Lindner, Leguane und Luxusgüter: Wie geht es uns, Herr Werning?
Herr Küppersbusch ist im Urlaub, deswegen beantwortet uns Herr Werning die Fragen der Woche. Als Zoologe reist er nur in höherer Misson um die Welt.
t az: Herr Werning, was war schlecht vergangene Woche?
Heiko Werning: Sibirien brennt, Brasilien wird abgeholzt – so schnell kann Greta gar nicht über den Atlantik segeln, wie der Klimawandel Fahrt aufnimmt.
Und was wird besser in dieser?
Mal eine Woche ohne neue Jahrhundertrekorde beim Wetter?
Friedrich Küppersbusch ist gerade im Urlaub. Wann waren Sie zuletzt?
Ich bin von Haus aus Zoologe, und Zoologen machen natürlich niemals Urlaub, sondern sind „im Feld“. Sie reisen also nicht nutzlos in der Welt herum wie taz-Leser, sondern in höherer Mission und kennen daher auch keine Flugscham. Ich bin gerade aus Kuba zurückgekommen. Schöne Leguane da.
In Rom dürfen Touristen nicht mehr auf der berühmten Spanischen Treppe sitzen. Trifft Sie das?
Mir egal, in Rom gibt es keine Leguane. Aber der Furor gegen Touristen nimmt ja auch bei uns zu. Da können auch Linke endlich mal ihre Heimatschutzfantasien ausleben. Das Fremde stört immer, sei es das Bierbike, das vorm Vegan-Café vorbeirumpelt, seien es diese Moslems, die im Industriegebiet hässliche Minarette neben unsere prächtigen Schornsteine stellen.
Im Sonderbericht zum Klimawandel zeichnet der Weltklimarat ein düsteres Bild. Sehen Sie irgendwo auch Licht am Horizont?
Ja, bald werde ich nicht mehr fliegen müssen, um Wüstenreptilien zu beobachten. Dass Fridays for Future die Sommerferien offenbar gut übersteht und immer noch den medialen Diskurs beherrscht – kein Tag vergeht, ohne dass die Welt das Horrorszenario beschwört, man könne bald nicht mal mehr mit seinem Porsche zum Bäcker fahren –, ist ermutigend. Für viele Tier- und Pflanzenarten wird das zu spät kommen. Sie werden vorerst nur in menschlicher Obhut überleben können. Wir brauchen also nicht nur weniger Autos, sondern auch mehr Zoos!
FDP-Chef Lindner meint, ein wenig genutzter Diesel-SUV sei umweltfreundlicher als ein viel gefahrener Kleinwagen. Sollte er die Sache den Profis überlassen?
ist Satiriker und Reptilienforscher. Er vertritt an dieser Stelle den verdient urlaubenden Friedrich Küppersbusch.
Der Mann hat völlig recht! Um diesen Vorteil wirklich auszuspielen, müssen wir die Wenignutzung von Diesel-SUV nur noch verbindlich vorschreiben. Vielleicht fünfzig Kilometer im Jahr?
Für das Finanzamt sind Tampons Luxusgüter, Katzenfutter hingegen gilt als lebensnotwendiger Bedarf. Logisch, oder?
Die Neuordnung des Mehrwertsteuer-Irrsinns wäre doch eine hübsche Aufgabe für die FDP, denken wir nur an die Hotelbesteuerung und ihr erfreuliches Ergebnis vier Jahre später.
Amnesty International reagiert auf die Schusswaffengewalt in El Paso und Dayton und ruft USA-Reisende zu erhöhter Vorsicht auf. Was muss noch passieren, bis die USA ein strengeres Waffengesetz erlassen?
Sobald Deutschland ein generelles Tempolimit auf Autobahnen eingeführt hat, ziehen die USA mit Waffengesetzen nach.
Eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft sagt: Viele deutsche Regionen drohen wirtschaftlich abgehängt zu werden. Was tun? Und wählen die dann alle AfD?
Die Leute wählen in erster Linie AfD, weil sie rassistisch, nationalistisch und auch sonst sehr unangenehme Zeitgenossen sind und nun endlich eine Möglichkeit haben, dies nach langer Vorbereitungsarbeit durch Talkshows und Julian Reichelt gesellschaftlich akzeptiert zum Ausdruck zu bringen. Viele der abgehängten Regionen könnten wir einfach zu Wolfserwartungsgebieten umwidmen – es winkt ein ästhetischer wie intellektueller Gewinn.
Schalker Aufsichtsratschef Clemens Tönnies lässt sein Amt für drei Monate ruhen. Der Verein stellt fest: der Rassismusvorwurf sei unbegründet und Tönnies täte alles wirklich sehr leid. Rollt alles so weiter auf Schalke?
Das muss man auch erst mal hinkriegen: Unter tierquälerischen Bedingungen in einer maximal klimaschädlichen Industrie ein Vermögen damit zu verdienen, wesentliche Teile dieser Schweinerei nach Afrika zu verticken und damit das menschliche Elend dort zu verstetigen, um anschließend den Afrikanern, die mit der Erderwärmung praktisch nichts zu tun haben, falsche Klimaschutztipps zu geben und sie dabei auch noch rassistisch zu beleidigen. Klassische Blutgrätsche. Dafür gibt er sich selbst eine gelbe Karte – drei Monate Amtsruhe, wie soll der Mann das durchstehen? –, da schnalzt man auf Schalke respektvoll mit der Zunge. Uli Hoeneß wird sich scheckig ärgern, wie billig der Märtyrerstatus im Pott zu haben ist. Protokoll: Charlotte Köhler, Ambros Waibel
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Nachhaltige Elektronik
Ein blauer Engel für die faire Maus
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Das Weihnachten danach
James Bond
Schluss mit Empfindsamkeit und Selbstzweifeln!
Bodycams bei Polizei und Feuerwehr
Ungeliebte Spielzeuge