Linke streitet um Migrationspakt: Showdown in der Fraktion

Im Streit mit den Migrationsskeptikern um Wagenknecht haben die Migrationsfreunde sich durchgesetzt: Die Fraktion stimmte für den UN-Migrationspakt.

Sahra Wagenknecht (li) und Dietmar Bartsch bei einer Seebrückendemonstration in Berlin

Die Geschlossenheit täuscht: Sahra Wagenknecht (li) und Dietmar Bartsch bei einer Seebrückendemonstration in Berlin Foto: reuters

UPDATE 27.11., 17:30 UHR: Nach ausgiebiger Debatte haben die Abgeordneten der Linken in ihrer Fraktionssitzung einen Antrag beschlossen, der die Bundesregierung auffordert dem UN-Migrationspakt grundsätzlich zuzustimmen. Elf Abgeordnete enthielten sich, darunter auch Sahra Wagenknecht. Mitglieder der Fraktionssitzung sehen die machttaktische Allianz mit Dietmar Bartsch, das sogenannte Hufeisen, beschädigt und den Wagenknecht-Flügel deutlich geschwächt. „Das war eine saubere Niederlage für Wagenknecht“, meint eine TeilnehmerIn nach der Sitzung zur taz. Auch GenossInnen, die Wagenknecht inhaltlich nahe stehen sind erleichert: „Den Migrationspakt abzulehnen wäre einfach irre gewesen.“

BERLIN taz | Für einige in der Linksfraktion ist die dienstägliche Fraktionssitzung der schlimmste Termin der Woche. So vergiftet ist das Klima zwischen denjenigen, die sich um die beiden Fraktionsvorsitzenden Sahra Wagenknecht und Dietmar Bartsch scharen, und der wachsenden Schar der Unzufriedenen. Diesen Dienstagnachmittag könnte sich die angespannte Stimmung entladen.

Anlass ist der UN-Migrationspakt. Die Migrationspolitiker der Fraktion um die Sprecherin Gökay Akbulut haben einen Antrag aufgesetzt, in dem die Fraktion den Pakt grundsätzlich unterstützt. Im Antrag, welcher der taz vorliegt, fordert die Fraktion die Bundesregierung auf, für die Annahme des Pakts im Dezember in Marrakesch zu stimmen. Sie begrüßt insbesondere den menschenrechtlichen Ansatz des Paktes, der Menschen vor Ausbeutung und unmenschlichen Bedingungen schützen soll.

Ferner finden sich in dem Antrag weitergehende Appelle, etwa allen Geflüchteten unabhängig vom Aufenthaltsstatus Zugang zu Arbeit zu gewähren und die Forderung an die Bundesregierung, sich auf EU-Ebene für eine zivile Seenotrettung einzusetzen.

Für eine linke Partei durchaus erwartbare Forderungen, doch schon im Vorfeld gab es Knatsch. Im aktuellen Spiegel hatte Fraktionschefin Sahra Wagenknecht den Pakt infrage gestellt und erklärt, die geplante Vereinbarung idealisiere Migration und würde die Ursachen ausklammern. „So ist er vor allem im Interesse großer Unternehmen und wird zu Recht von vielen Entwicklungsökonomen kritisiert“, sagte Wagenknecht dem Spiegel.

In eine ähnliche Richtung geht nun ein konkurrierendes Positionspapier, welches von Fraktionsvize Sevim Dagdelen und der Leiterin des Arbeitskreises Außenpolitik, Heike Hänsel, aufgesetzt wurde, und Montagnacht an alle Mitglieder der Linksfraktion im Bundestag versandt wurde.

Linke soll Migrationspakt nicht zustimmen

In dem sechsseitigen Dokument, welches der taz ebenfalls vorliegt, heißt es: „Die Fraktion DIE LINKE lehnt den UN-Migrationspakt ab, solange die Bundesregierung bei der Unterzeichnung in Marrakesch nicht eine politische Erklärung zur Öffnung legaler Fluchtwege, zur Bekämpfung von Fluchtursachen und zur Beendigung der Enteignung der Länder des Südens abgibt.“ Es folgen acht Punkte, die zur Bedingung gemacht werden sollen, unter anderem die Aufkündigung des Türkei-Deals und die Einführung einer Mindestausbildungsvergütung.

Sowohl Dagdelen als auch Hänsel gelten als enge Vertraute und Unterstützerinnen von Wagenknecht.

Um die Lage zu entschärfen haben die Migrationspolitiker um Akbulut nun einige der Punkte aus diesem neuen Papier in ihren Antrag aufgenommen und diese Fassung am Dienstagvormittag an die GenossInnen in der Fraktion verschickt. Nun übt man schärfere Kritik an der weltweiten Ungleichheit und fordert die Regierung auf, „sicherzustellen, dass eine Abwanderung von Menschen aus Ländern, in denen ein Mangel an Arbeitskräften besteht, nicht im Interesse von nationalen und wirtschaftlichen Interessen gefördert wird“. Gleichwohl wirbt der Antrag weiterhin für die Unterschrift Deutschlands auf der unverbindlichen UN-Vereinbarung.

Aufpassen, was kommuniziert wird

Die Rundmail appelliert an die GenossInnen, dem Kompromiss zuzustimmen, „da in der gegenwärtigen, allein von der politischen Rechten dominierten Debatte zum Migrationspakt, jede Ablehnung des Paktes als Bestätigung der AfD aufgefasst und kommuniziert werden würde“.

Um 15:00 Uhr am Dienstag trifft sich die Fraktion. Viel Zeit sich zu einigen bleibt nicht, denn schon am Donnerstag steht das Thema im Bundestag auf der Tagesordnung. SPD und Union haben sich auf einen Entschließungsantrag geeinigt, der am selben Tag abgestimmt werden soll. Ob die Linke ihren Antrag einbringt, ist noch offen. Zumindest aber wird sie mit abstimmen. Irgendwie.

Der UN-Migrationspakt: Der vollständige Vertragstext – kommentiert von ExpertInnen für Migration.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.