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Lindner über Beziehungen zu RusslandKrim als „dauerhaftes Provisorium“

Der FDP-Vorsitzende Lindner fordert, den Streit um die Krim auszuklammern. So könnten die Beziehungen zu Russland verbessert werden. Dafür erntet er Kritik.

Es müsse Angebote geben, damit der russische Präsident Wladimir Putin ohne Gesichtsverlust seine Politik verändern könne, sagte Lindner am Wochenende den Zeitungen der Funke Mediengruppe Foto: dpa

Berlin dpa | Der FDP-Vorsitzende Christian Lindner hat eine Verbesserung der Beziehungen zu Russland angemahnt. Es müsse Angebote geben, damit der russische Präsident Wladimir Putin ohne Gesichtsverlust seine Politik verändern könne, sagte Lindner am Wochenende den Zeitungen der Funke Mediengruppe.

„Sicherheit und Wohlstand in Europa hängen auch von den Beziehungen zu Moskau ab.“ Lindner weiter: „Um ein Tabu auszusprechen: Ich befürchte, dass man die Krim zunächst als dauerhaftes Provisorium ansehen muss.“ Grünen-Chef Cem Özdemir kritisierte Lindners Äußerungen scharf.

Die deutsch-russischen Beziehungen sind seit Beginn der Ukrainekrise vor drei Jahren schwer belastet. Wegen der sanktionswidrigen Lieferung mehrerer Siemens-Gasturbinen auf die Krim hatte die EU am Freitag mehrere Strafmaßnahmen beschlossen. Die EU erkennt die Einverleibung der Schwarzmeerhalbinsel durch Russland nicht an und hat Moskau deshalb mit Sanktionen belegt.

Den Krim-Konflikt werde man „einkapseln müssen“, um an anderen Stellen Fortschritte zu erzielen, sagte Lindner. Die europäischen Sanktionen sollten „nicht erst fallen können, wenn das Friedensabkommen von Minsk vollständig erfüllt ist“. Auch positive Zwischenschritte müssten gewürdigt werden, so der FDP-Vorsitzende. Der Bild am Sonntag sagte er: „In Wahrheit habe ich ausgesprochen, was viele denken und was längst im Stillen reale Politik ist.“ Die FDP relativiere aber kein Stück ihre kritische Position gegenüber Moskau.

Özdemir kritisiert „falschen Kuschelkurs“

Sein Kollege Özdemir entgegnete, Lindner wolle „offenbar eine neue Koalition der Diktatorenfreunde“ um Linken-Fraktionschefin Sahra Wagenknecht vorbereiten. „Er schwenkt damit ein auf den falschen Kuschelkurs von Linken, CSU und SPD und hebt dafür sogar das Wahlprogramm seiner Partei auf.“ Dies sei der falsche Weg für eine verantwortliche und starke deutsche Außenpolitik.

Der Russland-Beauftragte der Bundesregierung Gernot Erler mahnte ein gemeinsames europäisches Vorgehen zur Lösung des Ukraine-Konflikts an. Das Thema Krim sollte erst in einem späteren politischen Prozess auf die Tagesordnung gebracht werden. „Es wäre hilfreich, wenn sich auch Herr Lindner an diese Verabredung hielte“, sagte der SPD-Politiker den Funke-Zeitungen.

In seinem Funke-Interview hatte der FDP-Chef zugleich auf klare Regeln gepocht, um die Zuwanderung zu ordnen. Er erwarte auch, dass Deutschland und Frankreich gemeinsame Initiativen für Grenzschutz und die Sicherung des Mittelmeers ergriffen. „Wir müssen mit den Regierungen in Nordafrika daran arbeiten, dass auf dem Festland dort Asylanträge gestellt werden können – oder Anträge für legalen Zugang nach Europa, wenn es sich um Qualifizierte handelt.“

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9 Kommentare

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  • Eine klare Absage an Jamaika.

  • Nur mal so eine Idee: Könnte man nicht unter dem Schutz der UNO ein neues Referendum über den Status der Ukraine abhalten. Teilnehmen könnten alle die vor der Annektion/Wiedervereinigung auf der Krim gemeldet waren.

  • Abkommen von Minsk ist ein Abkommen zwischen den Ostprovinzen und den Westprovinzen der Ukraine, in dem BEIDE Seiten Verpflichtungen haben. Diese müssen denn auch von BEIDEN Seiten erfüllt werden. man kan sich nicht nur auf den Standpunkt der Pflichterfüllung durch die Ostukraine stellen.

  • Ich will ja nicht bestreiten, dass man im Zusammenhang mit der Krim-Annektion, ihrer unrühmlichen Vorgeschichte und ihren Folgen über vieles nachdenken kann und soll. Was den Herrn Möchtegern-Außenminister (ein gütiges Geschick beschütze und vor noch einem solchen Leichtmatrosen!) offenbar überfordert: Eine solche Strategie-Diskussion öffentlich zu führen ist - sehr zurückhaltend formuliert - nicht besonders schlau.

  • Noch besser:

    Lindner halte ich für ein

    „dauerhaftes Provisorium“

    und die FDP weiterhin auszuklammern für die beste Lösung.

  • Lindner halte ich für ein... (nicht stubenreiner Ausdruck).

    Aber was die Krim anbetrifft, hat er recht. Die Halbinsel Krim, durch Chruschtschows Geschenk Staatsgebiet der Ukraine, soviel ist bekannt, ist der einzige ganzjährig eisfreie Zugang Russlands zum Meer.

    Und die Ukraine wollte nach dem Maidan-Umsturz (der ja sowas von "demokratisch" war...) den Pachtvertrag für den Hafen Sewastopol kündigen. Das war/ist für Russland unannehmbar.

    Alles Moralisieren diesbezüglich ist Heuchelei! Die USA werden den Stützpunkt Guantanamo Bay - bekanntermaßen Teil der Insel Kuba - auch nicht räumen. Da könnte sich Kuba auf den Kopf stellen.

    Was soll also der Zirkus um die Krim!?

    Realpolitik wäre, den faktischen Status der Krim anzuerkennen und über einen Transitzugang für Russland durch die Ostukraine zu verhandeln.

    Hopplahopp wäre der Krieg in der Ukraine vorbei.

    Vielleicht ließe Putin sich ja auch auf eine langfristige Übergangslösung ein - bis er einen neuen Militärhafen an russischem Kernland gebaut hat.

    Die Sanktionen kosten beide Seiten viel Geld...

    • 8G
      83379 (Profil gelöscht)
      @Achtsamer:

      Zum einen hat die Krim eine lange Geschichte in der sie ukrainisch war. Die Grnezen der Sovvietrepubliken waren sehr willkürlich. Nach dem Krieg wurden auf der Krim viele Russen angesiedelt, weil viele Ukrainer geflohen, ermordet oder deportiert worden waren. Nach dem Ende des Kalten Krieges erkannte Russland die nationale Souveränität der Ukraine an, dafür gab die Ukraine ihre Atomwaffen ab.

      Der Putsch war nicht-demokratisch, aber die folgenden Wahlen schon und die haben ihn legitimiert.

      Es gibt in diesem Fall einen klaren Aggressor und das ist Russland, solange dieses Weltmacht spielen will auf kosten kleinerer Staaten wird es keine normalen Beziehungen geben.

      • @83379 (Profil gelöscht):

        "Nach dem Krieg wurden auf der Krim viele Russen angesiedelt, weil viele Ukrainer geflohen, ermordet oder deportiert worden waren."

         

        Der Krieg ist mehr als 70 Jahre her. Wie lange wollen Sie solche Ansiedlungen rückgängig machen?

         

        Was ist mit der Verschiebung der polnisch/Ukrainischen Grenze?

         

        Die deutschen Ostgebiete?

         

        Ihr Standpunkt ist revisionistisch.

  • Immerhin hat es auf der Krim eine Volksabstimmung gegeben. Bei anderen besetzten Gebieten gibt es da weniger Zustimmung. Allein die Einreise auf die Krim bereits als Straftat zu sehen, ist eine Sichtweise der Ukraine, die sich andere Staaten nicht zu eigen machen sollten. Die Energieversorgung der Krim mit Turbinen ohne eigenes Wissen als grosse Straftat zu verfolgen, ist auch daneben. Das erinnert mich eher an die Berlin-Blockade, als die Bevölkerung in Geiselhaft genommen werden sollte.

    Leider scheint es immer mehr in Mode zu kommen, unschuldige Menschen auf Grund ihrer Nationalität in Geiselhaft zu nehmen. Bei Nordkorea werden künftig US-Amerikaner bestraft, die das Land besuchen und umgekehrt dürfen Nordkoreaner nicht mehr im Ausland arbeiten.