Lollapalooza-Festival in Berlin: Die Realität des Musikbetriebs
Erstmals findet in Deutschland das Lollapalooza-Festival statt. Man darf befürchten, dass es ein eher austauschbares Format sein wird.
In diesen Tagen färbt sich am ehemaligen Flughafen Tempelhof in Berlin alles bunt. Bühnen und Stände sind in grelle, psychedelische Farben gehüllt. Das Lollapalooza-Festival steht bevor - erstmals findet die in den USA legendäre Musikveranstaltung an diesem Wochenende in Deutschland statt. 45.000 Menschen werden an beiden Tagen erwartet, das Festival ist ausverkauft – bei Ticketpreisen zwischen 99 und 139 Euro. Große Rockacts wie Muse oder die Beatsteaks treten auf.
Es ist keine Frage, dass bei dem Spektakel jede Menge guter Künstler (das „innen“ lassen wir an dieser Stelle mal weg, dazu gleich) zu sehen sein werden. Man darf sich aber fragen, ob das Festival mit dem klingenden Namen wirklich ein zeitgemäßes, vorwärtsgewandtes Format ist, das auch das Polyphone einer Stadt wie Berlin gut wiedergibt. Ist das deutsche Lollapalooza wirklich so grell, bunt und divers wie es zu sein vorgibt?
Zumindest sind einige Punkte bedenkenswert. So ist es vom Musikprogramm ein sehr weiß und männlich dominiertes Festival geworden – Doctorella-Gitarristin und Popjournalistin Sandra Grether rechnete kürzlich bei einer Podiumsdiskussion vor, dass knapp 90 Prozent der Auftretenden weiße Männer seien. Dazu sollte man sagen, dass – wenn vielleicht auch nicht in so krassem Maße – bei den großen, westlichen Musikfestivals die weißen Männer immer in der Überzahl sind. Was es nicht besser macht.
Darauf angesprochen sagt Lollapalooza- Booker Stefan Lehmkuhl, er scheitere zum Teil an den Realitäten des Musikgeschäfts: „Ich achte wirklich sehr darauf, wen ich buche“, sagt er, „andererseits halte ich es für unrealistisch, ein vollständig politisch korrektes Line-Up zu haben.“ Er spreche nicht nur vom Frauenanteil, sondern auch von der Berücksichtigung schwarzer Künstlerinnen und Künstler oder LGBT-Personen.
Knapp 90 Prozent weiße Männer
Man habe mit Florence + The Machine unbedingt einen weiblichen Headliner buchen wollen – das sei an der Gage gescheitert. Was man dann aber auch anmerken darf: Die Realitäten des Musikgeschäfts werden sich nicht ändern, wenn die großen Musikunternehmen und Festivalmacher (auch da sparen wir uns vorerst mal das „innen“), wozu die veranstaltende Hörstmann Gruppe in Deutschland gehört, sie nicht ändern.
Man vermisst darüber hinaus eine eigene Sprache des Festivals. „Es ist kein Importfestival, wir setzen in Berlin eigene Akzente“, sagt Lehmkuhl – und meint damit etwa den höheren Anteil an Kleinkunst und bildender Kunst. Dennoch fragt man sich, wo diese sonst noch liegen – abgesehen von den deutschen Bands, die nun auftreten und die einen denken lassen, Berlin habe ein eigenes Rock am Ring.
Es gab auch unter den der großen, kommerziellen Festivals immer wieder gute, frische Formate, die kuratorisch eine Leerstelle füllten. Das Melt-Festival (ebenfalls Hörstmann Gruppe) gehört sicher dazu. Vielleicht im vergangenen Jahr das A Summer‘s Tale-Festival in Niedersachsen, das Musik, Film, Literatur und Debatten zusammenbrachte. Beim deutschen Lollapalooza aber darf man vorab mutmaßen, dass es ein eher austauschbares Format sein könnte.
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