Löhne in der Textilindustrie: 14 Cent mehr sichern Existenz
Schon ein geringer Lohnaufschlag könnte für Beschäftigte in Südasien viel bewirken. Händler wie KiK wehren sich gegen eine Initiative.
Das ist eine Herausforderung für konventionelle Hersteller. Der Verein Fair Fashion Network, ein Zusammenschluss ethisch orientierter Firmen, sammelt Unterschriften. Einige tausend Unterzeichner sprechen sich dafür aus, dass auch die Beschäftigten der Zulieferbetriebe von Konzernen wie H&M und KiK höhere Löhne bekommen.
ArbeiterInnen in Indien, Bangladesch und anderen Ländern der Textilproduktion erhalten oft nur Gehälter zwischen 50 und 100 Euro pro Monat, die sich an staatlichen Mindestlöhnen orientieren. Diese decken meist nur die Grundbedürfnisse wie Essen und Unterkunft ab. Eine existenzsichernde Bezahlung müsste viel höher sein, damit Beschäftigte sich etwa medizinisch behandeln lassen und ihre Kinder zur Schule schicken können.
Der deutsche Textildiscounter KiK hält nichts von der 14-Cent-Idee. „Verkaufspreise wie die von KiK beruhen auf einer sehr straffen Kalkulation“, teilt die Pressestelle mit. „Jede zusätzliche Erhöhung des Einkaufspreises muss daher entweder dadurch abgefedert werden, dass alle Anbieter ihre Preise erhöhen und die Mehrkosten damit an die Verbraucher weiterreichen oder dass an anderer Stelle eingespart wird.“ Das Unternehmen fürchtet Wettbewerbsnachteile und geringere Gewinne, wenn es einseitig die Löhne anhebt.
KiK sieht zwei Wege, um die Bezahlung zu verbessern. Die Regierungen, Gewerkschaften und Zulieferfirmen in den Produktionsländern müssten dafür sorgen, dass dort die Mindestlöhne steigen. Außerdem sollten die Zulieferer die Kosten pro Kleidungsstück verringern. Dann könnten die Arbeiterinnen auch mehr Geld bekommen.
Fortbildung für Verhandler
Der schwedische Textilhändler H&M argumentiert ähnlich. „Unsere Rolle als Marke und Käufer besteht nicht darin, die Lohnhöhe festzusetzen“, schreibt die Pressestelle. Allerdings hat sich das Unternehmen ein weitreichendes Programm verordnet, das auf der „Methode des fairen Lohns“ basiert. Dabei hilft der Konzern seinen Zulieferern, die Arbeitsabläufe zu verbessern. Mit Fortbildungsmaßnahmen unterstützt H&M außerdem die Beschäftigten und Gewerkschaften. Das soll sie in die Lage versetzen, mit den Zulieferfirmen bessere Verdienste auszuhandeln.
H&M hat als offizielle Unternehmenspolitik verkündet, dass die Beschäftigten der „strategischen Zulieferer“ ab 2018 existenzsichernde Löhne bekommen. Mittlerweile werden knapp 150 Produktionsstätten weltweit umgestellt.
Auch der Hamburger Einzelhändler Tchibo plädiert für den „systemischen Ansatz“. Zusammen mit 14 weiteren internationalen Textilverkäufern, unter anderem Esprit, H&M, Primark und Tesco, hat man sich in der „Initiative on living wages“ (Initiative für Existenzlohn) zusammengeschlossen.
Mit dem globalen Gewerkschaftsbund Industriall besteht eine Kooperation. „Unser Ziel ist es, Kollektivverhandlungen zwischen den Sozialpartnern in den Produktionsländern zu ermöglichen“, sagt Nanda Bergstein von Tchibo. „Der große Vorteil: Höhere Löhne gelten dann für alle Marktteilnehmer.“
Mehr Fairness als Werbeargument
Der Unterschied der beiden Ansätze besteht darin, dass eine Firma wie Continental Clothing höhere Löhne und Preise bei Kunden durchsetzen will, die an fairen Bedingungen interessiert sind. Mehr noch: Die Argumente für den höheren Preis dienen als Werbebotschaft, um den Verkauf anzukurbeln.
Konventionelle Unternehmen dagegen scheuen Preisaufschläge, weil sie fürchten, dass Konkurrenten billiger anbieten. Höhere Löhne lassen sich unter dieser Voraussetzung nur realisieren, wenn alle Händler sie zahlen – daher die Betonung der Rolle der Gewerkschaften und Regierungen. Ein Nachteil dieser Strategie besteht darin, dass die Beschäftigten vieler Textilfabriken nicht frei verhandeln können.
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