Linkes Hausprojekt „H48“ in Berlin: Investitionsobjekt statt Wohnraum
Kein Happy End in Sicht beim Neuköllner Wohnprojekt. Die Räumungsklagen häufen sich, ein Kaufangebot der Bewohner:innen lehnt der Eigentümer ab.

Seit Jahren kämpfen die Bewohner*innen der H48 nun schon um den Erhalt ihres Hausprojekts. Als ihr Haus 2021 verkauft wurde, versuchten sie es über das bezirkliche Vorkaufsrecht zu erwerben. Der Versuch scheiterte vor Gericht. Seither will der Eigentümer die Bewohner*innen loswerden – und setzt dabei auf Massenkündigung und Räumungsklage. Sein Plan: den Wohnraum in Gewerbefläche umwandeln. Dafür argumentiert er, die Mietverträge seien eigentlich Gewerbeverträge und somit fristlos kündbar.
Viele Bewohner*innen verließen das Haus in der Folge, andere entschieden sich zu kämpfen. Sie reichten ihrerseits Klage ein, um den Kündigungsgrund auszuhebeln. Doch das ist bislang erfolglos: In drei Fällen schmetterte das Gericht die Klagen bereits ab, bei sieben Wohngemeinschaften stehen die Entscheidungen noch aus.
Nun will der Besitzer das Haus laut den Bewohner*innen schon wieder abstoßen. Die Bewohner*innen berichten von einer erwünschten Verkaufssumme im achtstelligen Bereich. Das Angebot der Hausgemeinschaft über 9,5 Millionen Euro, welches sie in Gesprächen mit Banken und Miethäusersyndikat erarbeiten konnten, ließ er links liegen. Eine taz-Anfrage an „O&S ImmoConsulting“, die Immobilienfirma des mutmaßlichen Eigentümers Oliver Sahr, ließ dieser unbeantwortet.
Bedeutung für die Szene
Der hohe Kaufpreis sei ungerechtfertigt, finden die Bewohner*innen, denn das Haus habe einen riesigen Sanierungsstau. „Wir wären eigentlich die besten Eigentümer“, sagt Miriam Fichtel, eine Bewohnerin, die ihren echten Namen nicht in der Zeitung lesen will. Im Gegensatz zu den Eigentümern kümmere sich die Hausgemeinschaft um die Instandhaltung des Gebäudes. Man wolle den Wohnraum langfristig erhalten, umweltfreundlich sanieren und die Nachbarschaft mitgestalten.
Für viele Leute im Kiez sei die „H48“ ein wichtiger Bezugspunkt und Vernetzungsort, sagt Fichtel. Das seit den 80er Jahren bestehende Hausprojekt beherbergt neben Wohngemeinschaften auch einen Projektraum, der als politischer und nachbarschaftlicher Begegnungsraum genutzt wird.
„Wenn diese kleine Insel der Hausgemeinschaft jetzt noch wegbricht, dann ist der Schillerkiez einfach nur weiter plattgentrifiziert“, klagt Fichtel. Berlin brauche keine neuen Gewerbeflächen, sondern bezahlbaren Wohnraum. „Eine Schweinerei, dass schon jetzt so viele Leute ausziehen mussten – und jetzt stehen hier Wohnungen einfach leer“, sagt Fichtel.
Runde Tische scheiterten
Das Bezirksamt hatte sich bereits in der Vergangenheit als Vermittlungsinstanz angeboten und lud auch im Mai erneut zu einem runden Tisch ein, bei dem über einen möglichen Verkauf an die Hausgemeinschaft verhandelt werden sollte. Auf die Einladung ging der Eigentümer laut der Hausgemeinschaft nicht ein.
Mehr als solche Vermittlungsversuche seien allerdings nicht mehr drin, sagt Jochen Biedermann, Bezirksstadtrat von den Grünen. Denn mit dem vereitelten Vorkaufsrecht sei der konkrete Machthebel des Bezirksamts weggebrochen. Man sei aber nach wie vor an Deeskalation interessiert und werde weiterhin den Willen dazu signalisieren, eine gemeinsame Lösung zu erarbeiten, sagt Biedermann. Dazu brauche es jedoch die Bereitschaft von beiden Parteien, sich zu bewegen – die sehe man gerade allerdings nur bei der Hausgemeinschaft.
Die verbleibenden Bewohner*innen kündigen an, hartnäckig zu bleiben, und hoffen auf das letztendliche Einlenken der Eigentümer. Es sei nicht zu spät, den Fehler einzusehen – das Kaufangebot ihrerseits bestehe weiterhin.
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