Linksfraktion in Hamburg verliert Sitz: Ex-Linker Martin Dolzer rückt nach

Weil eine Abgeordnete zurück tritt, erhält Dolzer ein Mandat. Er könnte sich mit den Ex-Linken-Abgeordneten Mehmet Yildiz und Metin Kaya zusammen tun.

Martin Dolzere steht an am Rednerpult der Hamburgischen Bürgerschaft und spricht

Hat ab Juli wieder ein Mandat: der frühere Fachsprecher der Linksfraktion für Frieden, Wissenschaft und Justiz, Martin Dolzer Foto: Bodo Marks/dpa

HAMBURG taz | Bei der Hamburg-Wahl 2020 hatte er den Einzug knapp verfehlt. Nun bekommt Martin ­Dolzer doch noch einen Sitz. Denn wie die Linksfraktion mitteilt, tritt ihre Abgeordnete Stephanie Rose aus familiären Gründen zurück. Zum 30. Juni gibt die Fachsprecherin für Soziales, die sich für Housing-First-Projekte, Genderstudies und prekär Beschäftige an Unis engagierte, ihr Mandat zurück.

Interessant ist, dass mit Dolzer dann ein dritter Abgeordneter im Landesparlament sitzt, der der Linkspartei den Rücken kehrte. Der 57-Jährige Diplomsozialwirt gehörte von 2015 bis 2020 zur Linksfraktion und ist seither Mitarbeiter von Mehmet Yildiz, der vor gut zwei Jahren die Fraktion verließ. Beide versuchten mit einer Volksinitiative den Rüstungsexport von Hamburgs Hafen zu stoppen und traten in diesem Januar aus der Partei aus.

Denn die Mehrheit des Parteiapparats stünde der Friedensbewegung und anderen sozialen Bewegungen „eher im Weg, als sie zu unterstützen“, finden Dolzer und Yildiz. Im November 2023 verließ auch der Linken-Abgeordnete Metin Kaya Partei und Fraktion und schloss sich dem neu gegründeten Bündnis Sarah Wagenknecht (BSW) an. Die Linke forderte den einstigen Listen-Kandidaten damals auf, sein Mandat zurückzugeben.

Bei Dolzer erhob die Fraktion diese Forderung nicht und teilte nur sachlich mit, Dolzer werde der Fraktion nicht angehören, da er die Linke verließ. Laut Hamburger Wahlrecht rückt für Abgeordnete wie Rose, die durch ihre Personenstimmen gewählt wurden, der Kandidat nach, der die nächst höchste Zahl an Personenstimmen erwarb. Deshalb hat Dolzer laut Landeswahlamt Anspruch auf das Mandat.

Handlungsmöglichkeiten noch unklar

Während die Linksfraktion Roses Schritt nun schmerzt, freuen sich Mehmet Yildiz und Metin Kaya, mit Dolzer jemanden zu haben, der ihnen politisch nahe steht. Um im Parlament eine Gruppe mit bestimmten Rechten zu bilden, wie es in den 1990ern die Grünen-Abspaltung „Regenbogen“ tat, müssen sie aber genug sein, um einen Ausschussplatz zu ergattern.

Die Bürgerschaftskanzlei konnte bis Redaktionsschluss noch nicht sagen, ob drei Mandate dafür ausreichen. Das hänge von der Anzahl der Fraktionen ab und müsse erst noch berechnet werden.

Auch für Dolzer, der ebenso wie Yildiz nicht dem Bündnis Sahra Wagenknecht beigetreten ist, kommen solche Überlegungen zum jetzigen Zeitpunkt zu früh, wie er sagt. Er widme sich derzeit seinem zweiten Standbein als Musiker der Gruppe „Mc Martin D. and the Invisible Swans“ und sei von der Nachricht überrascht worden, sagt er der taz. Ohnehin seien es ja nur noch neun Monate bis zur nächsten Wahl, so der Ex-Linke.

Dolzer war früher als Menschenrechtsaktivist in der Türkei unterwegs und unterstützte in Hamburg das Protestcamp der Lampedusa-Flüchtlinge, die für ein Bleiberecht stritten. Der gebürtige Kieler zog als junger Mann nach Bayern, wo er als Industriefensterreiniger arbeitete.

Dabei habe er früh Licht und Schatten des Kapitalismus gesehen, sagt er. „In den Lakierhallen der Autowerke ruinierten Arbeiter ihre Gesundheit, während die Herrn in den Chefetagen der kleinste Wassertropfen störte“, so Dolzer.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.