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Ludwig-Erhard-GipfelWeimers Wort-Inkontinenz

Nach dem Wirbel um seinen Gipfel wirken Wolfram Weimers ständige Warnungen noch bizarrer. Denn vor Interessenskonflikten warnte er bisher nicht.

Er warnt: Wolfram Weimer, Staatsminister für Kultur und Medien Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa

M edienstaatsminister Wolfram Weimer hat nach Gendern und Digitalabgabe ein neues Projekt. „Weimers Warnungen der Woche“ sollen immer auf Position 1 im World Wide Web stehen. „Weimer warnt vor rechter Vereinnahmung“, „Weimer warnt Sender vor Ausschluss Israels“, „Weimer warnt: ‚Wer die DDR verklärt, bereitet den Boden für neue autoritäre Versuchungen‘“, „Weimer warnt vor Ausbeutung der Literatur durch Tech-Konzerne“, „Weimer warnt vor Politisierung der Kunst“, „Weimer warnt vor digitalem Kolonialismus“, „Weimar warnt: Mitte soll gegen AfD zusammenstehen“, „Weimer warnt vor ProSiebenSat.1-Übernahme“ – die Liste ließe sich beliebig fortsetzen.

Bevor’s jetzt ins Wochenende ging, setzte Weimer am Freitag bei der Tagung des Grimme-Instituts zur „Digitalen Souveränität“ noch schnell ’ne Mega-Warnung ab. „Wolfram Weimer warnt vor Zusammenbruch des freien Mediensystems“, titelte z. B. Springers Welt. Fun-Fact: Die Tagung fand in Berlin bei, öhm, Google statt.

Doch bevor das freie Mediensystem an seinen ganzen Phrasen bzw. Google zusammenbricht, hätten wir auch noch ’ne Botschaft an Warner Wolfram. Er soll uns bitte nicht länger mit seiner Weimer Media Group hinter die Fichte führen. Der Laden wird jetzt offiziell von seiner Frau geführt und er will nun auch noch seine Anteile an einen Treuhänder übergeben.

Das ändert aber wenig daran, dass er vermutlich weiterhin Interesse daran hat, dass seine lustige Truppe Gewinn macht. Den der Treuhänder dann irgendwann mit treuen Händen an Wolfram W. zurückreicht.

Ethisch bleibt ein Geschmäckle

Rein formal mag das alles plietsch sein. So wie damals, als ein gewisser Leo Kirch, dem Sat.1 gehörte, rein gar nichts mit dem Pro-Sieben-Besitzer Thomas Kirch zu tun hatte. Außer, dass das sein Sohn war. Als das Medienrecht geändert wurde und Papa Kirch beide Sender haben durfte, versank Sohnemann ohne Dank in der Versenkung.

Ein Schicksal, das Christine Goetz-Weimer hoffentlich erspart bleibt. Wo sie doch dieses Jahr schon freiwillig wegen der Tegernsee-Welle auf den Bayerischen Verfassungsorden verzichten wird.

Ethisch bleibt aber ein Geschmäckle, doch das umgab Weimers Group schon immer. Schließlich organisiert sie am See seit Jahren den Ludwig-Ehrhard-Gipfel. „Da vos“ halbe Kabinett mit Wirtschaftsbossen schunkelt, die für so viel Lobbyismus ordentlich Kohle lassen. Alle simulieren Weltpolitik und damit die Rendite richtig stimmt, sponsert der Freistaat sechsstellig mit, will das jetzt aber nochmal prüfen.

„Weimer warnt vor Interessenkonflikt“ kam vom Staatswarnminister bislang aber noch nicht. Um davon abzulenken, ergeht er sich lieber in Unwörter-Inkontinenz, so von wegen „Weimertar“-Avatar, oder „Leuchtland Deutschland“. Bei der Grimme-Tagung wurde Europa jetzt wegen seiner tollen kreativen Inhalte allen Ernstes zum „Content-inent“. Die Mitbewohnerin warnt: „Der Autor hat selbst einen Interessenkonflikt. Mag er doch selbst Unwörter-Kreationen, nur nicht die von anderen.“

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Steffen Grimberg
Medienjournalist
2000-2012 Medienredakteur der taz, dann Redakteur bei "ZAPP" (NDR), Leiter des Grimme-Preises, 2016/17 Sprecher der ARD-Vorsitzenden Karola Wille, ab 2018 freier Autor, u.a. beim MDR Medienportal MEDIEN360G. Seit Juni 2023 Leitung des KNA-Mediendienst. Schreibt jede Woche die Medienkolumne "Flimmern und rauschen"
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