Lob und Kritik für Polizeigesetz: Noch besser abrüsten

Der Anwaltsverein lobt das rot-rot-grüne Polizeigesetz in Berlin. Und fordert dennoch Nachbesserungen bei Racial Profiling und Kennzeichnungspflicht.

Polizisten stehen bei einer Black-Lives-Matter-Demo in voller Kampfmontur vor dem S-Bahnhof Alexanderplatz. Sie tragen Helm und haben Nummern auf dem Rücken.

Gekennzeichnete Polizisten: Kennzeichnungspflicht läuft bei kurzen Speicherfristen ins Leere Foto: Christian Spicker/imago

BERLIN taz | Nach einer Anhörung im Innenausschuss zum neuen Polizeigesetz in Berlin will die rot-rot-grüne Koalition noch einmal Nachbesserungen vornehmen. Verschiedene Expert:innen hatten das rot-rot-grüne Polizeigesetz im Abgeordnetenhaus am Montag gelobt und kritisiert.

Erwartungsgemäß gab es von Polizeiseite wie etwa der Gewerkschaft der Polizei Kritik daran, dass der Senat der Polizei zu wenig neue Befugnisse einräume und zudem die kriminalistische Arbeit erschwere. Insgesamt gebe es viel zu wenig Handlungsspielraum für die Polizei, so der Tenor von konservativer Seite. Der Bund der Kriminalbeamten hatte bereits im Vorfeld kritisiert, dass es schwerer werde, Menschenhandel und Zwangsprostitution zu bekämpfen, wenn Kontrollmöglichkeiten in Bordellen beschränkt würden.

Lob gab es hingegen vom Deutschen Anwaltsverein und einer Journalistin von Netzpolitik.org: Beide waren zufrieden damit, dass Berlin sich nicht am bundesweiten Wettrüsten um das schärfste Polizeigesetz beteiligt – hatten aber auch ihrerseits noch verfängliche Detailkritik. So sieht der rot-rot-grüne Entwurf vor, dass die durch die Kennzeichnungspflicht gespeicherten Daten über Polizist:innen wie bisher nach nur drei Monaten wieder gelöscht werden sollen – bis dahin hätten Betroffene von unverhältnismäßiger Polizeigewalt häufig noch nicht einmal Akteneinsicht, wie Lea Voigt vom Anwaltsverein kritisierte.

Viele Verfahren gegen Polizist:innen liefen mit einer kurzen Speicherfrist ins Leere und die Kennzeichnungspflicht bleibe wirkungslos. Erforderlich sei eine Speicherung von mindestens drei Jahren, sagte Voigt: „Ich habe selber in Berlin erlebt, dass Ermittlungen gegen Polizisten eingestellt wurden, weil eine Zuordnung nicht mehr möglich war.“ Der Eingriff in die informelle Selbstbestimmung sei indes überschaubar, weil die Daten nur auf den Polizeidiensstellen vorlägen.

Racial Profiling dokumentieren

Des Weiteren sollten in kriminalitätsbelasteten Orten Polizeikontrollen sich nicht am Erscheinungsbild, sondern nur am Verhalten orientieren, forderte Voigt. An sogenannten kriminalitätsbelasteten Orten darf die Polizei bisher anlasslos kontrollieren. Auch weil das nach Ansicht des Senats Racial Profiling begünstige, soll das neue Polizeigesetz dies einschränken.

Das Polizeigesetz soll zusammen mit dem Gesetz für den Polizeibeauftragten ab 2021 in Kraft trefen

Wenn man Kontrollen aber nicht ans Verhalten knüpfe, ändere die vorgesehene Neuregelung nichts an Racial Profiling, kritisierte Voigt. Zudem sei es sinnvoll, nach Bremer Vorbild eine Quittierungspflicht nach Polizeikontrollen einzuführen. So könne man Polizeimaßnahmen evaluieren und eine etwaige rassistische Kontrollpraxis dokumentieren.

Allerdings dürften Änderungen zugunsten von mehr Freiheitsrechten nicht sonderlich leicht sein: Grüne, Linke und SPD verhandelten seit mehr als drei Jahren hart um das neue Polizeigesetz und den im Koalitionsvertrag versprochenen Polizeibeauftragten. Die SPD hatte dabei Letzteren blockiert und im Gegenzug Zugeständnisse beim Polizeigesetz gefordert.

Polizeibeauftragter kommt 2021

Der SPD-Innenpolitiker Frank Zimmermann sagte der taz am Dienstag: „Das war eine aufschlussreiche Anhörung. Wir sind offen für vernünftige und sinnvolle Änderungen“, wollte aber inhaltlich noch nichts Konkretes nennen.

Grüne und Linke zeigten sich bereits während der Anhörung offen für längere Speicherfristen der polizeilichen Kennzeichnung, ebenso für Kontrollmöglichkeiten aufgrund des Verhaltens und nicht des äußeren Erscheinungsbildes sowie für Kontrollquittungen. Angesichts der zähen Verhandlungen zum Polizeigesetz scheinen zumindest größere Änderungen schwierig.

Schrader von der Linken sagte: „Wir sind offen für solche Vorschläge und werden versuchen, möglichst viel davon aufzunehmen.“ Alles, was nicht mehr nachjustiert werden könne, nehme man mit in die nächsten möglichen Koalitionsverhandlungen, so Schrader. Auch Benedikt Lux von den Grünen zeigte viel Sympathien für die vom Anwaltsverein vorgeschlagenen Änderungen. Auch er sagte am Dienstag der taz: „Wir sind offen für Verbesserungen.“

Unterdessen hat das Gesetz für den Polizeibeauftragten den Innenausschuss passiert. Auch dort hatte die Koalition nach Kritik in einer Anhörung noch einige Details verändert. Demnach wird der Polizeibeauftragte dem Parlament unterstellt sein und im Plenum ohne Aussprache gewählt; auch werden zum Schutz von Whistleblowern anonyme Eingaben möglich sein. Dazu wurde die Beschwerdefrist verlängert auf vier Monate und am Datenschutz geschraubt. Das Polizeigesetz könnte Mitte November den Innenausschuss passieren. Beide Gesetze sollen Anfang 2021 in Kraft treten.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.