Lobbyismus von Digitalkonzernen: „Big Tech kann und muss endlich zerschlagen werden“
Nächste Woche treffen sich die Reichen und Mächtigen wieder in Davos. Max Bank von Lobbycontrol warnt vor dem Einfluss der Tech-Konzerne.
taz: Herr Bank, Elon Musk ist der reichste Mensch der Welt. Ist er auch einer der gefährlichsten?
Max Bank: Er ist auf jeden Fall einer der Tech-Milliardäre, die exemplarisch für eine ganze gesellschaftliche Klasse an Menschen stehen: überreiche, allesamt Männer, die jegliche Instrumente nutzen, die ihnen zur Verfügung stehen, um Gesellschaft und Politik zu ihren Gunsten zu beeinflussen.
taz: Welche Instrumente sind das?
Bank: Vor allem ist es massive Lobbyarbeit, die stärkste, die wir in Europa je gesehen haben. Die wird möglich durch den extremen Reichtum der Big-Tech-Akteure, also von Figuren wie X-Inhaber Musk, aber auch Meta-Chef Mark Zuckerberg, Sergey Brin und Larry Page hinter Google oder Amazon-Gründer Jeff Bezos. Google, Amazon, Meta, Microsoft und Apple sind die Konzerne mit den höchsten Lobbyausgaben. In den USA und der EU investieren diese fünf mehr als 89 Millionen Euro im Jahr. Das ist mehr, als die Top-10-Unternehmen im Finanzsektor oder in der Automobilindustrie für ihre Lobbyinteressen ausgeben, – und schon bei denen sehen wir, dass nichts Gutes dabei rauskommt.
42, arbeitet bei der NGO Lobbycontrol und beschäftigt sich vor allem mit den Themen Konzernmacht und Macht der Digitalkonzerne.
taz: In den Top Ten der Tech-Konzerne nach Marktkapitalisierung ist Apple ganz vorne. Nvidia steht auf Platz 2, den Chiphersteller werden viele Nutzer:innen gar nicht kennen. X taucht in den Top 10 gar nicht auf.
Bank: Marktmacht kann sich in vielen Formen zeigen. Bei den Big-Tech-Konzernen sehen wir nicht nur massiven politischen Einfluss, sondern auch Macht gegenüber Geschäftspartnern und Nutzenden. Wir haben im vergangenen Jahr eine Untersuchung gemacht, die zeigt, dass die Monopolstellungen der Tech-Konzerne dazu führen, dass diese bis zu 75 Prozent Preisaufschläge auf ihre Produkte und Dienstleistungen nehmen, einfach weil es keine oder keine gleichwertige Alternative gibt. Bei Amazon zeigt sich das etwa bei den Preisen, die der der Konzern von Unternehmen verlangt, die Produkte auf der Plattform anbieten. Die Folge sind höhere Preise für Verbraucher:innen.
taz: Sie kritisieren, dass das Weltwirtschaftsforum in Davos, das kommende Woche stattfindet, die Lobbymacht noch verstärkt. Die Kritik gibt es praktisch so lange wie die Veranstaltung selbst. Was hat sich über die Jahre geändert?
Bank: Die Konzentration an Reichtum bei einigen wenigen hat sich massiv verstärkt, sie ist mittlerweile geradezu grotesk. Natürlich war die Kritik an Davos – also einen weiteren Ort zu schaffen, an dem Wirtschaft und Politik unter sich netzwerken und Deals aushandeln können – schon von Anfang an richtig. Aber in der aktuellen politischen Situation und angesichts dessen, dass wir ohnehin schon ein massives Lobbyproblem auf allen politischen Ebenen haben, ist es umso problematischer, den finanzstarken Akteuren noch mal einen extra privilegierten Zugang zu organisieren.
taz: Wo führt das hin?
Bank: Wir sehen bereits grundlegende Gefahren für die Demokratie – etwa, was die Verbreitung von Desinformationen über Social-Media-Plattformen angeht. Meta hat gerade angekündigt, die Regeln aufzuweichen. Der Druck, auch auf die europäische Politik, bei Regulierungen jetzt nicht weiter voranzugehen, sondern im Gegenteil einen Schritt zurück zu machen, wächst gerade immens. Das würde die Macht dieser ohnehin schon mächtigen Überreichen weiter verstärken.
taz: Wie sollte die EU darauf reagieren?
Bank: Für viele Probleme, etwa die Frage der Moderation von Inhalten oder des Umgangs mit Hassrede, haben wir mit dem Digital Services Act der EU gute und sinnvolle Gesetze. Wenn die EU diese konsequent durchsetzt, dann sind wir auf einem guten Weg. Doch hier fehlen ausreichende Ressourcen zur Durchsetzung. Dafür muss sich die nächste Bundesregierung in Brüssel unbedingt einsetzen. Das Problem ist: Wenn es um Bestrebungen geht, die aktuellen Regeln abzu-schwächen, sind da nicht nur Big-Tech-Konzerne ganz vorne mit dabei. Auch Akteur:innen aus konservativen Parteien sägen ganz ordentlich, sogar an der Datenschutz-Grundverordnung. Und gleichzeitig gibt es eine große Lücke: Gegen so ein Phänomen wie Musk, also dass ein Multi-Milliardär eine Plattform kauft, nach eigenen politischen Vorstellungen umbaut und sich so gar nicht um Recht und Gesetz schert, da gibt es keinen Plan.
taz: Was würde helfen?
Bank: Genau kann ich mir das noch nicht vorstellen. Eine Möglichkeit wäre, Eigentum und Inhalte auf X klar zu trennen. Der Fall Musk sollte ein Weckruf für europäische Politiker:innen sein. Die EU sollte endlich konsequenter gegen die Monopolmacht von Big Tech vorgehen. Big Tech kann und muss endlich zerschlagen werden. Sonst bleiben wir abhängig von den Tech-Milliardären und ihren Konzernen.
taz: Welche Wege gibt es jenseits einer Zerschlagung?
Bank: Zwei Dinge sind zentral. Erstens muss die EU dahin kommen, dass die Lobbyarbeit ausgewogen ist. Dass sich also ihre Akteur:innen gleichermaßen mit Lobbyist:innen von allen Seiten treffen – und nicht überproportional mit Konzernen und kaum mit der Zivilgesellschaft. Als Zweites brauchen wir in Deutschland einen Deckel für Parteispenden. In vielen EU-Mitgliedstaaten gibt es den schon. In Frankreich etwa liegt er regulär bei 7.500 Euro jährlich pro Partei und pro Spender:in – etwas Vergleichbares brauchen wir hier auch.
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