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Linken-Politiker über Bundeswehreinsätze„Das Papier sprengt den Korridor“

Tobias Pflüger will wieder in den Linken-Vorstand gewählt werden. Er kritisiert seinen Rivalen Matthias Höhn, der Militäreinsätze befürwortet.

Die UN-Mission in Mali lehnt die Linke geschlossen ab Foto: imago
Tobias Schulze
Interview von Tobias Schulze

taz: Herr Pflüger, wie viel Raum werden Krieg und Frieden auf dem Linken-Parteitag am Wochenende einnehmen?

Tobias Pflüger: In der klassischen programmatischen Debatte wird der Themenbereich nicht im Vordergrund stehen. Er wird aber sicherlich über die Personalentscheidungen eine Rolle spielen.

Wenn es darum geht, ob Matthias Höhn stellvertretender Parteivorsitzender wird?

Er hat mit seinem Papier versucht, seine Kandidatur mit einer bestimmten Positionierung zu verbinden. Ich habe eine andere Position und kandidiere ebenfalls, insofern spielt diese Frage da mit.

Bild: Die Linke
Im Interview: Tobias Pflüger

56, ist Bundes­tagsabge­ordneter und stellvertretender Vorsitzender der Links­partei.

Was kritisieren Sie genau an Höhns Positionen?

Wir haben bei der Linken eine programmatische Festlegung getroffen, die ich als Korridor beschreiben würde. Es ist durchaus möglich, innerhalb dieses Korridors verschiedene Positionen zum Militär zu vertreten. Aber dieses Papier sprengt den Korridor in wesentlichen Bereichen. Er setzt sich zum Beispiel für militärische Strukturen auf EU-Ebene ein. Das ist ein Punkt, der nicht geht.

Und was noch?

Zweitens will er – das kenne ich schon aus der Arbeit mit ihm im Verteidigungsausschuss – vom strikten Nein der Linken zu sämtlichen Rüstungsprojekten abrücken, obwohl das eine ganz wesentliche Geschichte ist, die wir als Fraktion umzusetzen haben. Drittens kann er sich Bundeswehreinsätze vorstellen. Er formuliert nicht genau, welche er meint, aber es geht ihm wahrscheinlich um Kapitel-VII-Einsätze der UN. Diese Einsätze lehnen wir auch ab und dabei sollte es selbstverständlich bleiben. Und viertens: Seinen Vorschlag, ein Prozent des BIP fürs Militär zu verwenden, finde ich sehr problematisch. In absoluten Zahlen würden die Militärausgaben damit nur auf das Niveau von vor zehn Jahren zurückgehen.

Ein Prozent des BIP wäre die niedrigste Quote in der Geschichte der Bundesrepublik. Das ist schon zu viel?

Wir müssen den Etat zusammenstreichen und nicht mit einer Quote eine Garantie für weiterhin hohe Militärausgaben geben. Im Grundsatzprogramm haben wir den Ansatz der qualitativen Abrüstung: Die kriegsführungsfähigsten Einheiten und Waffensysteme wollen wir als erstes abrüsten, zum Beispiel das Kommando Spezialkräfte. Das finde ich einen wirklich praktikablen Vorschlag.

Wie hoch wäre ein angemessener Militäretat?

Von meiner Seite aus wird es da logischerweise keinen Positivbezug geben. Ziel ist eine Abrüstung, die an die Substanz geht.

Kommen wir noch mal zu den Auslandseinsätzen: Matthias Höhn hat im taz-Interview als Beispiel die UN-Friedensmission im Südsudan genannt. Die Bundeswehr ist mit bis zu 50 Soldaten vertreten, vor allem in den Stäben und Hauptquartieren der UN. Was spricht denn gegen solche Einsätze?

Wir haben uns mal für die Forderung entschieden, dass die Bundeswehr aus allen Auslandseinsätzen zurückgezogen wird. Das halte ich für richtig. Beim konkreten Unmiss-Einsatz wird immer das Argument gebracht, dass die Menschen vor Ort dadurch Schutz bekämen. Das ist aber vorgeschoben. Die Aufgaben, die vor Ort real nötig sind, könnten auch zivile Akteure übernehmen – gerne auch im Kontext der Vereinten Nationen. Ich habe den Eindruck, und das sagt er in dem Interview auch selbst relativ offen, dass es Höhn nur darum geht, eine Tür zu Auslandseinsätzen zu öffnen. Er will unsere Programmatik so verändern, dass sie kompatibel zu SPD und Grünen wird, um quasi eine Regierungsfähigkeit zu suggerieren.

Ist Regierungsfähigkeit kein legitimes Ziel?

Man sollte nicht die eigenen Positionen schleifen, sondern vertreten, was man für richtig hält. Meine Erfahrung ist, dass wir es mit Druck außerhalb und innerhalb des Parlaments sehr gut hinbekommen, Veränderungen zu bewirken, zum Beispiel bei der Debatte über die Bewaffnung von Drohnen. Auf dem Weg können wir etwas erreichen.

Herr Höhn sagt, er spüre in der Partei ein Bedürfnis, Grundsätze neu zu diskutieren – vor allem bei den Jüngeren. Hat er den Eindruck exklusiv?

Er hat ihn in Teilen exklusiv. Der Wunsch nach Diskussionen über den Themenkomplex Krieg und Frieden ist stark vorhanden, auch bei den Jüngeren. Aber nicht das Bedürfnis, die Programmatik grundlegend in Frage zu stellen. In den Gesprächen, die ich führe, geht es eher darum, wie man Klima­bewegung und Friedensbewegung stärker zusammendenken kann.

An der designierten Parteispitze gibt es das Bedürfnis aber offenbar durchaus. Susanne Hennig-Wellsow kann sich Auslandseinsätze ebenfalls vorstellen.

Sie hat gesagt, dass sie sich Einsätze nach Kapitel VI der UN-Charta vorstellen kann. Das hat den Vorteil, dass es Bundeswehr-Einsätze nach Kapitel VI im Moment nicht gibt und wohl auch nicht mehr geben wird.

Sie gehen also davon aus, dass die neuen Vorsitzenden an den bisherigen Grundsätzen festhalten?

Selbstverständlich.

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18 Kommentare

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  • 0G
    06438 (Profil gelöscht)

    Pflüger im Original: ""Beim konkreten Unmiss-Einsatz wird immer das Argument gebracht, dass die Menschen vor Ort dadurch Schutz bekämen. Das ist aber vorgeschoben.""

    ===

    Syrien

    Resolution 2043 des UN-Sicherheitsrates

    Am 21. April 2012 beschlossen die 15 Mitgliederstaaten des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen mit der Resolution 2043 die Aufstockung des Personals von 30 auf 300 unbewaffnete Militärbeobachter und den Einsatz von Hubschraubern, da es mehrfach Berichte über die Verletzung der Waffenruhe gegeben hat und aufgrund der gegenwärtigen Lage und der Größe des Landes eine Aufstockung notwendig sei. Der Auftrag von UNSMIS lautete die „Einstellung der bewaffneten Gewalt in allen ihren Formen durch sämtliche Parteien zu überwachen sowie die vollständige Umsetzung des Sechs-Punkte-Vorschlags des Gesandten zu überwachen und zu unterstützen“.

    Arabischen Liga, den die syrische Führung unter Präsident Baschar al-Assad am 25. März 2012 zustimmte. Dieser sieht folgende Punkte vor:

    -- die Zusammenarbeit aller Beteiligten beim politischen Prozess unter Moderation von Kofi Annan



    -- einen von den Vereinten Nationen beobachteten Waffenstillstand, wobei die syrischen Streitkräfte sich aus den Wohnvierteln zurückziehen



    -- der ungehinderte Zugang von humanitären Organisationen in die von Kämpfen betroffenen Gebiete



    -- die Freilassung politischer Gefangener und Zugang zu allen Häftlingen



    -- uneingeschränkte Bewegungsfreiheit für Journalisten im ganzen Land



    -- Versammlungs- und Demonstrationsfreiheit

    Pflüger kann sicherlich irgendeine Meinung vertreten.

    Wenn er allerdings Tatsachen verdreht und rein propagandistisch - ideologisch argumentiert - und das ist der Fall wenn er seinen ungeheuren Vorwurf nicht präzisiert (das die Schutzfunktion bei UN Einsätzen vorgeschoben ist - was nicht der Wahrheit entspricht) ist er Koalition- - & regierungsunfähig.

    Verschwörungstheorie gibt es genügend - die hat in einer möglichen Regierungspartei nichts zu suchen.

  • "Die Aufgaben, die vor Ort real nötig sind, könnten auch zivile Akteure übernehmen – gerne auch im Kontext der Vereinten Nationen."

    Wer "könnte" sagt weiß dass aktuell zivile Akteure die Aufgaben nicht übernehmen KÖNNEN. Die Linkspartei macht Politik für Situationen, die nicht existieren. Das ist Augenwischerei.

  • Sollte der Friedens-VerHÖHNer auch noch mit dem Vorstandsposten belohnt werden, wäre das - nach dem Abgang Fabio de Masis - der nächste Sargnagel für eine widerständige Linke.



    Vielleicht wäre es dann gar nicht so schlecht, wenn die Partei (aktuell noch sechs Prozent/Infratest) im September scheitert.

  • Ist schon interessant, dass Positionen der Linken, die nicht als geeignet erscheinen, koalitionsfähig zu sein, gestrichen werden sollen. Und das machen dann die klugen Berater zum Problem.

    Eine geistig moralisch runderneuerte Linke braucht kein Mensch, wenn es immer nur um Anpassung ans bürgerlich konservative Lager geht.



    Immerhin erleben wir ein zunehmend neokonservatives Rollback des bürgerlichen Lagers. Da kann man doch froh sein, dass es keine komplette "Einheitsfront" der Militaristen gibt.

  • 8G
    83191 (Profil gelöscht)

    Im Prinzip bedeutet ein Einsatz nach UN Charta Kapitel VI, dass die UN-Mission Waffengewalt nur zum Selbstschutz einsetzen darf.

    Und erzwingt damit ein ähnliches Verhalten der UN wie beim Völkermord in Ruanda. Abzug und geschehen lassen.

    Es gibt eine Gratwanderung zwischen "Weltpolizei" und dem Nachbarn helfen wenns brennt. Dieser Linke entscheidet sich offensichtlich für Abbrennen lassen.

  • 0G
    04105 (Profil gelöscht)
  • Wer nicht mal willens ist, Überfälle Russlands auf die Ukraine zu sanktionieren, sollte an Auslandseinsätzen keine Fundamentalkritik üben.

  • 8G
    83379 (Profil gelöscht)

    Okay ich stimme mit dem was da gesagt nicht überein aber lebendiger Diskurs tut der Demokratie gut, nur würde ich mir wünschen, dass hier ein bischen mehr nachgefragt wird:

    "eine programmatische Festlegung getroffen, die ich als Korridor beschreiben würde. Es ist durchaus möglich, innerhalb dieses Korridors verschiedene Positionen zum Militär zu vertreten. Aber dieses Papier sprengt den Korridor in wesentlichen Bereichen." In einer Demokratie gibt es keine Korridore bei einer Debatte, das klingt nach einer in Teilen undemokratischen Sichtweise.

    "vom strikten Nein der Linken zu sämtlichen Rüstungsprojekten abrücken" Naja ohne Waffen kein Militär, außerdem findet das der Rest Europas sicherlich lustig wenn Deutschland sich da einfach aus Verträgen und Vereinbarungen verabschiedet.

    "Ziel ist eine Abrüstung, die an die Substanz geht." Das läuft faktisch auf eine Abschaffung der Bundeswehr hinaus, aber warum wird das dann nicht so gesagt? Ist eine Meinung die man vertreten kann aber dann soll man nicht um den heißen Brei herumreden

    "Die Aufgaben, die vor Ort real nötig sind, könnten auch zivile Akteure übernehmen" Also Schutz, können von den Zivilen Akteuren nur die Söldern übernehmen aber die finde ich ehrlich gesagt keine bessere Lösung als die Bundeswehr.

    "Man sollte nicht die eigenen Positionen schleifen, sondern vertreten, was man für richtig hält." Naja aber Kompromisse gehören zur Demokratie, und eine Partei die antritt ohne bereit ist Kompromisse einzugehen und sich an der Regierungsarbeit zu beteiligen in Koalitionen ist glaube ich falsch.

    "Das hat den Vorteil, dass es Bundeswehr-Einsätze nach Kapitel VI im Moment nicht gibt und wohl auch nicht mehr geben wird." Wie praktisch Einsötze nur nach UN Mandat, aber das gibts ja nicht wegen China und Russland und schon hat man die Welt wie man sie will, ist zwar beschissen für diejenigen die von ihren Diktatoren umgebracht werden aber bei der Linkspartei ist die Welt in Ordnung, das zählt.

  • 2G
    28476 (Profil gelöscht)

    Das Interview spiegelt sehr gut die Heterogenität der Partei wieder.



    Jeder erklärt aus seinem Bauchnabel und der potentielle Wähler muss sich auf einen Schlingerkurs einstellen. Wo bleibt da die Glaubwürdigkeit?

  • 1G
    13566 (Profil gelöscht)

    >>Ziel ist eine Abrüstung, die an die Substanz geht

  • Zitat Pflüger:



    "Er formuliert nicht genau, welche er meint, aber es geht ihm wahrscheinlich um Kapitel-VII-Einsätze der UN."



    Zitat Höhn:



    "Ich denke, wir sollten das generelle Nein zu Peacekeeping-Missionen überwinden und auf die Einzelfälle schauen, die die Vereinten Nationen nach Kapitel 6 ihrer Charta beschlossen haben. Das heißt: Die Truppen haben keinen Kampfauftrag, schützen die zivilen Helfer und die Bevölkerung vor Ort, und das Gastland hat dem Einsatz zugestimmt. Eine solche Peacekeeping-Mission haben wir etwa aktuell im Südsudan."



    Gut vorbereitet, Herr Pflüger.

    • @Marius:

      Und dann sagt Pflüger noch:



      "Die Aufgaben, die vor Ort real nötig sind, könnten auch zivile Akteure übernehmen – gerne auch im Kontext der Vereinten Nationen."

      Ist es also Programm der Linken, bewaffnete Söldner aus Deutschland ins Ausland zu schicken, so lange sie nur nicht der staatlichen und parlamentarischen Kontrolle über die Bundeswehr unterliegen?

      Die aktuelle Position der Linken ist bequem, naiv, heuchlerisch und selbstgefällig. Damit wird kein einziger Konflikt gelöst. Natürlich muss man auch in der Linken endlich über UNO-Friedenseinsätze reden können.

    • @Marius:

      Und das ändert genau was an der Aussage? ;-)

      • @Dörte Dietz:

        Er demonstriert, dass er sich nicht eingängig mit den Thesen Höhns auseinandergesetzt hat (oder will wider besseren Wissens suggerieren, Höhn würde selber schwammig bleiben). Warum? Das sagt er selbst: Es gibt dazu nämlich Beschlüsse, da ist doch schon alles geregelt.



        Souveräne Argumentation sieht für mich anders aus. Von mir aus soll die Linke das auch so vertreten, aber ob das wirklich links ist, weiß ich nicht. Es ist zumindest ein Alleinstellungsmerkmal. Von mir aus... ;)

  • "Wir haben uns mal für die Forderung entschieden"

    Der Satz beschreibt so ziemlich perfekt den Zustand der Partei. Ist auch seit Jahren so ziemlich die Standardantwort auf die Frage nach Koalitionsfähigkeit. Aber na ja, wenn der Einfluss linker Politik im Parlament groß genug ist, warum dann irgendwas ändern?

  • Noch nicht mal EU-Strukturen? Keine Auslandseinsätze?



    Bye Bye Grün-Rot-Rot...

    • @Andi S:

      Und das ist gut so - an R2G würde die Linke zerbrechen. Viele würden aussteigen und eine neue, wirklich linke Partei bilden.

  • Tolle Strategie, da man bereits weiss das es 2021 nichts zu holen gibt, bleibt man weiterhin bei einer regierungsuntauglichen Position. So kann man weiterhin auf alles schimpfen ohne selber Verantwortung übernehmen zu müssen.