Die Kehre. Zeitschrift für Naturschutz. Die gebotene Reaktion des Unternehmens offenbart aber auch, welche Spielräume sich eröffnen, wenn eine „rechtsextremistische Markierung“ besteht. Was würde solch eine bundesweite Markierung wohl für die AfD bedeuten?
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Tabubruch der CDU
Einst eine Partei mit Werten
Social-Media-Star im Bundestagswahlkampf
Wie ein Phoenix aus der roten Asche
Mitarbeiter des Monats
Wenn’s gut werden muss
Gerhart Baum ist tot
Die FDP verliert ihr sozialliberales Gewissen
80 Jahre nach der Bombardierung
Neonazidemo läuft durch Dresden
Krieg und Rüstung
Klingelnde Kassen