Lost & Found: Vom Klingeln aufgegebener Handys
Zum allerersten Mal haben BVG und S-Bahn ein gemeinsames Fundbüro eröffnet. Oder genauer: zwei Fundbüros unter einem gemeinsamen Dach.
Und was war bislang so das Skurrilste?“ Lädt man die Presse wie am Montag zur Eröffnung eines Fundbüros, wird das natürlich im Akkord gefragt. Die BVG-Mitarbeiter, die gerade ihre neuen Räume bezogen haben, erzählen dann Geschichten von der Beinprothese und dem Rucksack mit dem Spritzenbesteck eines Drogensüchtigen, den eine Verwandte mit dem Totenschein in der Hand abholte.
Wer sein Tablet oder die dritten Zähne in Bus oder Bahn verloren hat, kann sie ab sofort am S- und U-Bahnhof Warschauer Straße suchen gehen – egal ob die Dinge im Herrschaftsbereich der BVG oder der S-Bahn verlustig gegangen sind. Die Räume beherbergen genau genommen zwei Fundbüros, mit zwei Lagern und zwei Kundentresen.
Während für die BVG nur der Standort neu ist, stellt das S-Bahn-Büro ein echtes Novum dar: Bislang wurden die bei der DB-Tochter abgegebenen Fundstücke eine Woche in Lichtenberg zwischengelagert und dann an die Zentralstelle in Wuppertal geschickt. Aus der Sicht all derer, die beide Verkehrsträger kombinieren, war das absurd.
Noch stehen also im S-Bahn-Lager leere Rollregale, die auch ein kleineres Stadtarchiv aufnehmen könnten, während die BVG-Seite gut bestückt ist: neben Standard-Trouvaillen wie Schals und Schlüsseln auch mit einer Ukulele, einem Brecheisen, roten Highheels, einem Set Boulekugeln, einer Captain-America-Puppe und einer XXL-Packung Toptil 100 Vollwaschmittel.
Nur ein Drittel wird abgeholt
Auch Lesestoff ist dabei, wobei man sich fragt, wie unglücklich der Verlust von „Try Hard: Warum dein Glück kein Zufall ist“ oder „Raddampfer aus aller Welt“ macht. Überhaupt: Von den jährlich 60.000 bis 70.000 Gegenständen, die allein bei der BVG eingehen, wird nur ein Drittel abgeholt, der Rest wird nach sechs Wochen Lagerzeit versteigert oder vernichtet.
Warum vieles gar nicht gesucht wird? Vielleicht weil die meisten gar nicht mit einem Wiedersehen rechnen. Kein Wunder, dass BVG-Chefin Sigrid Nikutta die Medienvertreter bittet, mal eine gute Nachricht zu verbreiten: „Die Berliner sind ehrlicher, als die Leute glauben“, sagt sie, „hier warten sogar volle Geldbörsen und nagelneue Smartphones auf ihre Besitzer.“
Letztere liegen dicht gepackt in großen Schubladen. Klingeln die nicht dauernd? „Klar“, weiß Teamleiter Fabian Rickauer, „aber finden Sie mal auf Anhieb das richtige Gerät.“ Er glaubt, dass der Wert der Geräte für die NutzerInnen stark nachgelassen hat, seit Kontaktdaten oder Fotos in der Cloud gespeichert werden. „Es gibt doch die Ortungsfunktion, damit müssten die Leute eigentlich hier Schlange stehen“, sagt er achselzuckend. „Kommt aber keiner.“
Rudolfstraße 1–8, Mo./Di./Fr. 9–18 Uhr, Do. 9–20 Uhr, bvg.de/fundbuero
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