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Linken-Politiker Liebich zur US-Wahl„Haltung muss man zeigen“

Die Bundesregierung hätte sich im US-Wahlkampf hinter Joe Biden stellen müssen, sagt der Bundestagsabgeordnete Stefan Liebich.

Stefan Liebich (Die Linke) sagt, die Bundesregierung hätte sich hinter Joe Biden stellen müssen Foto: Michael Kappeler/dpa
Tobias Schulze
Interview von Tobias Schulze

taz: Herr Liebich, Angela Merkels Sprecher wollte die US-Wahl am Mittwochmittag nicht kommentieren. Man warte das Ergebnis ab. Ist das richtig?

Stefan Liebich: Ich finde richtig zu sagen: Man wartet ab, bis tatsächlich ein Wahlergebnis vorliegt, und bewertet es dann. Das hat in der EU nicht jeder gemacht. Der slowenische Ministerpräsident hat leider Donald Trump schon gratuliert, nachdem der sich selbst zum Sieger ausgerufen hat. Ich finde es sinnvoll, dass das die Bundesregierung nicht macht. Ich hätte mir allerdings gewünscht, dass sie im Vorfeld stärker Haltung zeigt. Das hat sie leider nicht.

Warum wäre das gut gewesen?

Im Wahlkampf war klar, dass man es hier nicht einfach mit einem Wettstreit zwischen Demokraten und Republikanern zu tun hat, sondern dass es ein Wettstreit um die Demokratie ist. Das hat Trump jetzt leider noch mal bestätigt durch seine Ankündigung, eventuell Stimmauszählungen zu stoppen. Das kennen wir eigentlich aus ganz anderen Staaten. Ich hätte mir gewünscht, dass die Bundesregierung wie beim Wettstreit zwischen Macron und Le Pen in Frankreich sagt, auf welcher Seite sie steht. Haltung muss man eben auch zeigen, wenn es was kostet.

Wir führen dieses Gespräch am Mittwoch um 15 Uhr. Aktuell ist ein Wahlsieg Trumps immer noch möglich. Was, wenn er gewinnt?

Erst mal müsste man das respektieren. Vieles, was wir uns gewünscht haben, ist eben so nicht eingetreten. Trump ist in den USA beliebter, als wir gehofft haben, und die Wahlen werden dort entschieden und nicht in Berlin.

Was würde ein Trump-Sieg für die deutsch-amerikanischen Beziehungen bedeuten?

Trump ist ja in der letzten Zeit immer schlimmer geworden. Seine Grundlinie, den Multilateralismus infrage zu stellen und internationale Organisationen zu verlassen, verheißt nichts Gutes. Es würden noch mal deutlich schwierigere Zeiten anbrechen.

Bild: Linksfraktion
Im Interview: Stefan Liebich

47, sitzt für die Linkspartei im Bundestag und ist stellvertretender Vorsitzender der Parlamentariergruppe USA

Wie müsste die Bundesregierung reagieren?

Die Bundesregierung hat viel zu spät darauf gesetzt, die EU selbstbewusster und eigenständiger zu machen. Es war schon lange vor Trump absehbar, dass die USA nicht mehr so weitermachen werden wie bisher. Ich habe früher schon von US-Kolleginnen und -Kollegen in Gesprächen zum Beispiel gehört: „Warum sollen wir eine Armee bei euch finanzieren? Das ist doch eure Aufgabe!“ Das hätte man früher erkennen müssen.

Also eine europäische Armee aufbauen?

Ich wünsche mir eine europäische Republik. Dafür haben wir bei uns in der Partei noch keine richtige Mehrheit, aber nahezu die Hälfte will das. Eine europäische Republik hätte eine eigene Regierung und ein eigenes Parlament und wahrscheinlich – solange alle anderen ihre Armeen noch nicht abgeschafft haben – auch eine eigene europäische Armee. Falsch fände ich es, zu den 27 Armeen, die wir jetzt haben, noch eine 28. dazuzulegen.

Gilt all das auch, wenn doch Joe Biden gewinnt?

Einiges wäre mit Biden einfacher. Er hat gesagt, er würde in das Pariser Klimaabkommen zurückkommen. Vielleicht könnte man mit ihm den Iran-Nukleardeal noch mal anders besprechen als mit Trump. Andere Probleme werden bleiben. Die vermeintlich gute alte Zeit, der einige westdeutsche Kolleginnen und Kollegen hinterhertrauern, kommt nicht mehr zurück. Aber mit Biden ist eines anders: Wir haben dann nicht mehr einen Rassisten im Weißen Haus, der sich zudem rüpelhaft benimmt. Das ist schon eine ganze Menge wert.

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6 Kommentare

 / 
  • 8G
    80576 (Profil gelöscht)

    Wozu? Glaubt jemand, die Rednecks hätten sich von Merkels Wahlempfehlung beeindrucken lassen? Wohl kaum. Aber es wäre eine zusätzliche Bürde für die mögliche zukünftige Zusammenarbeit mit Trump geworden.

  • " Ich hätte mir allerdings gewünscht, dass sie im Vorfeld stärker Haltung zeigt. Das hat sie leider nicht." Seit wann nimmt diese Regierung überhaupt mal Stellung wenns um die fu... USA geht?

  • Zitat: „Trump ist ja in der letzten Zeit immer schlimmer geworden. Seine Grundlinie, den Multilateralismus infrage zu stellen und internationale Organisationen zu verlassen, verheißt nichts Gutes.“

    Den Multilateralismus infrage gestellt hat ursprünglich nicht Trump. Das haben die Fans der USA getan. Und zwar seit spätestens 1945.

    Trump hat die Wahl gewonnen mit dem Slogan: „Make America great again“. Die Betonung lag dabei nicht nur auf „great“, sondern auch auf „again“. Zu Zeiten des Kalten Krieges sind die USA mal DIE Führungsmacht gewesen. Sie sind nicht nur eine Atommacht, sie konnten aufgrund ihrer räumlichen Entfernung von Europa auch glaubhaft behaupten, mit dem Faschismus nichts zu tun zu haben. Das „Land der Freien“ war selbst für viele Linke ein Vorbild, auch weil sie während des Faschismus und z.T. darüber hinaus dort Asyl gefunden hatten.

    Den Marshallplan hat es vermutlich nicht umsonst gegeben. Leider haben die wenigsten Leute gefragt, was die „noblen Spender“ damit bezweckt haben. Fakt ist, dass die Hegemonial-Stellung der jeweils herrschenden US-Amerikaner lange nicht angekratzt wurde. Nicht nur in militärischen oder ökonomischen Fragen, sondern auch in kulturellen ist die „Amerikanisierung“ Europas lange unhinterfragt geblieben, und zwar weitgehend unabhängig von allen historischen oder aktuellen Konflikten, die von den USA ausgelöst wurden. Erst mit dem Vietnamkrieg hat der Amerikanische Traum der Europäer feine Risse bekommen, die allerdings nach 1989 dick übermalt wurden.

    Derzeit scheinen viele Europäer eine Art Fsntomschmerz zu empfinden beim Gedanken an die guten alten Zeiten, in denen US-Präsidenten noch präsentabel waren. Den Schmerz kreiden sie ausschließlich Trump an, weil der sich anbietet dafür. Vernünftig ist das aber nicht.

    Im Übrigen ist eine Einmischung in die inneren Angelegenheiten fremder Staaten nie eine gute Idee gewesen. Wie so etwas endet, sehen wir an den USA. Außer, wir heißen Stefan Liebich und sind Fan.

  • Also, im Ernst; sich hinter einen Kandidaten zu stellen geht oft nach hinten los. Stichwort Impeachment.



    Das zu fordern ist wohl eher ein Ausweis von Profilisierungsbemühung ohne Rücksicht, ein Vorgehen dass ich eher mit dem derzeitigen POTUS assoziiere.

    Auch die überzeitige Gratulation aus Slowenien sollte man vielleicht als, auf die Herkunft der FLOTUS zurückzuführen, großzügig hinnehmen.

    Mir war ja schon lange klar das es traditionell bedingt bei einer Amtszeit bleiben dürfte. Rotblonde POTUS werden seit Mitte des letzten Jahrhunderts nicht wiedergewählt.

  • Höchste Zeit, dass Atlantikbrücken-Liebich den Bundestag verlässt.



    Die Erfahrung zeigt, dass offene Einmischungen ausländischer Regierungen eher kontraproduktive Ergebnisse zeitigen. Trump hätte dann wohl noch mehr Stimmen bekommen.

  • Danke für das Interview.

    US-Kolleginnen..: „Warum sollen wir Armee bei euch finanzieren? Das ist doch eure Aufgabe!“ Ob Stefan Liebich sicher ist, dass Washington Kosten der US Army auf deutschem Boden, samt Infrastruktur, zu Lande, zu Wasser, in der Luft, u. a. für Atombomben Air Base Büchel/Eifel, Rammstein Pfalz selber trägt oder von Deutschland getragen wird, nicht im Wehr- sondern Außenamt- Etat verbucht sind? Wären die in Wehretat eingepreist, wäre Deutschland, noch zu bei schrumpfender Wirtschaft aufgrund Corona Pandemie 2020, längst bei 2 % BIP Verteidigungsausgaben? Warum wohl halten sich USA weltweit um 800 Militärbasen, darunter seit NIne Eleven 01 Afghanistan, 2003 Irak, neben militärisch-geostrategischen Zielen mit Sicherheit, Kosten auf andere Länder zu verschieben? wenn ja, wie steht es mit 12 Bundeswehr Auslandstandorten out of Area, werden Kosten von Ländern vor Ort getragen?



    Wenn unsere Zivilgesellschaft sich im US Wahlkampf mit dortiger Zivilgesellschaft positionier intensiv verbindet, Haltung zeigt, wie es parteinahe Stiftungen unser parlamentarischen Parteien mit eigenen Dependancen im Ausland, informell abgestimmt mit deutschen Botschaften, längst tun, aus AA Etat dafür Sondermittel generieren, neben sonstiger Parteifinanzierung, ist das für internationale Zusammenarbeit Gewinn, wenn Bundesregierung sich im US Wahlkampf für die eine oder andere Seite positioniert sehe ich darin keine Haltung sondern Pose.



    Haltung erweist sich in direkten Verhandlungen, z. B. Bundestagbeschluss 2010 umzusetzen, mit USA, NATO Abzug der Atomwaffensystemen von US Air Base Büchel abzuziehen, militärisch-zivilen Atommüll, Schrott zu entsorgen, auf atomare Teilhabe in Nato zu verzichten, damit von Deutschland unterzeichneten Atomsperrvertrag 1968 zu erfüllen, sich ICAN UNO Atomwaffenverbot 2017 anzuschließen, das im letzte Woche durch 50. Signatarstaat Honduras, entgegen Druck durch Trump Administration, auch Berlin Völkerrecht wurde