Linkes Hausprojekt in Berlin: Liebig 34 droht nächste Räumung
Das Landgericht bestätigt sein Räumungsurteil gegen das Haus in Friedrichshain. Der Stadt steht die nächste polizeiliche Räumungsaktion bevor.
Sechs Männer – drei Richter, zwei Eigentümeranwälte und der Anwalt der Liebig 34 – verhandelten im Saal des Landgerichts in Moabit über das Anfang der 1990er Jahre besetze Haus, das ausschließlich von Personen bewohnt wird, die sich nicht als Männer definieren. Die Bewohner*innen hatten 2008 einen zehnjährigen Pachtvertrag erhalten, der zum Jahresende 2018 ausgelaufen ist. An einen freiwilligen Auszug aus dem Symbolprojekt der radikalen Linken war gleichwohl nicht zu denken.
Liebig 34-Anwalt Moritz Heusinger hatte argumentiert, dass seine Mandant*innen laut dem auf den „Wohnzweck“ abzielenden Pachtvertrag nicht als Gewerbemieter*innen sondern als Mieter*innen, angesehen werden müssten und demnach den Schutzbedingungen des Wohnraummietrechts unterlägen. Wichtig sei, so Heusinger, nicht die Überschrift eines zeitlich befristeten Pachtvertrages, sondern der Inhalt, laut dem zwei Parteien einen Vertrag zu Wohnzwecken geschlossen hätten.
Das Gericht schloss sich dieser Sichtweise nicht an, auch mit dem Hinweis, dass im Haus teilweise auch eine Gewerbenutzung stattfinde. Auch Heusingers Folgeargument, dass nämlich beim Ausscheiden eines gewerblichen Mieters der Mietvertrag auf den Eigentümer übergehen müsste und damit weiterhin Bestand hätte, verfing nicht.
Besitzerwechsel überzeugt nicht
Die Liebig 34 selbst hatte argumentiert, dass der ergangene Räumungstitel gegen den Bewohner*innenverein Raduga e.V. nicht den richtigen treffe. Raduga sei nicht mehr im Besitz der Räume, sondern habe das Haus bereits 2018 an den Verein Miteinander e.V. untervermietet. Auch dies überzeugte die Kammer nicht. Stattdessen müsste der beklagte Verein dafür sorgen, wieder in den Besitz der Räume zu kommen.
Heusinger kündigte an, die Frage höchstrichterlich entscheiden zu lassen und vor das Kammergericht ziehen zu wollen. Nichtsdestotrotz ist das Urteil ab sofort vollstreckbar. Dafür müsse der Eigentümer, der Berliner Immobilienspekulant Gijora Padovicz beziehungsweise seine Siganadia Grundbesitz GmbH & Co., eine Sicherheitsleistung von 60.000 Euro erbringen. Nach der Räumung der Neuköllner Kiezkneipe Syndikat steht der Stadt damit der Verlust des nächsten alternativen Ortes bevor.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Friedensforscherin
„Wir können nicht so tun, als lebten wir in Frieden“
Prozess gegen Maja T.
Ausgeliefert in Ungarn
Klimaneutral bis 2045?
Grünes Wachstum ist wie Abnehmenwollen durch mehr Essen
Bundesregierung und Trump
Transatlantische Freundschaft ade
CDU-Chef Friedrich Merz
Friedrich der Mittelgroße
ifo-Studie zu Kriminalitätsfaktoren
Migration allein macht niemanden kriminell