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Linkspartei streitet über AntisemitismusNicht mit rechtsstaatlichen Mitteln

Ex-Senator Lederer und andere wollten beim Landesparteitag linken Antisemitismus benennen und bekämpfen. Eine Mehrheit der Delegierten lehnte das ab.

Exsenator Lederer warb vergeblich dafür, auch linken Antisemitismus klar zu benennen und zu verurteilen Foto: Paul Zinken/dpa

Berlin taz | Nicht dass die Linkspartei nicht schon genug Probleme hätte: in Brandenburg, wo sie noch vor fünf Jahren mitregierte, gerade mit 2,98 Prozent aus dem Landtag geflogen, auch in Berlin nur noch bei 7 Prozent und intern zerstritten. Beim Landesparteitag am Freitag aber hat sich jetzt auch das noch steigern lassen: Eine Mehrheit der Delegierten entkernt einen Antrag bekannter Mitglieder um Ex-Kultursenator Klaus Lederer zu klarer Haltung gegen Antisemitismus: Die Benennung linker Judenfeindlichkeit fällt genauso raus wie die Forderung, Juden „konsequent und unter Einsatz rechtsstaatlicher Mittel zu schützen“.

Die Doppelspitze des Landesverbands, Franziska Brychcy und Maximilian Schirmer, hatte eingangs in ihren Reden ein ganz anders Signal von diesem Parteitag angestrebt: eines einer Partei, die sich zusammenrauft, die dem schwarz-roten Senat Kontra gibt, die die Alltagsprobleme im Blick hat und Antworten darauf gibt. Der Schriftzug „Bereit zu kämpfen“ prangt hinter dem Rednerpult, als Parteiikone Petra Pau dort ankündigt, 2025 nicht erneut für den Bundestag zu kandidieren. Für ihre Partei sieht sie zwei Möglichkeiten: „Entweder die Linke rappelt sich zu einer gefragten Alternative im 21. Jahrhundert auf, oder wir stürzen im freien Fall in die Bedeutungslosigkeit.“

Doch dann tritt der frühere Spitzenkandidat Lederer an ebendieses Rednerpult, aktuell queer- und drogenpolitischer Sprecher der Abgeordnetenhausfraktion, um das zu begründen, was nun unter dem Titel „Gegen jeden Antisemitismus“ vorliegt. „Wir haben den Antrag gestellt, weil wir ein Problem haben“, sagt er. „Das ist nicht nur ein Problem der Partei, sondern linker Milieus generell.“ Es werde „von Menschen aus Partei und Umfeld“ das Hamas-Massaker als legitimer Widerstand glorifiziert, es werde gegen das Existenzrecht Israels agitiert und zu Gewalt gegen Israelis aufgerufen. „Mit einer linken Partei, der wir Antragsteller uns zugehörig fühlen, hat all das nichts zu tun.“

Zu diesen Antragstellern gehören weitere Ex-Senatsmitglieder, Bundesgeschäftsführerin Katina Schubert, aber auch führende Köpfe der Abgeordnetenhausfraktion wie deren Chefin Anne Helm oder Finanzexperte Sebastian Schlüsselburg.

Knappe Mehrheit für Änderungen

Einer Mehrheit des Parteitags aber missfallen zentrale Passagen – sie unterstützt in teils sehr knappen Abstimmungen Änderungsanträge. Als erstes fällt so die Formulierung raus, jüdische Menschen „unter Einsatz rechtsstaatlicher Mittel“ zu schützen.

Gleichermaßen verschwinden der Begriff „konsequente Strafverfolgung“ und eine konkrete Benennung von linken Antisemitismus: Aus der Passage „sich politisch links verortende Menschen in Berlin“ hätten das Massaker vom 7. Oktober relativiert und mitunter gefeiert, wird allgemein „Menschen in Berlin“. Man sei nicht gegen Strafverfolgung, sagt eine Unterstützerin der Änderungsanträge am Rednerpult, man müsse aber „die politische Großwetterlage beachten“. Dort sieht sie Repression mit dem Ziel der „Zerschlagung jeglicher Solidarität mit den Menschen in Gaza.“

Nachdem diese Änderungsanträge erfolgreich sind, zieht Lederer den Antrag zurück. Es folgt eine kurze Unterbrechung, bevor er und zahlreiche Gleichgesinnte, darunter auch Pau, den Parteitag verlassen. Die erfolgreiche Seite drängt nun darauf, den um zentrale Passagen gekürzten Antrag gegen den Willen der Antragsteller als generelles „Zeichen gegen Antisemitismus“ zu beschließen. Das scheitert knapp nur daran, dass dafür eine Zweidrittelmehrheit nötig wäre, die auch nach dem Auszug des Lederer-Lagers nicht zustande kommt.

Landeschef Schirmer mag später in dem Verlauf des Parteitags und dem in dieser Form zuvor nicht erlebten Auszugs zahlreicher und eben auch prominenter Mitglieder keinen Eklat oder Tiefpunkt erkennen. Man müsse feststellen, dass es teilweise verschiedene Perspektiven gibt, weil einige Mitglieder zum Beispiel selbst jüdisch sind oder betroffene Angehörige haben“, sagt er der Deutschen Presse-Agentur. Entsprechend lebhaft und emotional sei die Diskussion geführt worden – „das ist bei diesem Thema nicht neu.“

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9 Kommentare

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  • Wer antisemitische Pogrome als Befreiungskampf und als in die außenpolitische Großwetterlage einzuordnen ansieht, gibt linke Alternative auf und zerschlägt langfristig die Solidarität mit den Menschen in Gaza. So wird das nix.

  • Mir leuchtet irgendwie das Rausgehen immer nicht ein. Da hätte Christian Ströbele ja phasenweise ständig rausgehen müssen. Und dann ist da natürlich noch Wehner.

    Die Sache mit den Bedenken wegen der rechtsstaatlichen Mittel umfasst m.E. ein Missverständnis über Rechtsstaat. Das beinhaltet durchaus finde ich, dass Polizeimaßnahmen rechtswidrig sein können. Das war es gerade nicht rechtsstaatlich.

  • Bedauerlich, aber erwartbar. Dabei wird eine nicht antisemitische "Die Linke" in Deutschland so sehr gebraucht.

    Dass jüdische und/oder israelische Menschen in Deutschland nicht mit allen rechtsstaatlichen Mitteln geschützt werden sollen, wirkt auf mich so, als würden sie zu Bürgern "2. Klasse" bzw. als nicht schutzwürdig eingeordnet werden.

    Ich sehe da eine Parallele zu den einseitigen Forderungen, dass Israel nicht mehr mit Waffen beliefert werden soll, die Waffenlieferungen an die gegnerischen Kriegsparteien aber nicht verhindert werden.

  • Damit hat sich einer der letzten Landesverbände der Linken der bisher noch wählbar war auch als unwählbar geoutet. Wer es ablehnt "jüdische Menschen unter Einsatz rechtsstaatlicher Mittel zu schützen", erklärt diese als vogelfrei.



    Die Mitglieder, die den ursprünglichen Antrag gestellt hatten, sollten sich ernsthaft überlegen ob sie noch Mitglied dieser Partei bleiben wollen!

  • Normalerweise wird vor Berliner Landesparteitagen der Linken bei strittigen Fragen eine Kompromissformel gesucht. Letzten Endes haben solche Parteitagsbeschlüsse ja einen rein deklamatorischen Charakter, sofern sie nicht aktuelle landespolitische Fragen betreffen, die im Abgeordnetenhaus zur Abstimmung vorliegen.

    Der Gegensatz zwischen den Bezirksverbänden Pankow und Neukölln in der Israel/Palästina-Frage ist lange bekannt. Neukölln ist innerparteilich immer stärker geworden, und diesmal hat man es offenbar auf eine Kraftprobe ankommen lassen.

    Wäre ich noch Mitglied (und Delegierter) gewesen, so hätte ich den meisten Änderungsanträgen wohl nicht zugestimmt. Aber es zeugt schon von einem eigenartigen Verständnis von innerparteilicher Demokratie, wenn der Saal demonstrativ verlassen wird, weil König Klaus von seinen Untertanen überstimmt wurde. Wundern tut es mich freilich nicht.

    • @Kohlrabi:

      Nur geht es nicht um "König Klaus und seine Untertanen" - so dieses Label überhaupt im Supermarkt der Beliebigkeiten zum Kauf ausliegt, noch um "rein deklamatorischen Charakter" eines Beschlusses, der daneben im Regal liegt.

      Noch hat beim Begriff des "eliminatorischen Antisemitismus" wie eine Gegenrede zum Ursprungsantrag glaubt, der deutsche Faschismus ein ausschliessliches Markenrecht in der offenbar nun auch von DIE LINKE begriffslos missverstandenen Marktwirtschaft der Grausamkeiten. Auch wenn ihn der Historiker Daniel Goldhagen, für den industriellen des zur Praxis schreitenden Antisemitismus des deutschen Faschismus prägte.

      "Eliminatorischer Antisemitismus" ist ein sehr treffender Begriff - im Verhältnis zu bloßem "Ressentiment", "Kultur", der statt Wettbewerb sehr Wohl die Praxis und ideologisch-demagogische Grundierung von Hamas, Hisbollah, den Klerikal-Faschismus des Mullahregimes richtig verortet. ohne damit die "Leistungen" des deutschen Faschismus "zu relativieren"



      Noch das damit Kontext, Rolle fanatischer Regierungen Israels, oder deren kritiklose /faktische Unterstützung bestritten würde.

      Es ging um PRAXIS. Mit wem kann man verbündet sein. Das ist MATERIELL.

    • @Kohlrabi:

      "Kompromissformel"? Wie soll denn eine solche ausgerechnet in dieser Frage aussehen?

      Es handelt sich hier eben nicht um eine Petitesse. Wenn man sich gerade in Berlin (und nicht nur dort) nachweislich besser nicht als Jude zu erkennen gibt, dann läuft etwas gewaltig falsch in diesem Land. Ich kann daher nicht im mindesten nachvollziehen, was an dem ursprünglichen Antrag so inaktzeptal gewesen sein soll; wenn die Ablehnung von Antisemitismus kein Grundkonsens demokratischer Parteien ist, ja bitte, was eigentlich dann? Oder ist für manche das Offensichtliche, nämlich das Eingeständnis eines linken Antisemitismus schon eine unerträgliche Zumutung?

      Klaus Lederer und Petra Pau haben sich in Sachen Antisemitismus seit Jahren erfreulich klar positioniert; das hier hat mit verletzter Eitelkeit nichts zu tun. Die Position der Linken Neukölln ist ebenfalls klar; ihre Solidarität mit Palästina ist de facto eine Solidarität mit der Hamas. Da scheidet sich einfach, was nicht zusammengehört.

    • @Kohlrabi:

      Ist es nur eine Frage der „ innerparteilichen Demokratie“, wenn



      Rechtsschutz bei strafrechtlich relevanten persönlichen Angriffen



      gegen Menschen/Juden von Parteimitgliedern in Frage gestellt werden oder im Zusammenhang mit



      „Politischer Großwetterlage“ relativiert



      wird? Was für ein merkwürdiges



      Rechtsstaatsverständnis.

      • @Hubertus Behr:

        Es hilft ja nun nichts, wenn man sich selbst so dumm, dümmer oder begriffslos stellt, wie ein Parteitag in offensichtlich wie auch immer überdauernder Deligierten-Mehrheit.

        Gegenstand ist nicht, ob jüdisches Leben, Alltag unserer Nachbarinnen und Mitbürger "mit allen rechtsstaatlichen Mitteln geschützt wird" Noch darf als politischer Akteurin der Eindruck entstehen.



        Gegenstand der Kontroverse ist eine Formulierung im Antrag die nicht deutlich macht, wie sich Rechtsstaat und rechtsstaatliche Mittel zur Beute gemacht werden, um legitimen Protest gegen die Politik und Praxis einer israelischen Regierung pauschal zu kriminalisieren und zu denunzieren, die selbst in Ideologie und Praxis gar nicht dem Schutz jüdischen Lebens dient.

        In diesem Punkt des Antrages hätte man sinngemäss formulieren müssen: "Die LINKE" unterstützt und sieht den Rechtsstaat in der unbedingten Pflicht jüdisches Leben zu schützen. Gerade deshalb wendet sie sich gegen den Missbrauch seiner Mittel, seiner Institutionen, die legitime Protest gegen Regierungspolitik und Praxis pauschal denunzieren, kriminalisieren und mit entgrenzter Repression überziehen.