Linke in der Bundeswehr: Kritische Soldaten gehen aus
Im „Darmstädter Signal“ engagieren sich Soldaten gegen Atomwaffen und Auslandseinsätze. Am Freitag könnte sich der Arbeitskreis auflösen.
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Als Arbeitskreis kritischer Soldaten versteht sich das DS, das zu den interessantesten Gruppierungen der Friedensbewegung gehört: Eine Handvoll Offiziere gründeten das Forum 1983, als die Nato gerade neue Atomraketen in Deutschland stationierte. Seitdem engagiert sich das DS gegen Atomwaffen, Rüstungsexporte und Auslandseinsätze, zeitweise mit über hundert aktiven Bundeswehrangehörigen. Am Freitag könnte damit aber Schluss sein – und das gegen den Willen einiger altgedienter Mitglieder.
Das Problem: Dem Arbeitskreis fehlt, genau wie vielen Gruppen der herkömmlichen Friedensbewegung, der Nachwuchs. „Der Großteil der Mitglieder ist überaltert und beteiligt sich nicht an der Arbeit. Im Vorstand sind keine aktiven Soldaten mehr vertreten“, sagt Vorstandssprecher Florian Kling. „Die Kernidee eines Forums für kritische Staatsbürger in Uniform erfüllen wir nicht mehr.“ Kling selbst, Sozialdemokrat, 32 Jahre alt und ehemaliger Jugendoffizier, war der letzte aktive Soldat im Vorstand. Er schied im vergangenen Jahr aus der Armee aus.
Die Nachwuchssorgen sind lange bekannt. Schon 2018 warnte Kling intern, dass es so wie bisher nicht weitergehen könne. Weil sich die Situation trotzdem nicht geändert hat, wird er der Mitgliederversammlung des Arbeitskreises an diesem Freitag einen Vorschlag unterbreiten: Das DS selbst soll sich auflösen. Der dazugehörige Förderverein, der bislang die Aktivitäten finanzierte, soll neue Aufgaben bekommen. Er soll die Geschichte des DS dokumentieren und als Förderer bereitstehen, falls sich irgendwann doch wieder aktive Soldaten zusammenschließen.
Ein Generationenkonflikt?
Warum es so weit kommen musste? Die Gründe für die Nachwuchsprobleme sieht Kling unter anderem in der Aussetzung der Wehrpflicht. Wer heute zur Bundeswehr gehe, wolle dort Karriere machen und das nicht gefährden, indem er einem kritischen Arbeitskreis beitrete. Dieser Logik zufolge hat die Wehrpflicht früher mehr kritische Geister in die Bundeswehr gespült, die zum Teil über ihren Wehrdienst hinaus hängenblieben.
Zudem sieht Kling einen Generationenkonflikt. „Viele der Älteren im Darmstädter Signal kommen mit der heutigen Bundeswehr nicht zurecht und wollen die Rückkehr zu einer Armee der Landesverteidigung. Es war nicht möglich, die Grundposition anzupassen und damit kritische Offiziere jüngeren Alters anzusprechen, die völkerrechtskonforme Auslandseinsätze nicht ablehnen“, sagt er. In internen Diskussionen ist die Rede vom „Dominanzgebahren“ älterer Mitglieder, die potenzielle Neumitglieder abgeschreckt hätten.
Jürgen Rose gehört zu den Älteren in der Vereinigung. Er kam 1977 in die Bundeswehr, legte nach zehn Wochen erstmals Beschwerde gegen seine Vorgesetzten ein und wurde Jahre später zwangsversetzt, weil er sich mit dem Verteidigungsminister Volker Rühe anlegte, indem er öffentlich die Wehrpflicht kritisierte.
Den Generationenkonflikt sieht auch er: Die älteren Mitglieder seien während des Kalten Kriegs unter der Voraussetzung in die Bundeswehr eingetreten, dass diese für die Landes- und Bündnisverteidigung da sei. Jüngere Soldaten seien anders sozialisiert und hätten kein generelles Problem mit Auslandseinsätzen. Im Arbeitskreis sind beide Seiten offenbar nicht zusammengekommen.
„Wir sind keine Wattebäuschchenwerfer.“
„Im Darmstädter Signal sitzt ein Haufen alter Veteranen. Die geben allein durch ihre Überzahl die Linie vor. Es kann sein, dass das junge Leute verunsichert“, sagt Rose. „Wir sind keine Wattebäuschchenwerfer.“ Dazu kämen allgemeine Probleme, zum Beispiel, dass junge Menschen heute seltener bereit seien, sich zur Mitarbeit in festen Strukturen zu verpflichten.
Trotzdem will er das DS noch nicht aufgeben. Auf der Mitgliederversammlung wird er dafür werben, das Forum weiterzuführen. Den Vorstand von Förderverein und Arbeitskreis wollen er und ein Major a. D. übernehmen.
Ihr Argument: Es gebe doch noch eine Chance, an Nachwuchs zu kommen – durch Werbung in den Kasernen. Plakate innerhalb von Bundeswehreinrichtungen seien dem DS bisher selten genehmigt worden. Kürzlich habe sein Mitstreiter aber erstmals Flyer in der Münchner Bundeswehr-Universität aufhängen dürfen. „Mal sehen, wie die Resonanz ist. Vielleicht gibt es einen Schneeballeffekten, wenn einmal Interessenten zu unseren Veranstaltungen kommen und das dann weitererzählen“, sagt Rose.
Und immerhin: Eine aktive Soldatin habe der Major a. D. inzwischen geworben. Sie wäre in Zukunft dabei.
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